TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/20 2001/02/0162

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Veröffentlicht am 20.12.2002
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §18 Abs4;
AVG §58 Abs3;
VStG §24;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
VwGG §47 Abs5 impl;
VwGG §47 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde der AM in K, vertreten durch Dr. Walter Rosenkranz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Franz-Josefs-Kai 27/9, gegen den namens des Landeshauptmannes von Wien gefertigten Bescheid vom 8. März 2001, Zl. MA 65 - 10/23/2000, betreffend Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung in Angelegenheiten Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Die Bundeshauptstadt (Land) Wien und der Bund haben der Beschwerdeführerin zu gleichen Teilen Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, legte der Beschwerdeführerin mit der "Aufforderung zur Rechtfertigung" vom 9. November 1999 mehrere Übertretungen der Straßenverkehrsordnung zur Last. Der Beschwerdeführerin wurde unter Setzung einer Frist von zwei Wochen Gelegenheit gegeben, zu den näher umschriebenen Taten Stellung zu nehmen. Das verwendete Formular weist u.a. eine Fax-Nummer auf.

In der Folge erstattete die Beschwerdeführerin durch ihren Rechtsvertreter eine mit 10. Dezember 1999 datierte und am 13. Dezember 1999 bei der Erstbehörde eingelangte Stellungnahme mit dem Antrag, das Strafverfahren gegen sie einzustellen.

Die Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz hatte inzwischen mit dem Straferkenntnis vom 3. Dezember 1999 die Beschwerdeführerin der näher umschriebenen Übertretungen der Straßenverkehrsordnung für schuldig erkannt. Ein Zustellversuch betreffend dieses erstinstanzliche Straferkenntnis am 6. Dezember 1999 scheiterte, worauf nach einem zweiten Versuch am 7. Dezember 1999 das Schriftstück ab 7. Dezember 1999 zur Abholung bereitgehalten wurde.

In der Folge richtete die Beschwerdeführerin an die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, einen am 20. April 2000 dort eingelangten Antrag auf Einstellung einer inzwischen eingeleiteten Exekution, verbunden mit dem Antrag auf Aufhebung einer Rechtskraftbestätigung (Aufhebung einer allfälligen Vollstreckbarkeitsklausel), im Wesentlichen mit dem Vorbringen, ihr ausgewiesener Rechtsvertreter hätte am 19. Dezember 1999 eine Berufung gegen das erwähnte Straferkenntnis bei der Behörde eingebracht. Die Fax-Bestätigung weise mit der Übermittlungszeit 19:55:46 Uhr ein "O.K." auf. Überdies hätte die Stellungnahme vom 10. Dezember 1999 als Berufung gewertet werden müssen. Es sei sohin unrichtig, dass das Straferkenntnis vom 3. Dezember 1999 in Rechtskraft erwachsen sei.

Mit Bescheid vom 29. November 2000 stellte die Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Döbling, gemäß § 3 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 fest, dass das Straferkenntnis vom 3. Dezember 1999 rechtskräftig und vollstreckbar sei. Die Behörde führte u.a. aus, dass die behauptete Einbringung einer schriftlichen Berufung am 19. Dezember 1999 per Telefax aktenmäßig nicht belegbar sei. Nach dem bei der Behörde aufliegenden "Fax-Protokoll" sei zwar am 19. Dezember 1999 um 19:53 Uhr ein Versuch, etwas per Telefax zu senden, unternommen worden, doch sei - infolge Papierstaus im Faxgerät - keine Sendung angekommen, insbesondere sei nicht feststellbar, von wem der Versuch, etwas per Telefax zu senden, unternommen worden sei.

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Berufung.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 8. März 2001 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 66 Abs. 4 AVG keine Folge gegeben und der angefochtene erstinstanzliche Bescheid mit der Maßgabe bestätigt, dass der Spruch dahin zu lauten habe:

"Über Antrag vom 19. April 2000 wird gemäß § 3 Abs. 2 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes 1991 (VVG) festgestellt, dass das ha. Straferkenntnis vom 3. Dezember 1999, Aktenzahl ....., rechtskräftig und vollstreckbar ist. Unter einem wird der mit mangelnder Vollstreckbarkeit begründete Antrag auf Aufhebung der Exekution abgewiesen."

Der Kopf des angefochtenen Bescheides enthält folgenden Hinweis:

"Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 65, Rechtliche Verkehrsangelegenheiten, ....., im selbstständigen Wirkungsbereiche des Landes". Aus dem Spruch selbst kann nicht entnommen werden, von welcher Behörde dieser Bescheid erlassen wurde. Die Fertigungsklausel lautet: "Für den Landeshauptmann:

Dr. X., (Amtstitel)".

Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 20. Juni 2001, B 713/01, die Behandlung derselben ablehnte und diese dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abtrat.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 18 Abs. 4 erster Satz AVG hat jede schriftliche Erledigung die Bezeichnung der Behörde, das Datum und den Namen des Genehmigenden zu enthalten.

     § 58 Abs. 3 AVG ordnet an, dass im Übrigen auch für Bescheide

§ 18 Abs. 4 leg. cit. gilt.

     Nach § 10 Abs. 3 zweiter Satz VVG geht die Berufung an den

Landeshauptmann, sofern es sich aber um eine Angelegenheit des selbstständigen Wirkungsbereiches des Landes handelt, an die Landesregierung.

Da der gegenständlichen Rechtskraft- und Vollstreckbarkeitsbestätigung Übertretungen der StVO zu Grunde liegen und die Vollziehung in derartigen Angelegenheiten in den selbstständigen Wirkungsbereich des Landes fällt (vgl. Art. 11 Abs. 1 Z. 4 B-VG), wäre im Beschwerdefall der Berufungsbescheid von der Wiener Landesregierung (vgl. § 10 Abs. 3 VVG) zu erlassen gewesen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 13. Februar 1967, Zl. 1473/66, u.a. ausgeführt, die Bezeichnung "Amt der Wiener Landesregierung, mittelbare Bundesverwaltung" deutet darauf hin, dass das Amt im Bereich der Bundesvollziehung tätig wurde. Nach der Unterschrift "Für die Landesregierung" aber wäre der Bescheid der Landesvollziehung zuzurechnen. "Diese in sich widersprechende Bezeichnung bildet einen Verstoß gegen die Bestimmung des § 58 Abs. 3 AVG i.V.m. § 18 Abs. 4 AVG, die gemäß § 24 VStG 1950 auch im Verwaltungsstrafverfahren anzuwenden sind. Dieser Verstoß muss als wesentlich erkannt werden, weil hienach nicht feststeht, ob das Amt der Wiener Landesregierung in der Bundes- oder Landesvollziehung tätig wurde, was aber bei der von Amts wegen zu prüfenden Frage der Zuständigkeit entscheidend ist" - so der Gerichtshof in diesem Erkenntnis weiter.

Diese Rechtsansicht ist auch auf den Beschwerdefall übertragbar, zumal zwar der im Briefkopf enthaltene Hinweis auf den "selbstständigen Wirkungsbereich des Landes" darauf hindeutet, dass das Amt der Wiener Landesregierung im Bereich der Landesvollziehung tätig wurde, was auch in Einklang mit der Zuständigkeit der Landesregierung für die im Beschwerdefall zu behandelnde Angelegenheit stünde. Nach der Unterschrift "Für den Landeshauptmann" wäre jedoch der Bescheid dem Landeshauptmann als Organ der (mittelbaren) Bundesverwaltung zuzurechnen. Der aufgezeigte Verfahrensmangel erweist sich daher als wesentlich, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben war.

Für das fortzusetzende Verwaltungsverfahren wird auf das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 1996, Zl. 96/14/0042, zur grundsätzlich vergleichbaren Rechtslage nach der BAO hingewiesen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil Ersatz von Umsatzsteuer neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand nicht gebührt. Da - wie aufgezeigt - unklar ist, in wessen Namen der angefochtene Bescheid erlassen wurde, geht der Gerichtshof davon aus, dass eine anteilsmäßige Kostentragung durch die in Betracht kommenden Rechtsträger (Bund-Land) im Sinne des § 47 Abs. 5 VwGG zu erfolgen hat.

Wien, am 20. Dezember 2002

Schlagworte

Behördenbezeichnung Diverses Rechtsträger der belangten Behörde Verschiedene Rechtsträger Unterschrift des Genehmigenden Verfahrensbestimmungen Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2001020162.X00

Im RIS seit

03.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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