TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/20 2002/05/1014

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Veröffentlicht am 20.12.2002
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
L82259 Garagen Wien;

Norm

BauO Wr §79 Abs3;
BauRallg;
GaragenG Wr 1957 §1 Abs2;
GaragenG Wr 1957 §4 Abs4;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde der H M in Wien, vertreten durch Dr. Wolfram Themmer, Dr. Martin Prunbauer und Dr. Josef Toth, Rechtsanwälte in Wien I, Biberstraße 15, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 27. Juni 2002, Zl. BOB-XXII-22/01, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Partei: R H in Wien, vertreten durch Dr. Karl Bernhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schmerlingplatz 3), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die mitbeteiligte Partei hat am 22. Mai 2001 ein mit 17. Mai 2001 datiertes Ansuchen um Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Zubaues und bauliche Änderungen auf der Liegenschaft in Wien XXII, Waldviertlerweg 49, eingebracht. Über dieses Bauvorhaben wurde eine mündliche Verhandlung anberaumt, zu der u.a. auch die Beschwerdeführerin als Eigentümerin der im Norden angrenzenden Liegenschaft geladen wurde. Sie erhob rechtzeitig Einwendungen gegen das Bauvorhaben u.a. dahingehend, dass die Abstände nicht eingehalten würden und es sich bei dem Zubau nicht um ein Nebengebäude sondern um einen Teil des Hauptgebäudes handle.

Nach der Bauverhandlung legte die mitbeteiligte Partei einen geänderten Plan vor, in dem der Abstellraum nur mehr von außen zugänglich ist. Dieser Plan wurde dem Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37/22, vom 10. Juli 2001 zu Grunde gelegt. Mit diesem Bescheid wurde der mitbeteiligten Partei nach Maßgabe der mit dem amtlichen Sichtvermerk versehenen Pläne gemäß § 70 der Bauordnung für Wien unter Bezugnahme auf die mit Bescheid vom 11. Juli 2000 bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen die Baubewilligung erteilt. Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein, in der sie im Wesentlichen ausführte, das gesamte neue Projekt (also die ehemalige Garage) sei ein Zubau. Dieser rage in die Abstandsfläche zur Liegenschaft der Beschwerdeführerin unzulässig hinein. Unzulässig sei es auch, dass nach erfolgter Bauverhandlung ein neuer Einreichplan vorgelegt worden sei.

In der Folge hat die belangte Behörde der Beschwerdeführerin den (geänderten) Einreichplan zur Kenntnis gebracht, der der Baubewilligung vom 10. Juli 2001 zu Grunde lag. Die Beschwerdeführerin äußerte sich dazu, dass auch laut diesem Plan die Abstandsflächen unterschritten würden.

Hierauf hat die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 27. Juni 2002 die Berufung als unbegründet abgewiesen und den angefochtenen Bescheid bestätigt, wobei auf dem Einreichplan vermerkt wurde, dass sich hierauf der Bescheid vom 27. Juni 2002 beziehe.

Die belangte Behörde hat begründend u.a. ausgeführt, gemäß § 79 Abs. 3 BO müsse in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in der Bauklasse I mindestens 6 m betragen. Die Fläche die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liege, werde als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsflächen dürfe mit Gebäuden auf höchstens die Hälfte des Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wobei die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche je Front in der Bauklasse I 45 m2 nicht überschreiten dürfe. Das bestehende Gebäude rage in den 6 m-Abstand zur hinteren Grundgrenze, an den die Liegenschaft der Beschwerdeführerin anschließe, mit ca. 40,8 m2 (13,6 m x 3 m). Jener Teil des Projektes, der im Einreichplan nunmehr als Zubau zum Hauptgebäude ausgewiesen sei, reiche in den 6 m-Abstand mit ca. 4,2 m2 (3,5 m x 1,2 m) hinein. Die Fläche von 45 m2, mit der gemäß § 79 Abs. 3 BO in der Bauklasse I in den Seitenabstand hineingeragt werden dürfe, werde somit genau eingehalten.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Mit Verfügung vom 8. November 2002 hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 41 Abs. 1 letzter Satz VwGG der belangten Behörde, der Beschwerdeführerin und der mitbeteiligten Partei bekannt gegeben, dass im Bauplan, der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt wurde, der Abstand des Gebäudes der Bauwerberin zur hinteren Grundgrenze nicht durchgehend mit 3 m ausgewiesen sei. Vielmehr weise die hintere Gebäudefront nach 5,4 m (Bereich des nordwestlichen Abstellraumes) einen Rücksprung um 15 bis 20 cm auf. Erst ab dem Rücksprung würden laut Plan 3 m in der hinteren Abstandsfläche eingehalten.

Die belangte Behörde und die mitbeteiligte Partei äußerten sich zu diesem Vorhalt dahingehend, dass der Bereich des nordwestlichen Abstellraumes einen konsentierten Altbestand darstelle und nicht Gegenstand der nunmehrigen Einreichung sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 134 Abs. 3 zweiter Satz der Bauordnung für Wien (BO) sind die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpft festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben.

Gemäß § 134a Abs. 1 leg. cit. werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutz dienen, begründet:

a) Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche.

...

Die Beschwerdeführerin hat rechtzeitig zulässige Einwendungen dahingehend erhoben, dass die Abstandsbestimmungen nicht eingehalten werden. Damit ist sie Partei im gegenständlichen Bauverfahren.

Nach den bekannt gegebenen Bebauungsbestimmungen ist im vorliegenden Fall die Gebäudeklasse I und die offene oder gekuppelte Bauweise festgesetzt.

