Index
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
AVG §34 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde des H L in Frohburg, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Norbert Novohradsky, Rechtsanwalt in 4810 Gmunden, Rathausplatz 2, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 10. Juli 2002, Zl. O-3100/12-3/2002, betreffend Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Finanzen) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1.1. Die Kontrollorgane einer Zollwacheabteilung beanstandeten am 3. April 2002, dass am PKW des Beschwerdeführers die Jahresvignette über die Entrichtung der zeitabhängigen Autobahnmaut vorschriftswidrig - lediglich mit einer Selbstklebefolie - an der Windschutzscheibe angebracht gewesen sei. Gemäß § 12 Abs. 3 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996, BGBl. Nr. 201, in der geltenden Fassung, wurde vom Beschwerdeführer wegen nicht ordnungsgemäßer Entrichtung der zeitabhängigen Maut nach § 7 leg. cit. ein Betrag von EUR 120,-- eingehoben.
1.2. Der Beschwerdeführer richtete in der Folge einen mit 21. April 2002 datierten Schriftsatz an die belangte Behörde, welchen diese als Dienstaufsichtsbeschwerde gegen die vorgenannte Amtshandlung wertete.
1.3. Mit dem angefochtenen Bescheid verhängte die belangte Behörde gemäß § 112 Abs. 3 BAO über den Beschwerdeführer wegen beleidigender Schreibweise in der erwähnten schriftlichen Eingabe vom 21. April 2002 eine Ordnungsstrafe in der Höhe von EUR 120,--.
Sie legte dabei folgende Textstellen ihrer Beurteilung zugrunde:
"Die Herren von der Zollverwaltung haben wohl die Sommerzeit verschlafen und müssen zudem nach Wegfall der Zollstation Suben ihre Daseinsberechtigung durch solch rüpelhaftes Benehmen nachweisen. Wahrscheinlich ist wohl, dass die Zollverwaltung zuviel Personal hat und vier Mann auf die Straße schicken muss, oder dass diese vier Mitarbeiter nur zusammen auf einen normalen IQ kommen. ...
Haben denn diese ungepflegten, nur in Menge auftretenden Beamten - wenn es denn welche sind - nicht die Courage, hier offiziell Namen und Dienstgrad zu bestätigen? Oder sind meine EUR 120,-- etwa in der Kaffeekasse des Zollamtes gelandet? ...
... der Rest bleibt Interpretation ihrerseits, soweit der Bildungsstand mit dem Auftreten der Mitarbeiter der Zollbehörde nicht konform geht."
Der Beschwerdeführer verlasse in den angesprochenen Textstellen wiederholt den Boden der Sachlichkeit und der konstruktiven Kritik, indem er sich mehrfach einer Wortwahl bediene, die darauf abziele, die österreichische Zollverwaltung als Ganzes, aber auch die im Anlassfall einschreitenden Zollorgane zu verunglimpfen, deren Tätigkeit zu diskriminieren, sowie den gesetzmäßigen Vollzug pauschal und unsachlich in Frage zu stellen. Wegen dieser beleidigenden Schreibweise sei nach Ansicht der belangten Behörde eine Ordnungsstrafe zu verhängen, wobei im Hinblick auf die Anzahl und Art der vom Beschwerdeführer gewählten unsachlichen und beleidigenden Ausdrucksformen und Textpassagen die Ordnungsstrafe mit EUR 120,-- auszumessen gewesen sei.
1.4. Der Beschwerdeführer bekämpft diesen Bescheid vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; er erachtet sich erkennbar durch die Verhängung der erwähnten Ordnungsstrafe in seinen Rechten verletzt.
1.5. Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift mit dem Antrag erstattet, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Die belangte Behörde hat den bekämpften Bescheid (ausschließlich) auf § 112 der Bundesabgabenordnung, BGBl. Nr. 194/1961, in der Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 144/2001, gestützt. Nach Abs. 1 dieser Bestimmung hat das Organ einer Abgabenbehörde, das eine Amtshandlung leitet, für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen.
Nach § 112 Abs. 2 leg. cit. sind Personen, die die Amtshandlung stören oder durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 145 Euro verhängt werden. Die gleiche Ordnungsstrafe kann nach Abs. 3 leg. cit. die Abgabenbehörde gegen Personen verhängen, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
2.2. Der Beschwerdeführer vertritt zunächst unter Hinweis auf § 112 Abs. 1 und Abs. 2 der Bundesabgabenordnung die Ansicht, die Verhängung einer Ordnungsstrafe käme nur im Zuge einer Amtshandlung in Betracht; eine derartige Amtshandlung aber wäre von der belangten Behörde nicht vorzunehmen gewesen. Die einschreitenden Zollwachebeamten seien bei der Kontrolle der Einhaltung der Vignettenpflicht "lediglich als Dienstleister für die ÖSAG tätig". Bei dem dabei allenfalls in Betracht kommenden Verwaltungsstrafverfahren nach dem Bundesstraßenfinanzierungsgesetz handle es sich um kein Verfahren, welches vor der Zollverwaltung, den Zollbehörden bzw. den Finanzämtern geführt werde.
