TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/19 2002/16/0061

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 19.12.2002
beobachten
merken

Index

22/02 Zivilprozessordnung;
27/03 Gerichtsgebühren Justizverwaltungsgebühren;

Norm

GGG 1984 §20;
ZPO §70;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des E in A, vertreten durch Dr. Peter Bartl und Dr. Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, Hauptplatz 3, gegen den Bescheid des Präsidenten des LG für ZRS Graz vom 18. Jänner 2002, Zl. Jv 2013-33/01, betreffend Gerichtsgebühren, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war von seiner geschiedenen Gattin im Verfahren 28 C 93/93a des BG für ZRS Graz auf Unterhalt geklagt worden, wobei die Klägerin schon in der Klage Verfahrenshilfe begehrte. Der Antrag wurde mit Beschluss des genannten Gerichtes vom 2. September 1993 rechtskräftig abgewiesen.

Mit Urteil vom 6. Juni 1994 wurde der Klage stattgegeben und der Beschwerdeführer als Beklagter schuldig erkannt, der Klägerin S 42.458,40 an Prozesskosten zu ersetzen.

Die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung hatte Erfolg. Mit Beschluss des LG für ZRS Graz als Berufungsgericht vom 29. September 1994, 2R 299/94 wurde das Ersturteil aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen. Dabei wurde ausgesprochen, dass die Kosten des Berufungsverfahrens weitere Verfahrenskosten sind. Der Rekurs an den OGH wurde für zulässig erklärt.

Daraufhin erhob die klagende Partei Rekurs an den OGH (= ON 27 des Aktes 28 C 93/93a) wobei sie neuerlich die Bewilligung der Verfahrenshilfe begehrte. Diese wurde mit Beschluss des BG für ZRS Graz vom 18. November 1994 bewilligt.

Der OGH wies den Rekurs der Klägerin mit Beschluss vom 7. März 1995, 4 Ob 574/04 zurück und erkannte die Klägerin schuldig, dem Beschwerdeführer S 8.470,-- an Kosten der Rekursbeantwortung zu ersetzen.

Im zweiten Rechtsgang wies das BG für ZRS Graz mit Urteil vom 22. Juni 1995 die Klage ab und erkannte die Klägerin für schuldig, dem Beschwerdeführer S 67.211,90 an Prozesskosten zu ersetzen.

Die dagegen von der Klägerin erhobene Berufung (= On 35 des Aktes 28 C 93/93a) blieb ohne Erfolg. Mit Berufungsurteil vom 28. September 1995 wurde die Klägerin schuldig erkannt, dem Beschwerdeführer S 13.950,-- an Prozesskosten zu ersetzen.

Eine dagegen von der Klägerin erhobene außerordentliche Revision wurde mit Beschluss des OGH vom 16. Jänner 1996 zurückgewiesen.

Damit war das Verfahren 28 C 93/93a des BG für ZRS Graz zunächst abgeschlossen.

Mit Urteil des BG für ZRS Graz vom 16. März 1998 28 Cg 86/96a- 10 (= ON 48 des Aktes 28 C 93/93a) wurde über Wiederaufnahmsklage der geschiedenen Gattin des Beschwerdeführers die Wiederaufnahme des Verfahrens 28 C 93/93a bewilligt und die in dieser Sache ergangenen Urteile des BG für ZRS Graz vom 22. Juni 1995 und des LG für ZRS Graz vom 28. September 1995 wurden "beseitigt". Dazu wurde ausgesprochen, dass die Kostenentscheidung der Endentscheidung im wiederaufgenommenen Verfahren vorbehalten bleibt.

In der daraufhin folgenden Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 22. Oktober 1998 wurde ein Vergleich geschlossen, der auszugsweise folgenden Inhalt hat:

"VERGLEICH:

1.) Die beklagte Partei verpflichtet sich an die klagende Partei einen Betrag von S 75.000,-- an Unterhaltsleistung aus der vom Beklagten bezogenen Abfertigung zu bezahlen, dies binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Vergleiches, zu Handen des Klagsvertreters.

2.) Die beklagte Partei verpflichtet sich an die klagende Partei eine Kostenpauschale von S 24.000,-- binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Vergleiches bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

3.) Weiters verpflichtet sich die beklagte Partei an die klagende Partei zu Handen des Klagsvertreters einen weiteren Kostenersatz in der Höhe von S 3.000,--, zuzüglich 20 % USt., insgesamt daher S 3.600,--, binnen 14 Tagen ab Rechtskraft dieses Vergleiches bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

..."

Mit Zahlungsauftrag vom 11. Juli 2001 wurde dem Beschwerdeführer von der Kostenbeamtin des BG für ZRS Graz unter Anwendung des § 20 GGG Pauschalgebühr im Gesamtbetrag von S 29. 325,-- vorgeschrieben.

Dem dagegen erhobenen Berichtigungsantrag gab die belangte Behörde mit Bescheid vom 18. Jänner 2002 teilweise Folge, indem sie unter anderem folgenden Spruch fällte:

"Der Zahlungsauftrag wird aus Anlass des Berichtigungsverfahrens dahingehend abgeändert, dass er zu lauten hat:

ON

Gegenstand und angewendete Vorschrift

Bemessungsgrundlage

zu zahlen S

 

27

35

Einhebungsgebühr § 6 Abs 1 GEG 1962

1/2 Pauschalgebühr TP 3 GGG

1/2 Pauschalgebühr TP 2 GGG

jeweils iVm § 20 GGG letzter Satz laut rk.

Vergleich ON 50

 

150.000,--

150.000,--

100,--

6.000,--

5.300,--

 

zu zahlender Gesamtbetrag

 

11.400,-- (Euro 828,47)"

In der Begründung dazu stützt sich die belangte Behörde ebenfalls auf § 20 GGG wobei wörtlich ua Folgendes ausgeführt wird:

"...

