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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §2 Z15;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 12. Juni 2002, Zl. VwSen-107548/3/Kei/Ka, betreffend Übertretung der StVO (mitbeteiligte Partei: GG in H, vertreten durch Grassner Lenz Thewanger & Partner, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Elisabethstraße 1), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 11. Dezember 2000 wurde dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten zur Last gelegt, er habe als Lenker eines dem Kennzeichen nach bestimmten Fahrzeuges im Ortsgebiet die dort erlaubte Geschwindigkeit von 50 km/h um 17 km/h überschritten. Er habe dadurch § 20 Abs. 2 und § 99 Abs. 3 lit. a StVO verletzt, weshalb über ihn nach der zuletzt genannten Bestimmung eine Geldstrafe in der Höhe von S 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde.
In seinem dagegen erhobenen Einspruch brachte der Mitbeteiligte vor, es könne ihm nicht vorgeworfen werden, am Tatort die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben. Auf den Anbringungsvorrichtungen der Verkehrszeichen "Ortstafel" und "Ortsende", aufgestellt auf der Bundesstraße zur Kenntlichmachung des Ortsgebietes von Hinzenbach, seien in der StVO nicht vorgesehene Hinweisschilder, nämlich die Schilder "Familienfreundliche Gemeinde", angebracht, weshalb keine ordnungsgemäße Kundmachung vorliege; die Anbringung sei nicht in der in § 48 Abs. 4 StVO angeordneten Weise erfolgt (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0153). Dies habe die Ungültigkeit der durch die Straßenverkehrszeichen zum Ausdruck gebrachten Verkehrsbeschränkung zur Folge, weshalb am Tatort kein "Ortsgebiet" (und daher auch keine Geschwindigkeitsbeschränkung) gewesen sei.
Mit dem erstinstanzlichen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding vom 1. März 2001 wurde dem Mitbeteiligten (wiederum) zur Last gelegt, am 2. September 2000 um
13.14 Uhr mit einem dem amtlichen Kennzeichen nach bestimmten PKW im Gemeindegebiet von Hinzenbach auf der Bundesstraße bei Straßenkilometer 26,280 in Fahrtrichtung Eferding um 17 km/h schneller als 50 km/h gefahren zu sein; die Geschwindigkeitsübertretung sei mittels Messgerätes festgestellt worden. Der Mitbeteiligte habe dadurch § 20 Abs. 2 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. a der StVO verletzt, weshalb über ihn eine Geldstrafe in der Höhe von S 600,-- (Ersatzfreiheitsstrafe) verhängt wurde. Unbestritten sei die am Tatort gefahrene Geschwindigkeit. Die Behörde habe im Rahmen des von ihr durchgeführten Ermittlungsverfahrens in die von der Bezirkshauptmannschaft Eferding erlassene Verordnung Einsicht genommen und daraus festgestellt, dass der Beginn bzw. das Ende des Ortsgebietes von Hinzenbach ordnungsgemäß verordnet und mit Datum 28. April 1997 auch ordnungsgemäß kundgemacht worden seien. Auf den Ortstafeln seien die Schilder "Familienfreundliche Gemeinde" angebracht. In den Vorschriften über die Anbringung bzw. Aufstellung von Verkehrszeichen seien keine Hinweise vorhanden, die durch die Anbringung der Hinweisschilder "Familienfreundliche Gemeinde" auf eine nicht ordnungsgemäße Kundmachung schließen ließen; insbesondere enthielten die vom Mitbeteiligten zitierten §§ 48 Abs. 4 und 53 StVO solche Hinweise nicht. Aus dem Gesetzestext des § 53 Abs. 1 Z. 17a und 17b StVO ergebe sich sogar, dass die Anbringung von Hinweistafeln gestattet sei. Es liege somit kein Kundmachungsmangel vor. Die vom Mitbeteiligten erwähnte Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes beziehe sich nicht auf die Kundmachung eines Ortsgebietes sondern einer Kurzparkzonenverordnung. Da somit kein Kundmachungsmangel vorliege und auch alle anderen Tatbestandsmerkmale zuträfen, sei daher spruchgemäß zu entscheiden gewesen.