Nach § 79 Abs. 3 BO muss in der offenen Bauweise der Abstand der Gebäude von Nachbargrenzen in den Bauklassen I und II mindestens 6 m betragen. Die Fläche, die zwischen den Nachbargrenzen und den gedachten Abstandslinien liegt, wird als Abstandsfläche bezeichnet. In die Abstandsflächen darf mit Gebäuden auf höchstens die Hälfte des Abstandes an die Nachbargrenzen herangerückt werden, wobei die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche je Front in der Bauklasse I und II 45 m2 nicht überschreiten darf; insgesamt darf diese über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche auf demselben Bauplatz in den Bauklassen I und II 90 m2 nicht überschreiten.

Nach Abs. 4 dieser Bestimmung gelten in der gekuppelten, in der offenen oder gekuppelten und in der Gruppenbauweise die Bestimmungen des Abs. 3 für alle jene Gebäudefronten, die nicht an die Grundgrenze angebaut werden.

Der Begründung ihres Bescheides zufolge ist die belangte Behörde davon ausgegangen, dass das bestehende Gebäude in den 6 m-Abstand zur hinteren Grundgrenze mit ca. 40,8 m2 (13,6 m x 3 m) hineinragt. Diese Annahme ist aktenwidrig, da, wie den einen Bestandteil des Berufungsbescheides bildenden Plänen und demzufolge der hg. Verfügung vom 8. November 2002 zu entnehmen ist, der 3 m-Abstand in jenem Bereich nicht eingehalten wird, der vom sogenannten Abstellraum eingenommen wird. Dieser Abstellraum weist eine Außenlänge von 5,40 m auf, in diesem Bereich wird jedenfalls in den 3 m-Abstand in einem Ausmaß von 15 cm bis 20 cm hineingeragt. Selbst unter der für die mitbeteiligte Bauwerberin günstigsten Annahme, wonach der Altbestand nur 15 cm in den 3 m-Bereich hineinragt, ergibt das ein zusätzliches Flächenausmaß von 81 cm2. Selbst wenn nur die von der belangten Behörde herangezogenen 4,2 m2 (3,5 m x 1,2 m) zu nunmehr 41,61 m2 hinzugerechnet werden, ergibt sich eine Fläche von mehr als 45 m2, sodass der beantragte Zubau jedenfalls zu weit in die Abstandsfläche zur Beschwerdeführerin hineinreicht. Abgesehen davon beträgt die Breite des Zubaues in dem einen Bescheidbestandteil bildenden Plan nicht 3,5 m sondern ist mit 3,64 m ausgewiesen. Demnach ist auch die mit 4,2 m2 angenommene Fläche, die von der belangten Behörde zu den 40,8 m2 hinzugerechnet wurde, jedenfalls geringer als im Plan ausgewiesen (3,64 m x 1,2 m = 4,37 m2).

Da gemäß § 79 Abs. 3 BO die über die gedachte Abstandslinie hinausragende bebaute Fläche je Front in der Bauklasse I 45 m2 nicht überschreiten darf, ist bei der Ermittlung der für den beantragten Zubau noch zulässigen Fläche, mit der in die Abstandsfläche hineingerückt werden darf, auch der Altbestand zu berücksichtigen und zwar auch dann, wenn sich der Altbestand in einem Bereich befindet, der gerade nicht mehr an die Liegenschaft des betroffenen Nachbarn angrenzt. Davon ist auch die belangte Behörde ausgegangen, da sich die von ihr herangezogene Länge von 13,6 m aus jenen 5,4 m zusammensetzt, die die Außenlänge des bereits bewilligten Abstellraumes ausmachen und nicht an das Grundstück der Beschwerdeführerin grenzen, zuzüglich jener 8,2 m, die jedenfalls an das Grundstück der Beschwerdeführerin angrenzen.

Gemäß § 4 Abs. 4 des Wiener Garagengesetzes (WGG) ist die Garage, da sie nicht größer als 50 m2 ist, in der seitlichen (bzw. hinteren) Abstandsfläche zulässig, wobei, da das WGG die lex specialis ist (siehe § 1 Abs. 2 WGG), die gemäß § 4 Abs. 4 WGG zulässigen 50 m2 nicht an die Stelle der gemäß § 79 Abs. 3 BO zulässigen 45 m2 treten, sondern unabhängig davon zu beurteilen sind.

Da die belangte Behörde nicht erkannt hat, dass auf Grund des einen Bescheidbestand bildenden Planes die Fläche von 45 m2, mit der gemäß § 79 Abs. 3 BO in der Bauklasse I in den Seitenabstand hineingeragt werden darf, durch einen Teil des Zubaus, der nicht als Garage dient, jedenfalls überschritten wird, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist der angefochtene Bescheid aber nicht (auch) deshalb rechtswidrig, weil die mitbeteiligte Partei nach der mündlichen Verhandlung einen geänderten Bauplan vorgelegt hat, der sowohl dem erstinstanzlichen Bescheid als auch dem Berufungsbescheid zu Grunde gelegt wurde:

Der im erstinstanzlichen Verfahren unterlaufene Verfahrensmangel wurde im Berufungsverfahren dadurch saniert, dass der Beschwerdeführerin ausdrücklich der geänderte Plan zur Kenntnis gebracht wurde und sie die Möglichkeit hatte, dazu Stellung zu nehmen, was sie auch getan hat. Da auf dem Plan, der einen Bestandteil des Berufungsbescheides bildet, auch die Stampiglie der Berufungsbehörde angebracht ist, ist klargestellt, dass sich der Berufungsbescheid auf diesen Plan bezieht.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Dezember 2002

Schlagworte

Baubewilligung BauRallg6

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002051014.X00

Im RIS seit

27.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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