Ermittlungen durch die Kostenbeamtin am 19.6.2001 beim Klagsvertreter (zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses am 22.10.1998: Dr. Gottfried Berndik, Rechtsanwalt, Schlögelgasse 1, 8010 Graz) haben ergeben, dass dieser einen Betrag von S 3.600,-- erhalten hat. An die vorherigen Klagsvertreter (Dr. Karl Krawagna, Dr. Walter Wolf) wurden S 24.000,-- überwiesen. Dr. Berndik teilte weiters mit, dass das Vollmachtsverhältnis zur Klägerin aufgelöst wurde. Dr. Karl Krawagna und Dr. Walter Wolf sind nicht mehr als Rechtsanwälte eingetragen. Eine Feststellung dahingehend, in welchem Verhältnis der vergleichsweise Kostenersatz erfolgt ist, war somit unmöglich. Das Ermittlungsergebnis wurde dem Vertreter des Zahlungspflichtigen am 3.12.2001 zur Wahrung des Parteiengehörs zur Kenntnis gebracht.

...

Wie bereits oben ausgeführt war jedoch eine konkrete Feststellung, in welchem prozentuellen Ausmaß dieser Kostenersatz erfolgt, nicht möglich. Es ist nicht Sache des Kostenbeamten (der als Justizverwaltungsorgan für die Gebührenberechnung zuständig ist) ohne im Akt erliegende Kostenverzeichnisse der Rechtsprechung obliegende Feststellungen dahingehend zu treffen, welche Leistungen im Zivilprozess getätigt wurden und wie diese zu honorieren sind. Auch die Vertreter des Berichtigungswerbers haben keine Angaben gemacht, in welchem Verhältnis ein Kostenersatz erfolgte.

..."

Ausgehend davon forderte die belangte Behörde vom Beschwerdeführer die Hälfte der Gebühr für die Schriftsätze der Klägerin ON 27 und ON 35 an.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass ihm nicht die halbe Pauschalgebühr für die Rechtsmittel der Klägerin ON 27 und ON 35 auferlegt werden.

Die belangte Behörde legte den Akt 28 C 93/93a des BG für ZRS Graz und die Verwaltungsakten vor, teilte mit, dass der Akt 28 C 86/96a "in Verstoß geraten ist", und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 20 GGG lautet:

"In den Fällen des § 70 ZPO sowie bei persönlicher Gebührenfreiheit aus anderen Gründen (§ 10) ist der Gegner zur Zahlung der Gerichtsgebühren, die die gebührenbefreite Partei zu entrichten gehabt hätte, verpflichtet, soweit ihm die Kosten des Rechtsstreites auferlegt sind oder soweit er die Kosten durch Vergleich übernommen hat. Im Zweifel ist die Hälfte der Gebühr einzuheben."

Nach der dazu vorliegenden hg. Judikatur trifft bei Anwendung des § 20 GGG die Gebührenpflicht den Gegner der gebührenbefreiten Partei nur soweit, als er die Kosten des Verfahrens durch Vergleich übernommen hat. Im Bescheid, mit dem über einen Berichtigungsantrag nach § 7 GEG abgesprochen wird, sind daher - unter Berücksichtigung des ursprünglichen Klagebegehrens und dessen Bewertung sowie des Verfahrensaufwandes - Feststellungen dahin zu treffen, in welchem Verhältnis der Gegner der gebührenbefreiten Partei durch die Übernahme einer Prozesskostenzahlungspflicht die den gebührenbefreiten Prozessparteien erwachsenen Kosten übernommen hat. Nur in jenem Verhältnis (arg. "soweit") ist der Gegner der gebührenbefreiten Partei dann gemäß § 20 GGG zahlungspflichtig. Für die Anwendung der Zweifelsregel des § 20 letzter Satz GGG ist erst dann Raum, wenn Feststellungen über das Verhältnis der vergleichsweisen Kostenübernahme nicht getroffen werden können. Die Gebührenpflicht trifft den Gegner der gebührenbefreiten Partei nur in jenem Verhältnis, in dem der Prozesskostenersatz von den Prozessparteien vergleichsweise geregelt wurde (vgl. dazu die bei Tschugguel/Pötscher, MGA Gerichtsgebühren7 unter E 2 und 3 zu § 20 GGG referierte hg. Judikatur).

Dieser Aufgabe wurde die belangte Behörde im vorliegenden Fall durch die Begründung ihres Bescheides in keiner Weise gerecht, weil sie sich nicht mit den oben wörtlich wiedergegebenen Ermittlungsergebnissen der Kostenbeamtin hätte begnügen dürfen. Vielmehr hätte die belangte Behörde aus dem immerhin noch zur Verfügung stehenden Akt 28 C 93/93a des BG für ZRS Graz, dem darin unter ON 48 erliegenden Urteil vom 16. März 1998, GZ. 28 C 86/96a- 10, womit die Wiederaufnahme des Verfahrens 28 C 93/93a verfügt wurde, und dem nach dem Inhalt des Urteiles vom 16. März 1998 zu rekonstruierenden Akt 28 C 86/96a errechnen müssen, in welchem Verhältnis der Beschwerdeführer durch die in den Vergleichspunkten 2 und 3 enthaltenen Beträge Kosten übernommen hat, die seiner gebührenbefreiten Gegnerin erwachsen sind. Nur in jenem Verhältnis hätte dann der Beschwerdeführer für die in Rede stehenden Rechtsmittel ON 27 und 35 gemäß § 20 GGG zur Zahlung herangezogen werden dürfen.

Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben, wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die durch die zitierten hg. Rechtsprechung klargestellte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002160061.X00

Im RIS seit

30.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

17.01.2017
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten