Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §17;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstrasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 1. Juni 2001, Zl. I- 0268/01/E5, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Angelegenheit nach dem AuslBG, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer wurde mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 23. Januar 2001 zur Last gelegt, er habe als gemäß § 9 VStG zur Vertretung nach außen berufenes Organ der D M KEG mit Sitz in K - Gasthaus "D" - eine namentlich genannte slowakische Staatsangehörige beschäftigt, obwohl für diese keine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch Arbeitserlaubnis, Anzeigebestätigung oder Befreiungsschein ausgestellt worden sei.
Nach dem im Akt erliegenden Rückschein wurde dieses Straferkenntnis nach einem ersten Zustellversuch am 26. Januar 2001 an der Anschrift des Beschwerdeführers B-Straße 80, L, am 29. Januar 2001 hinterlegt, wobei der erste Tag der Abholfrist der 30. Januar 2001 war. Mangels Behebung des Poststücks wurde dieses an die Behörde erster Instanz retourniert, was diese veranlasste, mit Schreiben vom 19. Februar 2001 den Gendarmerieposten L um Erhebungen über die allfällige Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zur Zeit der versuchten Zustellungen zu ersuchen. Mit Schreiben des Gendarmeriepostens L vom 24. Februar 2001 wurde der Behörde erster Instanz mitgeteilt, dass das Poststück dem Beschwerdeführer am 24. Februar 2001 ausgefolgt worden sei und dieser bezüglich der am 30. Januar 2001 erfolgten postamtlichen Hinterlegung angegeben habe, dass er "wahrscheinlich nie eine Mitteilung über die Hinterlegung desselben erhalten habe; er wisse nichts von einem hinterlegten Brief". Dieser Mitteilung angeschlossen war der vom Beschwerdeführer anlässlich seiner Vorsprache beim Gendarmerieposten L an diesem Tage (24. Februar 2001) eigenhändig unterfertigte Rückschein.
Am 2. März 2001 wurde vor der Behörde erster Instanz die Berufung des Beschwerdeführers zu Protokoll genommen, wobei er zur Frage der Rechtzeitigkeit seines Rechtsmittels ausführte, das bekämpfte Straferkenntnis am 24. Februar 2001 durch den Gendarmerieposten L erhalten zu haben. Im weiteren bestritt er das Vorliegen eines von ihm zu verantwortenden strafbaren Tatbestandes. Aufgrund des mit 3. April 2001 datierten, dem Beschwerdeführer am 4. Mai 2001 unter seiner (nunmehrigen) Wiener Anschrift hinterlegten schriftlichen Vorhaltes der belangten Behörde einer möglichen Verspätung seiner Berufung und damit verbunden einer Anfrage über eine allfällige Ortsabwesenheit von der Abgabestelle im Zeitpunkt des ersten Zustellversuchs, bejahendenfalls Angabe des Zeitpunktes seiner Rückkunft, meldete sich der Beschwerdeführer am 30. Mai 2001 telefonisch bei der belangten Behörde und gab bekannt, dass er es nicht mehr wisse, ob er am 26. Januar 2001 von seiner (damaligen) Abgabestelle abwesend gewesen sei. Eine von der belangten Behörde eingeholte Zentralmeldeauskunft ergab, dass der Beschwerdeführer ab dem 16. März 2001 an der Anschrift in Wien, R-Gasse 11/4, gemeldet ist.