In seiner dagegen erhobenen Berufung bestritt der Mitbeteiligte das ihm zur Last gelegte Delikt nur insoweit, als er wiederum auf die seiner Ansicht nach nicht erfolgte ordnungsgemäße Kundmachung hinwies. Für die Kundmachung sei nicht entscheidend, ob und in welchem Ausmaß die Erkennbarkeit des Anordnungsinhaltes des Straßenverkehrszeichens durch das der StVO fremde Hinweisschild beeinträchtigt werde. Mit der 9. StVO-Novelle sei § 48 Abs. 4 StVO nur insofern geändert worden, als Kundmachungen nach § 25 Abs. 4 (richtig wohl: Abs. 2) StVO nicht zusätzlich als Straßenverkehrszeichen gälten. Wie der Verwaltungsgerichtshof etwa in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0153, ausgesprochen habe, sei damit aber keine Änderung der Rechtslage in Bezug auf Hinweisschilder anderer Art - also solchen, die in der StVO nicht vorgesehen seien - eingetreten. Die Rechtsprechung betreffend die Unzulässigkeit der Kombination von Straßenverkehrszeichen und Hinweisschildern anderer Art sei weiter aufrecht (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 21. April 1997, Zl. 96/17/0337).
Des weiteren sei § 48 Abs. 4 StVO durch § 53 Abs. 1 Z. 17a zweiter (richtig wohl: letzter) Satz StVO und § 53 Abs. 1 Z. 17b zweiter Halbsatz leg. cit. eingeschränkt. Danach könne bei Orten, die berechtigt seien, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen, eine grüne Tafel mit der weißen Aufschrift "Erholungsdorf" unterhalb der Ortstafel bzw. unterhalb dem Zeichen "Ortsende" ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden. Diese Beschreibungen der beiden erlaubten Zusatzschilder lege den Schluss nahe, dass zusätzlich zu den beiden Hinweiszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" einzig und allein die in § 53 Abs. 1 Z. 17a zweiter (richtig: letzter) Satz StVO und in § 53 Abs. 1 Z. 17b zweiter Halbsatz genannten Schilder zusätzlich angebracht werden dürften. Jedes andere Schild belaste daher die Verordnung mit einem Kundmachungsmangel.
Es könne dem Mitbeteiligten daher nicht vorgeworfen werden, am Tatort die im Ortsgebiet zulässige Höchstgeschwindigkeit überschritten zu haben, weil auf der Bundesstraße über jedem der Straßenverkehrszeichen "Ortstafel" und "Ortsende" ein in der StVO nicht vorgesehenes Hinweisschild, nämlich ein buntes, rechteckiges Schild mit der weißen Aufschrift "Familienfreundliche Gemeinde", auf den gleichen Anbringungsvorrichtungen zusätzlich angebracht sei.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften Bescheid vom 12. Juni 2002 gab die belangte Behörde der Berufung des Mitbeteiligten unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0153, statt, hob das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Eferding auf und stellte das Verfahren ein. Die Kombination des Hinweisschildes "familienfreundliche Gemeinde" mit dem Hinweis "Ortstafel" auf der Anbringungsvorrichtung bewirke einen Kundmachungsmangel, weshalb die Verordnung im gegenständlichen Zusammenhang keine Geltung gehabt habe. Dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Mitbeteiligten sei daher die Tat zu Unrecht vorgeworfen worden.
In seiner auf Art. 131 Abs. 1 Z. 2 B-VG gestützten Amtsbeschwerde bekämpft der beschwerdeführende Bundesminister den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Nach § 31 Abs. 1 StVO dürfen Einrichtungen zur Regelung und Sicherung des Verkehrs (insbesondere auch Verkehrszeichen) nicht beschädigt oder unbefugt angebracht, entfernt, verdeckt oder in ihrer Lage oder Bedeutung verändert werden. Nach Abs. 2 dieser Bestimmung ist es verboten, an den in Abs. 1 bezeichneten Einrichtungen Beschriftungen, bildliche Darstellungen, Anschläge, geschäftliche Anpreisungen oder dgl. anzubringen. Dies gilt jedoch nicht für das Anbringen von Tabellen für Preise von Taxi- und Ausflugsfahrten unter den in § 96 Abs. 4 genannten Straßenverkehrszeichen sowie für die Nutzung der Rückseite der in Abs. 1 bezeichneten Einrichtungen gemäß § 82 Abs. 3 lit. f.
§ 48 StVO regelt die Anbringung der Straßenverkehrszeichen. Seine Abs. 1 und 4 lauten wie folgt (auszugsweise):
"(1) Die Straßenverkehrszeichen (§§ 50, 52 und 53) sind als Schilder aus festem Material unter Bedachtnahme auf die Art der Straße und unter Berücksichtigung der auf ihr üblichen Verkehrsverhältnisse, namentlich der darauf üblichen Geschwindigkeit von Fahrzeugen, in einer solchen Art und Größe anzubringen, dass sie von den Lenkern herannahender Fahrzeuge leicht und rechtzeitig erkannt werden können. ...
