TE Vwgh Erkenntnis 2002/12/20 2002/05/0593

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 20.12.2002
beobachten
merken

Index

L80003 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauRallg;
ROG NÖ 1976 §22;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des P P in P, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ardaggerstraße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Jänner 2002, Zl. RU1-V-94181/03, betreffend eine Bausache (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde R, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Marktgemeinde vom 27. Oktober 1993 war dem Beschwerdeführer aufgetragen worden, ein auf Parzelle Nr. 77, KG Braunegg, im Grünland gelegenes Bauwerk, nämlich einen in Riegelbauweise ausgeführten Schuppen mit Terrasse und Grillofen, abzutragen. Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers hat der Gemeinderat der mitbeteiligten Marktgemeinde mit Bescheid vom 5. Februar 1994 abgewiesen, der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers hat die belangte Behörde mit Bescheid vom 17. Mai 1995 keine Folge gegeben.

Mit Schreiben vom 25. Juli 1995 ersuchte die mitbeteiligte Marktgemeinde die Bezirkshauptmannschaft Melk um Vollstreckung des Abbruchauftrages.

In der Folge setzte die Bezirkshauptmannschaft Melk dem Beschwerdeführer am 29. August 1995 eine Frist von zehn Wochen zur Erfüllung der bescheidmäßig auferlegten Verpflichtung und drohte für den Fall der Nichterfüllung eine Ersatzvornahme gemäß § 4 VVG an.

Nachdem der Beschwerdeführer einen Antrag gemäß § 113 Abs. 2b NÖ BauO 1976 gestellt hatte, der Gegenstand des hg. Erkenntnisses vom 15. Juni 1999, Zl. 99/05/0094, war, stellte er am 20. Dezember 2000 einen Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über den Bestand einer Baubewilligung bzw. Vermutung eines baubehördlichen Konsenses des auf dem Grundstück Nr. 77, KG Braunegg, befindlichen Holzgebäudes sowie einen Antrag auf Bauplatzerklärung dieses Grundstückes.

Mit Bescheid vom 6. Februar 2001 wies der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde den Antrag auf Erlassung eines Feststellungsbescheides über den Bestand einer Baubewilligung bzw. Vermutung eines baubehördlichen Konsenses unter Spruchpunkt 1. als unbegründet ab. Begründend führte er aus, es gebe keinen Bescheid über die Bewilligung zur Errichtung eines Lagerschuppens, es gebe hingegen ein negatives landwirtschaftliches Gutachten hinsichtlich der Errichtung eines Lagerschuppens vom Niederösterreichischen Gemeindebauamt; in der Folge wurde auf das rechtskräftig abgeschlossene Verfahren betreffend den Abbruchauftrag verwiesen. Unter Spruchpunkt 2. wurde der Antrag auf Bauplatzerklärung als unzulässig zurückgewiesen, da eine Bauplatzerklärung gemäß § 11 NÖ Bauordnung 1996 nur bei im Bauland befindlichen Grundstücken möglich sei. Im gegenständlichen Fall liege jedoch keine Baulandwidmung vor.

In der dagegen erhobenen Berufung führte der Beschwerdeführer aus, dass hinsichtlich des auf dem Grundstück Nr. 77, KG Braunegg, vorhandenen Bestandes an Baulichkeiten die Vermutung eines Baukonsenses vorliege; auch wenn das bestehende Holzgebäude nicht im Flächenwidmungsplan als "erhaltenswertes Gebäude" ausgewiesen sei, sei es doch vor Wirksamwerden des Raumordnungsprogramms vorhanden gewesen. Das Holzgebäude sei in den Forschungsgrundlagen als ein bestehendes und zu belassendes Gebäude behandelt worden und sei deshalb für längere Zeit unbeanstandet geblieben. In diese Richtung gehe auch die Niederschrift vom 30. Juni 1982 über die Bauverhandlung zur Errichtung eines Weges auf dem gegenständlichen Grundstück, in der ausdrücklich und rechtlich verbindlich festgestellt worden sei, dass die Raumordnungsabteilung der Niederösterreichischen Landesregierung festgehalten habe, dass ‚die zurzeit angeordneten Baulichkeiten nicht abgebrochen werden müssen'. Die baubehördliche Genehmigung eines Zufahrtsweges sei ein gewichtiger Anhaltspunkt in Richtung einer Vermutung der Konsensmäßigkeit. Er ersuche daher um Durchführung eines Ermittlungsverfahrens, erforderlich sei eine Feststellung des Alters des Gebäudes und des Zeitpunktes der ersten Flächenwidmung.

