Index
E3L E09303000;Norm
31969L0335 Kapital Ansammlungs-RL indirekte Steuern Art4 Abs1 litd;Beachte
Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:97/16/0358 B 17. Februar 2000 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0071 17. Oktober 2002Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der D GmbH in S, vertreten durch Dr. Peter Kisler und DDr. Karl Pistotnik, Rechtsanwälte in Wien I, Börsegasse 12, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 18. Juli 1997, GZ RV 0355-09/03/97, betreffend Gesellschaftsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Gesellschaftsteuerbescheid vom 29. Mai 1996 abgewiesen, womit die Begebung von Genussscheinen einschließlich einer von der Muttergesellschaft der die Genussscheine erwerbenden Gesellschafterin der Beschwerdeführerin aufgebrachten Aufzahlung der Gesellschaftsteuer unterzogen worden war.
Zu den Details des Sachverhaltes - insbesondere den im Zeichnungsschein bezogenen Genussrechtsbedingungen - und zur Ausgangsrechtslage wird auf die Begründung des in dieser Sache ergangenen hg Beschlusses vom 17. Februar 2000, Zl 97/16/0358, verwiesen.
In der gegen den angefochtenen Bescheid erhobenen Verwaltungsgerichtshofbeschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin dadurch in ihren Rechten verletzt, dass der von der RLB Immobilienprojektentwicklungs- und Beteiligungsgesellschaft mbH, (kurz: RLBIEB) der Gesellschafterin der RLB Beteiligungs- und Treuhandverwaltungsgesellschaft mbH (kurz: RLBBT), die wiederum Gesellschafterin der Beschwerdeführerin ist, geleistete Zuschuss in Höhe von S 321,385.000,-- in die Bemessungsgrundlage der Gesellschaftsteuer einbezogen wurde. In gemeinschaftsrechtlicher Hinsicht vertritt die Beschwerdeführerin die Auffassung, dass die Einbeziehung von Leistungen, die nicht von einem Gesellschafter erbracht werden, in die Bemessungsgrundlage der Gesellschaftsteuer der Richtlinie vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, widerspricht.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit dem obgenannten Beschluss vom 17. Februar 2000, Zl 97/16/0358-7, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften gemäß Artikel 234 EG folgende Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Stellen Leistungen, die der Erwerber von Genussrechten an einer Kapitalgesellschaft nicht selbst, sondern im Wege seiner Muttergesellschaft erbringt, "Einlagen jeder Art" iS des Artikels 4 Abs 1 Buchstabe d) der Richtlinie des Rates vom 17. Juli 1969, betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital, 69/335/EWG, dar?"
Mit Urteil vom 17. Oktober 2002 erkannt der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften in der Rechtssache C-71/00 über die ihm vom Verwaltungsgerichtshof vorgelegte Frage wie folgt:
"Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 69/335/EWG des Rates vom 17. Juli 1969 betreffend die indirekten Steuern auf die Ansammlung von Kapital in der Fassung der Akte über die Bedingungen des Beitritts der Republik Österreich, der Republik Finnland und des Königreichs Schweden und die Anpassungen der die Europäische Union begründenden Verträge ist dahin auszulegen, dass der Gesellschaftsteuer finanzielle Beiträge unterliegen, die eine Muttergesellschaft an die Kapitalgesellschaft, die ihr Gesellschaftsvermögen durch Ausgabe von Genussscheinen erhöht, leistet, damit diese Genussscheine von einer Tochtergesellschaft der genannten Muttergesellschaft erworben werden können."
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Ausgabe von Genussscheinen durch eine Kapitalgesellschaft wie im Beschwerdefall fällt nach Auffassung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften grundsätzlich in den Anwendungsbereich von Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 69/335. Dabei ist zu beachten, dass der Umstand, dass der Erwerber dieser Genussscheine kein Gesellschafter der begebenden Gesellschaft ist, nicht dazu führen kann, dass dieser Vorgang aus dem Anwendungsbereich der Richtlinie 69/335 herausfällt (vgl das Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 17. Oktober 2002, Rechtssache C 138/00, Solida und Tech).
Andererseits ist für die Feststellung, ob finanzielle Beiträge, die von der Muttergesellschaft des Erwerbers von Genussscheinen erbracht werden, unter Artikel 4 Absatz 1 Buchstabe d der Richtlinie 69/335 fallen, zu prüfen, inwieweit die Zahlung dieser Beiträge diesem Erwerber zuzurechnen ist. Eine derartige Feststellung ist dabei anhand einer wirtschaftlichen und nicht einer formalen, allein auf die Herkunft der Einlagen abstellenden Betrachtungsweise zu treffen (vgl das den Beschwerdefall selbst betreffende Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ebenfalls vom 17. Oktober 2002, Rechtssache C- 71/00, Randnummern 25 und 26).