Dem kann der Verwaltungsgerichtshof nicht folgen. Der Beschwerdeführer hat unstrittig seine Eingabe vom 21. April 2002 an die belangte Behörde gerichtet. Diese war damit zu deren Behandlung zumindest insoweit zuständig, als sie den Inhalt der Eingabe zur Kenntnis zu nehmen und danach gegebenenfalls entsprechende Maßnahmen, wie die Einleitung eines Verfahrens, zu setzen hatte. Hatte sie sich aber insoweit mit dem Inhalt der Eingabe auseinander zu setzen, dann war sie auch zur allfälligen Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise zuständig. Zur Verhängung einer Ordnungsstrafe wegen beleidigender Schreibweise ist nämlich generell die Behörde berufen, der gegenüber das ordnungswidrige Verhalten gesetzt wurde bzw. der gegenüber die beleidigenden Ausdrücke in Schriftform gefallen sind, wobei selbst der Sache der Eingabe nach unzuständige Behörden die Befugnis zur Verhängung von Ordnungsstrafen in Anspruch nehmen können (vgl. nur Stoll, Bundesabgabenordnung, 1218, mit weiteren Hinweisen aus der Lehre und der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes und des Verwaltungsgerichtshofes für den Bereich des Abgabenrechts).
2.3. Der angefochtene Bescheid erweist sich jedoch aus einem anderen Grund als rechtswidrig:
Die belangte Behörde hat sich - wie erwähnt - bei der Verhängung der gegenständlichen Ordnungsstrafe ausschließlich auf die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung gestützt. Nach § 1 leg. cit. gelten die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes in Angelegenheiten
a) der bundesrechtlich geregelten öffentlichen Abgaben (mit Ausnahme der im § 78 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991, BGBl. Nr. 51, vorgesehenen Verwaltungsabgaben) sowie der auf Grund unmittelbar wirksamer Rechtsvorschriften der Europäischen Union zu erhebenden öffentlichen Abgaben, in Angelegenheiten der Eingangs- und Ausgangsabgaben jedoch nur insoweit, als in den zollrechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist und in Angelegenheiten
b) der bundesrechtlich geregelten Beiträge an öffentliche Fonds oder an Körperschaften des öffentlichen Rechtes, die nicht Gebietskörperschaften sind, soweit diese Abgaben und Beiträge durch Abgabenbehörden des Bundes (§ 49 Abs. 1) zu erheben sind.
Die Verhängung von Ordnungsstrafen im gegebenen Zusammenhang fällt nicht unter die in dieser Bestimmung in der lit. a) und lit. b) aufgezählten Angelegenheiten, zumal es sich bei der nach § 7 Abs. 1 des Bundesstraßenfinanzierungsgesetzes 1996 (Strukturanpassungsgesetz 1996), BGBl. 201, zu entrichtenden Maut um ein privatrechtliches Entgelt handelt (lit. a) und sie dem Bund - sohin einer Gebietskörperschaft - zu entrichten ist (lit. b).
Die belangte Behörde hätte somit nach Art. II Abs. 2 lit. A Z 13 des Einführungsgesetzes zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991, BGBl. Nr. 50 in der Fassung durch die Novelle BGBl. I Nr. 137/2001, das AVG anzuwenden gehabt, ordnet doch diese Bestimmung die Anwendung der Verwaltungsverfahrensgesetze, insbesondere im hier gegebenen Zusammenhang die des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes durch die Zollämter, die Finanzämter und die Finanzlandesdirektionen an, soweit diese, wie sich aus Art. II Abs. 1 EGVG ergibt, behördliche Aufgaben besorgen und - was hier nicht der Fall ist - im EGVG nicht anderes bestimmt ist.
Nach § 34 Abs. 1 AVG hat das Verwaltungsorgan, das eine Verhandlung, Vernehmung, einen Augenschein oder eine Beweisaufnahme leitet, für die Aufrechterhaltung der Ordnung und für die Wahrung des Anstandes zu sorgen. Nach § 34 Abs. 2 AVG sind Personen, die die Amtshandlung stören und durch ungeziemendes Benehmen den Anstand verletzen, zu ermahnen; bleibt die Ermahnung erfolglos, so kann ihnen nach vorausgegangener Androhung das Wort entzogen, ihre Entfernung verfügt und ihnen die Bestellung eines Bevollmächtigten aufgetragen werden oder gegen sie eine Ordnungsstrafe bis 726 Euro verhängt werden. Die gleichen Ordnungsstrafen können nach § 34 Abs. 3 AVG von der Behörde gegen Personen verhängt werden, die sich in schriftlichen Eingaben einer beleidigenden Schreibweise bedienen.
Ungeachtet des Umstandes, dass das richtigerweise anzuwendende AVG einen höheren Strafrahmen vorsieht, wurde der Beschwerdeführer durch die Nichtanwendung dieses Gesetzes in seinen Rechten verletzt, weil es sich infolge der Verschiedenartigkeit der Verfahrensnormen um verschiedene "Verwaltungssachen" handelt; so ist etwa nach dem AVG gegen den Bescheid, mit dem eine Ordnungsstrafe verhängt wird, Berufung an den unabhängigen Verwaltungssenat zulässig (§ 36 Abs. 2 erster Satz AVG).
2.4. Da die belangte Behörde dies verkannt und die Verhängung der Ordnungsstrafe auf eine im Beschwerdefall nicht anzuwendende Bestimmung gestützt hat, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
2.5. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Januar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002170275.X00Im RIS seit
02.05.2003