Im Übrigen sei nach § 2 Z. 7 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1996, ein Bauplatz ein an eine bestehende oder vorgesehene öffentliche ‚Verkäuferfläche' (gemeint wohl: "Verkehrsfläche") angrenzendes Grundstück gewesen, welches eine solche Gestalt, Beschaffenheit und Größe hatte, dass darauf Gebäude errichtet werden konnten. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieses Grundstück bereits vor Wirksamkeit des ersten Flächenwidmungsplanes für die Gemeinde Raxendorf Bauplatzeigenschaft hatte und mit einem Gebäude bebaut wurde.

Der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Marktgemeinde hat die Berufung mit Bescheid vom 7. April 2001 als unbegründet abgewiesen.

In der dagegen erhobenen Vorstellung führte der Beschwerdeführer aus, die Berufungsbehörde hätte ein Ermittlungsverfahren durchführen müssen; so wäre sie zu dem Ergebnis gelangt, dass die gemeindlichen Aktenunterlagen nicht vollständig seien, jedoch die Vermutung einer Konsensmäßigkeit bestehe. Sie wäre zu dem Ergebnis gelangt, dass das Gebäude nach den baurechtlichen Rechtsvorschriften, die zum Zeitpunkt der Errichtung des Gebäudes gegolten haben, bewilligt hätten werden können.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen.

Zur Begründung wurde unter Hinweis auf die relevanten Gesetzesbestimmungen im Wesentlichen ausgeführt, die baubehördliche Bewilligung für ein Gebäude habe - unabhängig vom Bestehen eines Flächenwidmungsplanes - immer der Bescheidform bedurft und habe - als antragsbedingter Verwaltungsakt - nie ohne entsprechendes Bauansuchen erteilt werden dürfen. Der vermutete Konsens solle nur dann Platz greifen, wenn auf Grund besonderer, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes näher erläuteter Umstände, ein derartiger schriftlicher Bescheid nicht mehr auffindbar sei; diese Voraussetzungen würden für den Lagerschuppen, der nach den Angaben des Beschwerdeführers erst im Jahr 1980 errichtet wurde, nicht zutreffen.

Die begehrte Bauplatzerklärung für das Grundstück Nr. 77, KG Braunegg, stehe im Widerspruch zu § 11 Abs. 2 erster Satz NÖ BauO 1996, wonach nur ein Grundstück im Bauland auf Antrag des Eigentümers zum Bauplatz erklärt werden dürfe. Den Gemeindebehörden sei daher beizupflichten, wenn sie die Bauplatzerklärung für dieses Grundstück auf Grund der im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan für den bezughabenden Bereich festgelegten Grünlandwidmung ablehnten. Aus dem Verweis auf die vermeintliche Bauplatzeigenschaft seines Grundstückes im Sinn des § 2 Z. 7 der Niederösterreichischen Bauordnung, LGBl. Nr. 166/1969, infolge des mittlerweile geregelten Anschlusses an die öffentliche Verkehrsfläche lasse sich für den Beschwerdeführer weder im Hinblick auf die Konsensvermutung noch auf die Zulässigkeit der Bauplatzerklärung etwas gewinnen.

Dagegen hat der Beschwerdeführer sowohl Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof als auch an den Verwaltungsgerichtshof erhoben. Der Verfassungsgerichtshof hat die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 23. September 2002, B 264/02-11, abgelehnt. In der vorliegenden Beschwerde macht der Beschwerdeführer Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, dass sich seit dem Jahre 1980 auf dem Grundstück Nr. 77 eine Hütte in Holzbauweise befinde, welcher eine Terrasse vorgelagert sei. Unbestritten sei, dass für die Hütte keine bescheidmäßig erlassene Baubewilligung vorliegt. Der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde habe als Baubehörde erster Instanz mit Bescheid vom 4. Juli 1983 die Errichtung des Zufahrtsweges und die Errichtung einer Stützmauer bewilligt. Diese Bewilligungen seien ausschließlich aus dem Grund erfolgt, weil im Jahre 1983 festgehalten wurde, dass auf dem Grundstück Nr. 77 ein Wochenendhaus ohne baubehördliche Bewilligung errichtet wurde und man zur späteren Umwidmung bzw. Bauplatzerklärung zweifellos schon damals beabsichtigte, jedenfalls die Anbindung des Grundstückes an das öffentliche Straßen- und Wegenetz zu bewirken. Seit dem Juni 1981 sei das Haus auch mit elektrischem Strom versorgt, es sei eingezäunt und an das öffentliche Kanalnetz angeschlossen, was ebenfalls mit erforderlichen Bewilligungen einhergegangen sei.

Weiters habe der Beschwerdeführer bereits im Jahre 1983 ein Ersuchen an die mitbeteiligte Marktgemeinde gerichtet, das Grundstück von Grünland in Bauland umzuwidmen. Dieser Antrag sei bislang unerledigt, eine Antwort habe er darauf nicht erhalten. Anlässlich einer baubehördlichen Überprüfung vom 30. Juni 1982 betreffend die Errichtung des Weges auf seinem Grundstück sei ausdrücklich festgehalten worden, dass das bereits errichtete Wochenendhaus nicht abgebrochen werden müsse.

