TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/19 2002/16/0146

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Veröffentlicht am 19.12.2002
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Index

L34004 Abgabenordnung Oberösterreich;
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

BAO §245 Abs3;
BAO §83;
BAO §85 Abs2;
LAO OÖ 1996 §190 Abs3;
LAO OÖ 1996 §60;
LAO OÖ 1996 §62 Abs2;
ZustG §9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des F in G, vertreten durch Dr. Andreas Karbiener und Mag. Martin Karbiener, Rechtsanwälte in Schwanenstadt, Stadtplatz 7, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 11. April 2002, Zl. Gem- 521298/5-2002-Gt, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Getränkesteuerangelegenheit (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde G), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 30. Jänner 1997 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf bescheidmäßige Festsetzung der Getränkesteuer für die Jahre 1992 bis 1996 mit Schilling Null und Rückzahlung des für die genannten Jahre entrichteten Steuerbetrages.

Der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei erließ am 11. August 1997 einen Bescheid, womit Getränkesteuer in Höhe von S 965.793,-- für die genannten Jahre festgesetzt und eine Nachforderung (samt Säumniszuschlag) in Höhe von S 46.815,-- ausgesprochen wurde.

Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 14. August 1997 zugestellt.

Mit Eingabe vom 9. September 1997 (eingelangt am 11. September 1997) stellte die "S Wirtschaftstreuhand OHG" den Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist betreffend den Beschwerdeführer für den Bescheid vom 11. August 1997 bis zum 31. Dezember 1997, wobei in diesem Antrag jeglicher Hinweis auf eine Bevollmächtigung durch den Beschwerdeführer fehlte.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 1997 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Partei diesen Antrag ab. Dieser Bescheid wurde nicht an die einschreitende steuerliche Vertreterin des Beschwerdeführers sondern an diesen selbst abgefertigt und am 3. Dezember 1997 im Wege einer Ersatzzustellung von einem Mitbewohner übernommen.

Mit Eingabe vom 29. Dezember 1997 (eingelangt am 30. Dezember 1997) stellte die obgenannte Wirtschaftstreuhand OHG einen Antrag auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist bis 31. März 1998, wiederum ohne auf das Vorliegen einer Vollmacht zu verweisen.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Partei vom 7. Jänner 1998 abgewiesen. Auch dieser Bescheid wurde direkt an den Beschwerdeführer abgefertigt und durch Hinterlegung am 8. Jänner 1998 zugestellt.

Mit Eingabe vom 9. Februar 1998, eingelangt am 10. Februar 1998, erhob der Beschwerdeführer selbst Berufung gegen den Bescheid vom 7. Jänner 1998 und stellte dazu einen Antrag auf Aussetzung des Verfahrens bis zur endgültigen Klärung des Sachverhaltes.

Der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei wies diese Berufung und den Antrag auf Aussetzung mit Bescheid vom 20. April 1998 ab, wobei sich aus der Begründung ergibt, dass mit diesem Bescheid nur über die zuletzt begehrte Verlängerung der Berufungsfrist bis 31. März 1998 sowie den Antrag auf Aussetzung des Verfahrens abgesprochen wurde.

Dagegen erhob die oben genannte Wirtschaftstreuhand OHG (wiederum ohne Hinweis auf eine Bevollmächtigung) datiert mit 4. Mai 1998 eine Vorstellung an die belangte Behörde. Die Vorstellung enthält ausschließlich Ausführungen zur materiellrechtlichen Frage der Getränkesteuerfreiheit.

Die belangte Behörde gab der Vorstellung mit Bescheid vom 26. April 2000 Folge, hob den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 20. April 1998 auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Berufungsbehörde der mitbeteiligten Partei zurück. Aus der Begründung dieser Entscheidung ergibt sich, dass die belangte Behörde - mit der Aktenlage nicht vereinbar - davon ausging, mit der durch die Vorstellung vom 4. Mai 1998 angefochtenen Berufungsentscheidung des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 20. April 1998 sei einer gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 11. August 1997 erhobenen Berufung keine Folge gegeben worden. Die vorgenommene Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates vom 20. April 1998 wurde in der Sache begründet, dass die Vorschreibung von Getränkesteuer auf alkoholische Getränke seit 1. Jänner 1995 rechtswidrig erfolgt sei.

Diese Vorstellungsentscheidung blieb unangefochten.

Daraufhin wies der Gemeinderat der mitbeteiligten Partei mit Bescheid vom 19. Juli 2000 die Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 7. Jänner 1998 (Abweisung des zweiten Antrages auf Verlängerung der Rechtsmittelfrist) mit der Begründung als unzulässig zurück, dass gegen verfahrensrechtliche Bescheide ein Rechtsmittel nicht zulässig sei. In der Begründung wies die Berufungsbehörde weiters darauf hin, dass nach der erstmaligen Ablehnung der Verlängerung der Rechtsmittelfrist keine Berufung gegen den Bescheid des Bürgermeisters vom 11. August 1997 eingebracht worden und dieser Bescheid daher in Rechtskraft erwachsen sei.

Dieser Bescheid der Berufungsbehörde wurde wiederum an den Beschwerdeführer selbst abgefertigt und am 21. Juli 2000 durch Hinterlegung zugestellt.

Mit einem vom 11. August 2000 datierten, am 16. August 2000 eingelangten Antrag stellte der Beschwerdeführer (nunmehr anwaltlich vertreten) einen Antrag auf Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Vorstellungsfrist und erhob unter einem Vorstellung gegen den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Partei vom 19. Juli 2000.

Die belangte Behörde bewilligte (mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid) den Wiedereinsetzungsantrag und wies die Vorstellung als unbegründet ab. Dies wird wie folgt begründet: Die Abweisung des ersten Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist sei in Rechtskraft erwachsen. Hinsichtlich des zweiten Antrages auf Verlängerung der Berufungsfrist sei (nach Abweisung durch die Behörde erster Instanz) mit dem Bescheid des Gemeinderates vom 19. Juli 2000 durch Zurückweisung der gegen die Ablehnung des Antrages erhobenen Berufung als unzulässig zu Recht abgesprochen worden, weil gemäß § 189 oö. LAO ein verfahrensrechtlicher Bescheid mit abgesondertem Rechtsmittel nicht bekämpfbar sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht auf Nichtvorschreibung von Getränkesteuer verletzt.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.

Die mitbeteiligte Partei äußerte sich im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 102 Abs. 5 Satz 2 oö. GemO ist die Gemeinde nach Aufhebung einer Entscheidung durch die Aufsichtsbehörde bei der neuerlichen Entscheidung an die Rechtsansicht der Aufsichtsbehörde gebunden.

Danach war die zwar aktenwidrige, jedoch unbekämpft gebliebene Rechtsmeinung der belangten Behörde, die sie in ihrer Vorstellungsentscheidung vom 26. April 2000 geäußert hatte, für die Abgabenbehörde zweiter Instanz bindend. Demnach war aber davon auszugehen, dass mit der Berufung des Beschwerdeführers (Datum 9. Februar 1998, eingelangt am 10. Februar 1998) der Bescheid des Bürgermeisters vom 11. August 1997 (mit dem Getränkesteuer für die Jahre 1992 bis 1996 festgesetzt worden war) bekämpft wurde! Der Gemeinderat als Berufungsbehörde hätte sich daher mit der Berufung des Beschwerdeführers vom 9. Februar 1998 in ihrer Eigenschaft als eines gegen den erstinstanzlichen Getränkesteuerbescheid vom 11. August 1997 erhobenen Rechtsmittels beschäftigen müssen, nicht aber dieses Rechtsmittel als unzulässige Berufung gegen einen bloß verfahrensrechtlichen Bescheid zurückweisen dürfen.

Diese dem Berufungsbescheid der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 19. Juli 2000 wegen Verletzung des § 102 Abs. 5 der oö. GemO anhaftende Rechtswidrigkeit hätte die belangte Behörde bei Entscheidung über die dagegen erhobene Vorstellung beachten und deshalb den damit angefochtenen Berufungsbescheid aufheben müssen. Aus diesem Grund ist der Bescheid der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Für das fortzusetzende Verfahren ist Folgendes zu bemerken:

Nach der die Gemeindeinstanzen bindenden Rechtsansicht der Vorstellungsentscheidung vom 26. April 2000 ist die Berufung vom 9. Februar 1998 (eingelangt am 10. Februar 1998) als gegen den erstinstanzlichen Getränkesteuerbescheid vom 11. August 1997 erhoben anzusehen.

Diesbezüglich wird die Berufungsbehörde daher das Vorliegen der für eine Berufung erforderlichen Prozessvoraussetzungen zu beachten haben, insbesondere die Frage der Rechtzeitigkeit.

Dazu ist auf folgende Vorschriften der OÖ LAO 1996, LGBl Nr. 107, zu verweisen:

"§ 60

(1) Die Parteien und ihre gesetzlichen Vertreter können sich, wenn nicht ihr persönliches Erscheinen ausdrücklich gefordert wird, durch eigenberechtigte Personen vertreten lassen, die sich durch eine schriftliche Vollmacht auszuweisen haben. Schreitet ein Rechtsanwalt, ein Notar oder ein Wirtschaftstreuhänder ein, ersetzt die Berufung auf die ihm erteilte Vollmacht deren urkundlichen Nachweis.

...

(4) Die Abgabenbehörde kann von einer ausdrücklichen Vollmacht absehen, wenn es sich um die Vertretung durch amtsbekannte Familienmitglieder, Haushaltsangehörige oder Angestellte handelt und Zweifel über das Bestehen und den Umfang der Vertretungsbefugnis nicht vorliegen.

(5) Die Bestellung eines Bevollmächtigten schließt nicht aus, dass sich die Abgabenbehörde unmittelbar an den Vollmachtgeber selbst wendet oder dass der Vollmachtgeber im eigenen Namen Erklärungen abgibt.

§ 62

(1) ...

(2) Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht.

...

(4) Wird ein Anbringen nicht vom Abgabepflichtigen selbst vorgebracht, ohne dass sich der Einschreiter durch eine schriftliche Vollmacht ausweisen kann und ohne dass § 60 Abs. 4 Anwendung findet, gilt für die nachträgliche Beibringung der Vollmacht Abs. 2 sinngemäß."

Mit Rücksicht darauf, dass beide Anträge auf Verlängerung der Berufungsfrist von der einschreitenden Wirtschaftstreuhand OHG jeweils ohne einen Zusatz auf das Vorliegen einer Vollmacht gestellt wurden, hätte die Abgabenbehörde diesbezüglich mit einer Mängelbehebung gemäß § 62 Abs. 2 OÖ LAO zur Klärung der Frage vorgehen müssen, ob überhaupt eine wirksame Bevollmächtigung der einschreitenden Wirtschaftstreuhand OHG vorliegt. Jedenfalls durfte sie aber vor Klärung dieser Frage die abweislichen Bescheide über die Anträge auf Verlängerung der Berufungsfrist nicht direkt an den Beschwerdeführer zustellen (vgl. dazu die bei Ritz, BAO-Kommentar2 unter Rz 5 zu § 9 ZustG referierte hg. Judikatur). Im Falle des Vorliegens einer Bevollmächtigung der eingeschrittenen Wirtschaftstreuhand OHG für die Erhebung der Fristverlängerungsanträge hätten die an den Beschwerdeführer direkt vorgenommenen Zustellungen keine wirksame Beendigung der durch die zwei Anträge ausgelösten Hemmungswirkungen herbeigeführt.

Die nach der die Gemeindeinstanzen bindenden Rechtsansicht der Vorstellungsentscheidung vom 26. April 2000 mit Eingabe vom 9. Februar 1998 erhobene Berufung (vorausgesetzt es lag auch dafür eine entsprechende Bevollmächtigung der eingeschrittenen Wirtschaftstreuhand OHG vor) wäre somit als eine rechtzeitig erhobene Berufung gegen den erstinstanzlichen Getränkesteuerbescheid vom 11. August 1997 anzusehen, worüber nunmehr (nach Aufhebung des zuletzt mit Vorstellung bekämpften Berufungsbescheides) in der Sache zu entscheiden wäre.

Die vorstehende Entscheidung konnte wegen der eindeutigen Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 19. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002160146.X00

Im RIS seit

30.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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