Daraufhin erging der nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Bescheid vom 1. Juni 2001, mit welchem die Berufung des Beschwerdeführers als verspätet zurückgewiesen wurde. Dabei ging die belangte Behörde davon aus, die zweiwöchige Rechtsmittelfrist des § 63 Abs. 5 AVG habe am 30. Januar 2001 zu laufen begonnen und demnach am 13. Februar 2001 geendet. Die erst am 2. März 2001 zu Protokoll gegebene Berufung sei somit verspätet gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinen Rechten nicht ohne Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen bestraft zu werden, auf Aufhebung eines rechtswidrigen Erstbescheides, auf wirksames Parteiengehör, auf meritorische Erledigung einer rechtzeitigen Berufung, auf Entscheidung durch die zuständige Behörde, auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung und auf ordnungsgemäße Verfahrensführung verletzt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Beschwerdeführer beantwortete dies mit einer Replik.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Nach § 63 Abs. 5 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes - AVG, BGBl. Nr. 51/1991, in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998 ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Die Frist beginnt für jede Partei mit der an sie erfolgten Zustellung der schriftlichen Ausfertigung des Bescheides, im Fall bloß mündlicher Verkündung mit dieser. Wird eine Berufung innerhalb dieser Frist bei der Berufungsbehörde eingebracht, so gilt dies als rechtzeitige Einbringung; die Berufungsbehörde hat die bei ihr eingebrachte Berufung unverzüglich an die Behörde erster Instanz weiterzuleiten.
Nach § 17 Abs. 1 des Zustellgesetzes, BGBl. Nr. 200/1982, ist, wenn die Sendung an der Abgabestelle nicht zugestellt werden kann und der Zusteller Grund zur Annahme hat, dass sich der Empfänger oder ein Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 regelmäßig an der Abgabestelle aufhält, das Schriftstück im Falle der Zustellung durch die Post beim zuständigen Postamt, in allen anderen Fällen aber beim zuständigen Gemeindeamt oder bei der Behörde, wenn sie sich in derselben Gemeinde befindet, zu hinterlegen. Nach Abs. 2 leg. cit. ist der Empfänger von der Hinterlegung schriftlich zu verständigen. Die Verständigung ist in den für die Abgabestelle bestimmten Briefkasten (Briefeinwurf, Hausbrieffach) einzulegen, an der Abgabestelle zurückzulassen oder, wenn dies nicht möglich ist, an der Eingangstüre (Wohnungs-, Haus-, Gartentüre) anzubringen. Sie hat den Ort der Hinterlegung zu bezeichnen, den Beginn und die Dauer der Abholfrist anzugeben sowie auf die Wirkung der Hinterlegung hinzuweisen. Nach Abs. 3 leg. cit. ist die hinterlegte Sendung mindestens zwei Wochen zur Abholung bereitzuhalten. Der Lauf dieser Frist beginnt mit dem Tag, an dem die Sendung erstmals zur Abholung bereitgehalten wird. Hinterlegte Sendungen gelten mit dem ersten Tag dieser Frist als zugestellt. Sie gelten nicht als zugestellt, wenn sich ergibt, dass der Empfänger oder dessen Vertreter im Sinne des § 13 Abs. 3 wegen Abwesenheit von der Abgabestelle nicht rechtzeitig vom Zustellvorgang Kenntnis erlangen konnte, doch wird die Zustellung an dem der Rückkehr an die Abgabestelle folgenden Tag innerhalb der Abholfrist wirksam, an dem die hinterlegte Sendung behoben werden könnte. Nach Abs. 4 leg. cit. ist die im Wege der Hinterlegung vorgenommene Zustellung auch dann gültig, wenn die im Abs. 2 oder die im § 21 Abs. 2 genannte Verständigung beschädigt oder entfernt wurde.
Das an den Beschwerdeführer persönlich adressierte Poststück wurde für ihn nach Zustellversuchen am 26. und 29. Januar 2001 unter seiner Postanschrift (ident mit der Anschrift seiner Betriebsstätte) in L, B-Straße 80, am 30. Januar 2001 hinterlegt. Gründe, die diese Zustellung an dieser Abgabestelle unzulässig hätten machen können, sind trotz diesbezüglicher Ermittlungen der Behörden nicht hervorgekommen und wurden auch in der Beschwerde nicht konkret behauptet. Vielmehr hat die belangte Behörde - wie bereits oben geschildert - über eine allfällige Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers Erhebungen gepflogen, jedoch für das Datum der erfolglosen Zustellversuche bzw. der Hinterlegung des Poststücks keine Anhaltspunkte für eine Ortsabwesenheit des Beschwerdeführers zu diesen Zeitpunkten gefunden. Auch der Beschwerdeführer selbst konnte nichts Konkretes über eine allfällige Ortsabwesenheit im Zeitpunkt der vorgenommenen Zustellversuche vorbringen. Die Anmeldung an die nunmehrige Wiener Anschrift erfolgte erst zu einem wesentlich späteren Zeitpunkt, so dass auch aus diesem Umstand nichts für ihn zu gewinnen war.
