Index
L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Bgld StandortabgabeG 1995 sowie zweier darauf gestützter Verordnungen der Gemeinde Potzneusiedl als verfassungswidrig mit E v 30.11.99, G104,105/99, V58-60/99.Spruch
Die beschwerdeführende Gesellschaft ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes sowie wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Burgenland ist schuldig, der beschwerdeführenden Gesellschaft zu Handen ihres Rechtsvertreters die mit S 29.500,-
bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei sonstigem Zwang zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 3. Mai 1999 wurde der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl betreffend die Festsetzung einer Standortabgabe für das Jahr 1996 im Ausmaß von S 228.810,- gemäß den §§3, 4 und 5 des Gesetzes vom 17. Mai 1995 über eine Abgabe für die Verwendung von Grundflächen für das Betreiben einer Deponie (Bgld. Standortabgabegesetz 1995), LGBl. 52/1995, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. August 1995 bis 11. September 1995, sowie liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. bis 17. Jänner 1996, keine Folge gegeben.
2. Die beschwerdeführende Gesellschaft erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger bzw. gesetzwidriger genereller Normen, nämlich des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 und der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe sowie der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, mit der die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, verletzt und beantragt die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides.
3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.
II. Mit Erkenntnis vom 30. November 1999, G104,105/99, V58-60/99, hat der Verfassungsgerichtshof das in Prüfung gezogene Bgld. Standortabgabegesetz 1995 als verfassungswidrig und die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe sowie liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, als gesetzwidrig aufgehoben.
III. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG
wirkt die Aufhebung eines Gesetzes und gemäß Art139 Abs6 B-VG wirkt die Aufhebung einer Verordnung jeweils auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungs- bzw. gesetzwidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestands nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art139 Abs6 B-VG und in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzes- bzw. das Verordnungsprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Fälle gleichzuhalten, die zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (vgl. VfSlg. 10616/1985, 10736/1985, 10954/1986, 11711/1988).
2. Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzes- und Verordnungsprüfungsverfahren zu G104,105/99, V58-60/99 fand am 30. November 1999 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 8. Juni 1999 eingelangt und war daher zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G104,105/99, V58-60/99 schon anhängig.
Nach dem Gesagten ist der Fall daher einem Anlaßfall gleichzuhalten.
3. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungs- und gesetzwidrig befundenen Vorschriften an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß die Anwendung des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 und der darauf beruhenden Verordnungen des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl für die Rechtsstellung der beschwerdeführenden Partei nachteilig war.
Es ist daher auszusprechen, daß die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes und wegen Anwendung gesetzwidriger Verordnungen in ihren Rechten verletzt wurde, sowie daß der Bescheid aufgehoben wird (vgl. etwa VfSlg. 10736/1985).
IV. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist eine Gebühr gemäß §17a VerfGG 1953 in der Höhe von S 2.500,- sowie Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.500,- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B999.1999Dokumentnummer
JFT_10008870_99B00999_00