(4) Auf einer Anbringungsvorrichtung für Straßenverkehrszeichen (wie Standsäulen, Rahmen, Träger u. dgl.) dürfen nicht mehr als zwei Straßenverkehrszeichen angebracht werden; dies gilt nicht für eine Kundmachung nach § 25 Abs. 2 oder § 44 Abs. 4 sowie für die Anbringung der Hinweiszeichen 'Wegweiser' oder die Anbringung von Straßenverkehrszeichen, deren Inhalt miteinander im Zusammenhang steht."
Unter den Hinweiszeichen, die nach § 53 StVO auf verkehrswichtige Umstände hinweisen, wird als Ziffer 17a "Ortstafel" angeführt, welches Zeichen den Namen eines Ortes angibt und jeweils am Beginn des verbauten Gebietes anzubringen ist (erster Satz). Bei Orten, die berechtigt sind, die Bezeichnung Erholungsdorf zu führen, kann eine grüne Tafel mit der weißen Aufschrift "Erholungsdorf" unterhalb der Ortstafel angebracht werden (§ 53 Z. 17a letzter Satz StVO). § 53 Z. 17b leg. cit. erwähnt das Zeichen "Ortsende". Dieses Zeichen ist auf der Rückseite des Zeichens "Ortstafel" anzubringen; dem Zeichen kann ein Hinweis auf die Entfernung bis zum nächsten Ort mit Verkehrsbedeutung beigefügt werden.
Gemäß § 2 Z. 15 StVO ist Ortsgebiet das Straßennetz innerhalb der Hinweiszeichen "Ortstafel" (§ 53 Z. 17a StVO) und "Ortsende" (§ 53 Z. 17b StVO).
Sofern die Behörde nicht gemäß § 43 StVO eine geringere Höchstgeschwindigkeit erlässt oder eine höhere Geschwindigkeit erlaubt, darf gemäß § 20 Abs. 2 StVO der Lenker eines Fahrzeuges im Ortsgebiet nicht schneller als 50 km/h fahren.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 95/17/0153, unter Hinweis auf sein Erkenntnis vom 28. Oktober 1981, Zl. 81/17/0047, Slg. 5628/F, mit näherer Begründung ausgeführt, dass jede Kombination von Straßenverkehrszeichen mit Hinweisschildern, die nicht in der StVO vorgesehen sind, auf einer Anbringungsvorrichtung im Grunde des § 48 Abs. 4 StVO - sowohl in der Fassung vor der am 23. Juni 1982 in Kraft getretenen 9. StVO-Novelle als auch in der Fassung der 9. StVO-Novelle - unzulässig ist und die betreffende Verordnung nach der Straßenverkehrsordnung mit einem Kundmachungsmangel belastet (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 21. April 1997, Zlen. 96/17/0337, 0338). Ähnlich wie bei dem dem erst- und dem letztzitierten Erkenntnis vom 21. April 1997 zugrunde liegenden Hinweisschild "No camping" handelt es sich auch bei dem vorliegenden Hinweisschild "Familienfreundliche Gemeinde" um ein in der Straßenverkehrsordnung - anders als etwa die in § 53 Abs. 1 Z. 17a letzter Satz StVO vorgesehene Tafel - nicht zur Kundmachung auf Straßen vorgesehenes Hinweisschild. Nach dem soeben Gesagten folgt daraus, dass die hier zugrunde liegende Verordnung betreffend das Ortsgebiet nicht ordnungsgemäß kundgemacht wurde. Die Ausführungen des Beschwerdeführers - der insbesondere übersieht, dass die grundlegenden Überlegungen im hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1981, Slg. 5628/F, auch durch die 9. StVO-Novelle keine maßgebliche Entkräftung erfahren haben - geben keinen Anlass, von dieser Rechtsprechung abzugehen.
Soweit der Beschwerdeführer auf § 31 StVO verweist, verkennt er - worauf schon die Gegenschrift des Mitbeteiligten zutreffend hinweist - dass es sich bei dieser Bestimmung um keine die Kundmachung von Verordnungen regelnde Norm handelt.
Auch teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht die Ansicht des Beschwerdeführers, wonach ein Begründungsmangel des angefochtenen Bescheides gegeben sei. Ausgehend von der Wiedergabe des weiter nicht strittigen Sachverhaltes hat die belangte Behörde die ihrer Ansicht nach anzuwendenden Bestimmungen zitiert und ihre Rechtansicht durch den Hinweis auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die sie erkennbar auf den Beschwerdefall angewendet wissen wollte, dargelegt.
Die vorliegende Beschwerde war infolge dessen gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Dezember 2002
Schlagworte
Überschreiten der GeschwindigkeitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2002:2002020202.X00Im RIS seit
01.04.2003