Daher ist im Beschwerdefall davon auszugehen, dass mit dem Tag des Beginns der Abholfrist (das war der 30. Januar 2001) gemäß § 17 Abs. 3 ZustG die Zustellung als vollzogen zu gelten hatte. Die sich daraus ergebenden Rechtsfolgen hat der Beschwerdeführer somit zu tragen. Legt man den 30. Januar 2001 als den Tag des Beginns des Fristenlaufs nach § 63 Abs. 5 AVG der Beurteilung zugrunde, so endete die Frist zur Erhebung der Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis am 13. Februar 2001. Die erst am 2. März 2001 zu Protokoll gegebene Berufung war somit verspätet. Der angefochtene Bescheid erweist sich somit als nicht rechtswidrig.
Was eine Manuduktion im Sinne des § 13a AVG des Beschwerdeführers durch die Behörde erster Instanz am objektiven Ablauf der Frist hätte ändern können, bleibt der Beschwerdeführer zu beantworten in seiner Beschwerde schuldig. Aktenwidrig und im Rahmen der eigenen Sachverhaltsdarstellung auch widerlegt ist die Behauptung in der Beschwerde, der Beschwerdeführer sei zur möglichen Verspätung seiner Berufung nicht gehört worden, diesbezüglich liege eine Verletzung des Parteiengehörs vor.
Die "Rätsel", die der Beschwerdevertreter in der Beschwerde im Übrigen wortreich darzulegen versucht, wären durch Akteneinsicht zu klären gewesen, wobei nach dem gemäß § 24 VStG auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwendende § 17 Abs. 1 AVG die Behörde, sofern die Verwaltungsvorschriften nicht anderes bestimmen, den Parteien Einsicht in die ihre Sache betreffenden Akten oder Aktenteile zu gestatten hat; die Parteien können sich nach dieser Bestimmung davon an Ort und Stelle Abschriften selbst anfertigen oder nach Maßgabe der vorhandenen technischen Möglichkeiten auf ihre Kosten Kopien anfertigen lassen. Einer Rezeption der Bestimmungen der Strafprozessordnung bedarf es infolge ausdrücklicher Regelung somit nicht. Umfasst die Verfahrenshilfe im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch die Erstattung notwendiger Barauslagen, so können diese vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend gemacht werden.
Dass die vom Beschwerdevertreter mit der Akteneinsicht betraute Kanzleiangestellte offenbar nicht alle nunmehr als wesentlich eingestuften Aktenvorgänge kopiert hat, kann nicht der Behörde angelastet werden. Die Ermöglichung einer Akteneinsicht durch den am Sitz der Behörde seinen Kanzleisitz habenden Verfahrenshelfer genügt dem Grundsatz des Parteiengehörs. § 17 Abs. 1 AVG legt der Behörde nicht die Verpflichtung auf, Verwaltungsakten oder Kopien daraus an die von der Partei gewünschte Behörde - oder wie im Beschwerdefall - an den Kanzleisitz ihres Vertreters zum Zwecke der leichteren Ermöglichung der Akteneinsicht zu übersenden. Die behaupteten Verfahrensmängel liegen daher nicht vor, abgesehen davon, dass die vom Beschwerdevertreter behaupteten Einschränkungen seiner Vertreterrechte nicht den von diesen Vorgängen unberührten, weil zu einem früheren Zeitpunkt erlassenen, angefochtenen Bescheid rechtswidrig machen können.
Aus den oben dargelegten Gründen erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. Dezember 2002
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2001090179.X00Im RIS seit
01.04.2003