TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/20 2002/05/1000

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Veröffentlicht am 20.12.2002
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Index

41/02 Melderecht;

Norm

MeldeG 1991 §1 Abs7;
MeldeG 1991 §17 Abs1;
MeldeG 1991 §17 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Bundeshauptstadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. März 2002, Zl. 626095/5-IV/EDVZ/02-blr, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Stadtgemeinde Pinkafeld, 2. Claudia Binnyei in Wien VI, Linke Wienzeile 42/2/7), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Vorauszuschicken ist, dass der Verwaltungsgerichtshof den Beschwerdeführer gemäß § 33 Abs. 1 VwGG aufgefordert hat, sich zur Frage der (materiellen) Klaglosstellung zu äußern, weil die Statistik Österreich im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 17. September 2002 die Ergebnisse der Volkszählung gemäß § 7 Abs. 2 und 3 VolkszählungsG ("endgültige Zahl") kundgemacht hat. Diese Kundmachung ist ebenso verbindlich für die Feststellung der Zahl der Abgeordneten in den Wahlkreisen für die Wahl des Nationalrates (Art. 26 B-VG) bzw. der Zahl der von den Ländern in den Bundesrat zu entsendenden Mitglieder (Art. 34 B-VG), wie auch für die Ermittlung der Volkszahl (§ 10 Abs. 9 FAG; siehe ebenso Art. 3 Abs. 3 Österreichischer Stabilitätspakt 2001, BGBl. I Nr. 39/2002). Das der Beschwerde zugrundeliegende Reklamationsverfahren wurde in Anwendung und innerhalb der Frist des § 6a Abs. 1a VolkszählungsG eingeleitet. Sein auf Grund des angefochtenen Bescheides formell rechtskräftiges Ergebnis war von der Statistik Österreich zu berücksichtigen. Der Verwaltungsgerichtshof nahm im Vorhalt vorläufig an, dass daher seine Entscheidung über die Beschwerde das kundgemachte Ergebnis der Volkszählung und die daran anknüpfenden Folgen nicht zu beeinflussen vermag.

Der Beschwerdeführer widersprach dieser Annahme unter Hinweis auf ein Schreiben der Statistik Österreich vom 7. Oktober 2002. Danach würden Änderungen, die sich nach der Kundmachung des endgültigen Volkszählungsergebnisses ergeben würden, zu einem späteren Zeitpunkt als Korrektur zum Volkszählungsergebnis kundgemacht werden. Tatsächlich wurde in der Zwischenzeit im Amtsblatt zur Wiener Zeitung vom 10. Oktober 2002 je eine "Korrektur der Ergebnisse der Volkszählung" gemäß § 7 Abs. 2 und § 7 Abs. 3 VolkszählungsG kundgemacht.

Der Verwaltungsgerichtshof kann zwar eine Rechtsgrundlage für eine derartige Vorgehensweise der Statistik Österreich nicht erkennen; der Begriff "endgültig" in § 7 Abs. 3 VolkszählungsG scheint eine neuerliche Kundmachung wohl auszuschließen. Kann aber ein Erfolg der Beschwerde zu einer Korrektur des Volkszählungsergebnisses führen, muss ein aufrechtes Rechtsschutzinteresse auf Seiten des Beschwerdeführers bejaht werden. Eine Einstellung wegen (materieller) Klaglosstellung kommt aus diesem Grunde nicht in Betracht.

Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid ist die am 2. Oktober 1973 geborene, ledige Zweitmitbeteiligte in Wien mit weiterem Wohnsitz gemeldet, als Hauptwohnsitz hat sie 7423 Pinkafeld bezeichnet. In ihrer Wohnsitzerklärung gab sie an, dass sie berufstätig sei und während des Jahres in Wien 300 Tage und in Pinkafeld 65 Tage verbringe, wobei sie den Weg zur Arbeitsstätte in Wien VI von der Wiener Wohnung aus antrete. Als Mitbewohner in Pinkafeld sind die Eltern und zwei Geschwister angegeben, in Wien sind als Mitbewohner der hier mit Nebenwohnsitz gemeldete Vater und die mit Hauptwohnsitz gemeldete Schwester angegeben. In ihrer Stellungnahme vom 30. Oktober 2001 gab sie die "Erklärung" ab, dass sie den Hauptwohnsitz in Pinkafeld aufrecht erhalten werde und die Wohnung in Wien VI als Zweitwohnsitz diene.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters ab.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Zweitmitbeteiligte hat im Verfahren nicht einmal behauptet, Wochenpendlerin zu sein, was angesichts des angegebenen Aufenthaltes in Pinkafeld auch auszuschließen ist, weil sie danach nicht einmal annähernd jedes Wochenende in Pinkafeld und auf Grund der angegebenen Aufenthaltsdauer in Wien auch einen großen Teil ihrer Freizeit dort verbringt. Die Frage, ob eine Gesamtbetrachtung (ausnahmsweise) auf das Vorliegen zweier Mittelpunkte der Lebensinteressen schließen lässt, hat die Behörde zu lösen, die betroffene Person hätte im Rahmen der Mitwirkungspflicht jene Umstände darzulegen, die eine entsprechende Beurteilung durch die Behörde zulassen. Die ledige Zweitmitbeteiligte lebt zum weitaus überwiegenden Teil in Wien, von wo sie auch ihre Arbeitsstätte aufsucht. Die erforderliche Gesamtbetrachtung verleiht der beruflichen Lebensbeziehung ein deutliches Übergewicht.

Ausgehend davon hat im vorliegenden Fall die Zweitmitbeteiligte ohne Rechtsgrundlage eine Wahl nach § 1 Abs. 7 letzter Satz MeldeG getroffen, sodass die Reklamation durch den Beschwerdeführer zu Recht erfolgte.

Da die belangte Behörde die Rechtslage verkannt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Dieser Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Wien, am 20. Dezember 2002

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002051000.X00

Im RIS seit

14.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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