Im Beschwerdefall wurden von der RLBBT mit Zeichnungsschein vom 7. Dezember 1995 "entsprechend den Genussrechtsbedingungen vom 15.11.1995" Genussscheine der Beschwerdeführerin im Nominale von S 1,615.000 erworben. Die Zahlung erfolgte dieser Beurkundung zufolge am 7. Dezember 1995, womit sich das Vorbringen in der Beschwerdeschrift, der genannte Betrag sei bereits am 15. November 1995 geleistet worden, als unzutreffend erweist.
Mit einem Nachtrag zu einem am 30. Juni 1992 abgeschlossenen Vertrag über die Begründung einer stillen Gesellschaft zwischen der R Bank und der Beschwerdeführerin vom 15. Dezember 1995 erteilten die stillen Gesellschafter die Zustimmung zur Aufnahme von Genussrechtskapital im Umfang von S 323,000.000,-- durch die Beschwerdeführerin.
Von dem zuletzt angeführten Betrag wurde ein Teilbetrag von S 321,385.000,-- als "Aufzahlung" nicht vom Erwerber der Genussrechte, sondern vom Gesellschafter des Erwerbers geleistet. Nach den mit 15. November 1995 datierten Genussrechtsbedingungen (vgl neuerlich die Begründung des hg Beschlusses Zl 97/16/0358) gewähren die Genussscheine ihren Inhabern jedenfalls einen Anspruch auf Rückzahlung des Nennbetrages zuzüglich der geleisteten Aufzahlungen. Die Beteiligung des Inhabers der Genusscheine am laufenden Gewinn, am Unternehmenswert sowie am Liquidationsgewinn bestimmt sich nach dem Nominale der Genussscheine zuzüglich der geleisteten Aufzahlungen. Im Falle der Auflösung des Genussrechtsverhältnisses steht ein Auseinandersetzungsbetrag mindestens in Höhe des Nominales zuzüglich der geleisteten Aufzahlungen zu. In den Genussrechtsbedingungen ist somit ausdrücklich und eingehend die Leistung von Aufzahlungen geregelt.
Bei diesem Sachverhalt ist die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid zu Recht von einem unmittelbaren Zusammenhang der gleich einem "Großmutterzuschuss" geleisteten Aufzahlung und dem Erwerb der Genussrechte ausgegangen. Es besteht daher sowohl ein solcher unmittelbarer zeitlicher als auch ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der den wirtschaftlichen Erfolg der Beteiligung an der Beschwerdeführerin selbst unmittelbar beeinflussenden Aufzahlung und der Leistung des Nominalbetrages der Genussscheine. Auf Grund dieses notwendigen Zusammenhanges ist unter Bedachtnahme auf die nach der dargestellten Auffassung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften gegebene Maßgeblichkeit nicht einer bloß formalen, sondern vielmehr einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise die Zahlung des in Rede stehenden Betrages von S 321,395.000 durch die Muttergesellschaft des Erwerbers der Genussscheine diesem zuzurechnen. Schließlich ist auf das hg Erkenntnis vom 6. November 2002, Zl 2002/16/0241, 0242, zu verweisen, wonach Zuschüsse Dritter, die wie hier den Anteil des Genussscheinerwerbers am Liquidationserlös erhöhen, jedenfalls dann als Gegenleistung für die Einräumung der Genussrechte anzusehen sind, wenn dies schon bei der Einräumung der Genussrechte vereinbart wird.
Soweit die Beschwerdeführerin auf frühere Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes verweist, ist darauf zu verweisen, dass die für den Beschwerdefall maßgebliche Rechtslage durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union (BGBl Nr. 45/1995) und der mit 1. Jänner 1995 in Kraft getretenen Änderung des Kapitalverkehrsteuergesetzes (Bundesgesetz BGBl Nr. 21/1995) wesentlich geändert wurde. Zu Sachverhalten, die nach dem 1. Jänner 1995 verwirklicht wurden, bestand aber hinsichtlich der Frage der Leistung von Gesellschafterzuschüssen bis zum 6. November 2002 keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Die unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften vorgetragene Rüge, die belangte Behörde habe die Genussrechtsbedingungen nicht gewürdigt, ist nicht verständlich, da diese gerade aus diesen Bedingungen den Schluss gezogen hat, dass die Einzahlung des Nominalbetrages und die Aufzahlung eine Einheit darstellten.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war damit nach § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen. Dabei konnte die von der Beschwerdeführerin beantragte Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 Z 6 VwGG unterblieben.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. Dezember 2002
Gerichtsentscheidung
EuGH 62000CJ0071 Develop VORABEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002160239.X00Im RIS seit
28.04.2003Zuletzt aktualisiert am
23.04.2012