In der Folge beruft sich der Beschwerdeführer auf sein Vertrauen in die Rechtssicherheit. Im Sinne der Rechtssicherheit dürfe er darauf vertrauen, dass dann, wenn die Baubehörde bereits im Jahre 1982 feststellte, dass es ein konsenloses Bauwerk gebe und man ausdrücklich festgestellt habe, es sei nicht abbruchspflichtig und weiters auch Zufahrtswege und andere bauliche Maßnahmen bewilligt würden, dass ein derartiges Gebäude wohl im Sinne der Rechtssicherheit und des Grundsatzes der wohlerworbenen Rechte auch weiterhin bestehen könne und nicht Gegenstand eines Abbruchbescheides sein könne. Ihm sei bereits im Jahre 1982 signalisiert worden, dass man den konkreten faktischen Bestand auf eine rechtliche Grundlage heben würde und sich weitere Verfahren dann wohl erübrigen würden.

Der angefochtene Bescheid der belangten Behörde widerspreche daher in ganz eklatanter Weise dem faktischen Rechtsbestand. Im Lichte des Umstandes, dass die Baubehörde seit 1982 wusste, dass auf dem Grundstück Nr. 77 ein Gebäude errichtet sei, welches als nicht abbruchwürdig bezeichnet wurde (‚amtlich in der Niederschrift am 30. Juni 1982 festgestellt'), könne er sich zu Recht auf einen Konsens der Baubehörde berufen.

Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers ist nicht geeignet, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzulegen. Unbestritten ist im vorliegenden Beschwerdefall jedenfalls die Tatsache, dass für das verfahrensgegenständliche, im Jahre 1980 errichtete Bauwerk keine schriftliche Baubewilligung erteilt wurde. Überdies hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Marktgemeinde bereits mit Datum vom 27. Oktober 1993 einen Abbruchauftrag erlassen, der mit Berufungsbescheid vom 5. Februar 1994 bestätigt und somit rechtskräftig wurde. Abgesehen davon, dass nicht erkennbar ist, worin im Beschwerdefall das Feststellungsinteresse gelegen ist und der Feststellungsantrag schon deshalb zurückzuweisen gewesen wäre, wurde mit dem rechtskräftigen Abbruchauftrag auch die Frage der Konsenslosigkeit des Gebäudes geprüft, da ein Abbruchauftrag gemäß § 113 Abs. 2 Z. 3 BauO 1976 nur dann erteilt werden durfte, wenn für die Baulichkeit keine Baubewilligung vorlag (und damit auch kein vermuteter Konsens anzunehmen war) und die fehlende Bewilligung nicht erteilt werden durfte, weil das Bauvorhaben nicht zulässig war.

Wenn der Beschwerdeführer im Zusammenhang mit seinem Antrag auf Bauplatzerklärung die Ansicht vertritt, er könne subjektive Rechte sowohl aus der Textierung des Niederösterreichischen Raumordnungsgesetzes als auch aus der Tatsache ableiten, dass er bereits im Jahre 1983 an die mitbeteiligte Marktgemeinde ein Ersuchen auf Umwidmung des Grundstücks von Grünland in Bauland gerichtet hat, dann ist ihm entgegenzuhalten, dass ein Rechtsanspruch auf Abänderung eines Flächenwidmungsplanes nach dem Niederösterreichischen Raumordnungsgesetz niemandem zusteht, handelt es sich doch um die Erlassung eines generellen Verwaltungsaktes (vgl. dazu die in Hauer/Zaussinger, 6. Auflage, auf Seite 394 und 694 angeführte Judikatur). Es vermag aber auch der Hinweis des Beschwerdeführers auf den Anschluss des Grundstückes an das Straßen- und Wegenetz nichts an der Tatsache zu ändern, dass das verfahrensgegenständliche Grundstück nicht als Bauland gewidmet ist. Somit ist der Rechtsansicht der belangten Behörde aber nicht entgegenzutreten, wonach gemäß § 11 Abs. 2 NÖ BauO 1996 die Bauplatzerklärung nicht erteilt werden konnte.

Gleichfalls gelingt es dem Beschwerdeführer aus den oben angeführten Gründen nicht, eine Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuzeigen, seine diesbezüglichen Argumente gehen ins Leere.

Da die belangte Behörde somit ohne Rechtsirrtum die Vorstellung abgewiesen hat, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Dezember 2002

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Planung Widmung BauRallg3

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2002:2002050593.X00

Im RIS seit

27.03.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten