TE Vfgh Erkenntnis 1999/11/30 G104/99, G105/99, V58/99, V59/99, V60/99

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Veröffentlicht am 30.11.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8241 Standortabgabe

Norm

B-VG Art18 Abs2
B-VG Art144 Abs1 / Legitimation
AltlastensanierungsG
Bgld StandortabgabeG 1995
StandortabgabeV der Gd Potzneusiedl vom 24.08.95 idF der Verordnung vom 22.12.95 betr die Erstreckung der Wirksamkeit
F-VG 1948 §6 Abs2
F-VG 1948 §8 Abs3
FAG 1993 §6 Abs1 Z3

Leitsatz

Widerspruch des Bgld StandortabgabeG 1995 zur Finanzverfassung mangels Vorliegen einer bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung gleichartiger Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand (hier: Standortabgabe und Altlastenbeitrag); Gesetzlosigkeit einer Standortabgabeverordnung nach Aufhebung der gesetzlichen Grundlage

Spruch

I. Das Gesetz vom 17. Mai 1995 über eine Abgabe für die Verwendung von Grundflächen für das Betreiben einer Deponie (Bgld. Standortabgabegesetz 1995), LGBl. 52/1995, wird als verfassungswidrig aufgehoben.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Landeshauptmann von Burgenland ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt verpflichtet.

II. 1. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. August 1995 bis 11. September 1995, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Burgenländische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

2. liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. bis 17. Jänner 1996, wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Burgenländische Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1.1. Das Gesetz vom 17. Mai 1995 über eine Abgabe für die Verwendung von Grundflächen für das Betreiben einer Deponie (Bgld. Standortabgabegesetz 1995), LGBl. 52/1995, lautet:

"§1

Begriffe

Im Sinne dieses Gesetzes ist bzw. sind

1. die Standortabgabe eine Abgabe für die Verwendung von Grundflächen im Gemeindegebiet für den Betrieb einer Deponie;

2. eine Deponie eine bewilligte Abfallbehandlungsanlage im Sinne der §§28 ff Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993, LGBl. Nr. 10/1994, und §2 Abs11 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 in der Fassung BGBl. Nr. 155/1994, auch wenn ihre Errichtung und ihr Betrieb nach anderen gesetzlichen Bestimmungen genehmigt wurden;

3. eine Standortgemeinde eine Gemeinde, in deren Gebiet eine Deponie zur Gänze oder teilweise liegt;

4. Abfälle jene im Sinne des §2 Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993 und des §2 AWG;

5. der Abgabenschuldner der Betreiber einer Deponie.

§2

Standortabgabe

(1) Die Gemeinden werden gemäß §8 Abs5 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948, BGBl. Nr. 45, ermächtigt, nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen vom Abgabenschuldner aufgrund eines Beschlusses des Gemeinderates eine Standortabgabe zu erheben.

(2) Der Standortabgabe unterliegt nicht der Betrieb einer Deponie, in die ausschließlich Abfälle eingebracht werden, die im Gemeindegebiet anfallen.

§3

Höhe der Standortabgabe

(1) Die Standortabgabe beträgt für Inertstoffdeponien maximal 20 S, für Baurestmassendeponien maximal 30 S sowie für Reststoff-, Kompartiment- und Mülldeponien maximal 40 S pro Kubikmeter des deponierten Abfalles.

(2) Die Beträge im Sinne des Abs1 sind wertgesichert. Als Maß zur Berechnung der Wertbeständigkeit dient der vom Österreichischen Statistischen Zentralamt monatlich verlautbarte Verbraucherpreisindex 1986 oder ein an seine Stelle tretender Index. Als Bezugsgröße dient die für den Monat Jänner 1994 verlautbarte endgültige Indexzahl. Schwankungen der Indexzahl nach oben oder unten bis ausschließlich 5 % bleiben unberücksichtigt. Der geänderte Betrag ist auf einen vollen Schillingbetrag zu runden und tritt mit 1. Jänner des Folgejahres an die Stelle des bisherigen Betrages. Die Landesregierung hat den jeweils gültigen Höchstbetrag im Landesamtsblatt für das Burgenland kundzumachen.

(3) Werden aufgrund privatrechtlicher Vereinbarungen Leistungen an die Standortgemeinde erbracht, die als Abgabe im Sinne dieses Gesetzes anzusehen wären, sind diese Leistungen auf die Standortabgabe anzurechnen.

§4

Deponie in mehreren Gemeinden

(1) Erstreckt sich eine Deponie auf das Gebiet mehrerer Gemeinden, ist jede der beteiligten Gemeinden berechtigt, nach Maßgabe des auf ihr Gemeindegebiet entfallenden Anteiles am bewilligten Gesamtvolumen die Standortabgabe einzuheben.

(2) Von den Bestimmungen des Abs1 kann durch übereinstimmende Gemeinderatsbeschlüsse der beteiligten Gemeinden abgewichen werden.

§5

Entstehen der Abgabenschuld,

Fälligkeit, Verfahren

(1) Die Verpflichtung zur Entrichtung der Standortabgabe entsteht im Zeitpunkt des Einbringens von Abfällen in eine Deponie.

(2) Der Abgabenschuldner hat zu Beginn eines jeden Kalendervierteljahres Vorauszahlungen in der Höhe eines Viertels der voraussichtlichen Jahresabgabenschuld zu leisten.

(3) Die Abgabenerklärung ist bis zum 31. März des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Jahres vom Abgabenschuldner bei der Standortgemeinde einzureichen.

(4) Erstreckt sich eine Deponie auf das Gebiet mehrerer Gemeinden, ist bei jeder der beteiligten Gemeinden, die eine Standortabgabe erhebt, eine Abgabenerklärung einzureichen.

(5) Im übrigen gelten die Bestimmungen der Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963, in der jeweils geltenden Fassung.

§6

Eigener Wirkungsbereich

Die Gemeinde besorgt ihre in diesem Gesetz geregelten Aufgaben im eigenen Wirkungsbereich."

1.2. Die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe lautet:

"§1

Für die Verwendung von Grundflächen im Gemeindegebiet für den Betrieb einer Deponie wird eine Standortabgabe ausgeschrieben.

§2

Die Standortabgabe beträgt:

a) für Inertstoffdeponien .................S 20,--

b) für Baurestmassendeponien ..............S 30,--

c) für Reststoff-, Kompartiment-

   und Mülldeponien .......................S 40,--

pro Kubikmeter des deponierten Abfalles.

Eine Deponie ist eine bewilligte Abfallbehandlungsanlage im Sinne

der §§28 ff Bgld. Abfallwirtschaftsgesetz 1993, LGBl. Nr. 10/1994, und §2 Abs11 Abfallwirtschaftsgesetz (AWG), BGBl. Nr. 325/1990 in d.g.F., auch wenn ihre Errichtung und ihr Betrieb nach anderen gesetzlichen Bestimmungen genehmigt wurden.

§3

Die Verpflichtung zur Entrichtung der Standortabgabe entsteht im Zeitpunkt des Einbringens von Abfällen in eine Deponie.

§4

Der Abgabenschuldner - der Betreiber der Deponie - hat zu Beginn eines jeden Kalendervierteljahres Vorauszahlungen in der Höhe eines Viertels der voraussichtlichen Jahresabgabenschuld zu leisten.

Die Abgabenerklärung ist bis zum 31. März des dem Entstehen der Abgabenschuld folgenden Jahres vom Abgabenschuldner bei der Gemeinde Potzneusiedl einzureichen.

§5

Im übrigen gelten die Bestimmungen der Landesabgabenordnung, LGBl. Nr. 2/1963, in der jeweils geltenden Fassung.

§6

Diese Verordnung tritt mit Ablauf der Kundmachungsfrist in Kraft.

Der Bürgermeister:

Angeschlagen am 25.08.1995

Abgenommen am: 11.09.1995"

1.3. liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995 lautet (im Kontext):

"V e r o r d n u n g

des Gemeinderates der Gemeinde Potzneusiedl vom 22.12.1995, womit die Wirksamkeit nachstehender Verordnungen auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird:

(a) ...

(b) ...

(c) ...

(d) ...

(e) ...

(h) ...

(i) Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde Potzneusiedl vom 24.8.1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, verlautbart am 25.8.1995

Die Verordnung tritt mit 1.1.1996 in Kraft.

Der Bürgermeister:

Angeschlagen am: 02.01.1996

Abgenommen am: 17.01.1996"

1.4. Im Altlastensanierungsgesetz, BGBl. 299/1989, zuletzt geändert durch BGBl. I 151/1998 (im folgenden: ALSAG), lauten die hier maßgeblichen Bestimmungen:

"II. Abschnitt

Altlastenbeitrag

Gegenstand des Beitrags

§3. (1) Dem Altlastenbeitrag unterliegen:

1.

das langfristige Ablagern von Abfällen;

2.

das Verfüllen von Geländeunebenheiten oder das Vornehmen von Geländeanpassungen mit Abfällen einschließlich deren Einbringung in geologische Strukturen, ausgenommen jene Geländeverfüllungen oder -anpassungen, die im Zusammenhang mit einer übergeordneten Baumaßnahme eine konkrete bautechnische Funktion erfüllen (zB Dämme und Unterbauten für Straßen, Gleisanlagen oder Fundamente, Baugruben- oder Künettenverfüllungen);

3.

das Lagern von Abfällen;

4.

das Befördern von Abfällen zur langfristigen Ablagerung außerhalb des Bundesgebietes.

(2) ...

Beitragsschuldner

§4. Beitragsschuldner ist

1.

der Betreiber einer Deponie oder eines Lagers,

2.

im Falle der Beförderung der Abfälle zur langfristigen Ablagerung außerhalb des Bundesgebietes der Inhaber der Bewilligung zur Ausfuhr aus Österreich gemäß Abfallwirtschaftsgesetz, BGBl. Nr. 325/1990, in der jeweils geltenden Fassung,

              3.              derjenige, der mit Abfällen Geländeunebenheiten verfüllt oder Geländeanpassungen vornimmt oder Abfälle in geologische Strukturen einbringt oder

              4.              in allen übrigen Fällen derjenige, der die beitragspflichtige Tätigkeit veranlaßt oder duldet.

Bemessungsgrundlage

§5. Die Bemessungsgrundlage ist die Masse des Abfalls entsprechend dem Rohgewicht. Als Rohgewicht gilt das Gewicht des Abfalls mit seinen Verpackungen.

Höhe des Beitrags

§6. (1) Der Altlastenbeitrag beträgt für das langfristige Ablagern oder das Befördern von Abfällen zur langfristigen Ablagerung außerhalb des Bundesgebietes je angefangene Tonne für

   1. Baurestmassen

      ab 1. Jänner 1997 .......................60 S

      ab 1. Jänner 1998 .......................80 S

      ab 1. Jänner 2001 ......................100 S

   2. Erdaushub

      ab 1. Jänner 1998 .......................80 S

      ab 1. Jänner 2001 ......................100 S

   3. Abfälle, soweit sie den Kriterien für Baurestmassendeponien

der Deponieverordnung (Anlage 1, Tabellen 3 und 4), BGBl.

Nr. 164/1996, entsprechen, und ein diesbezüglicher Nachweis durch

eine Gesamtbeurteilung gemäß §6 Deponieverordnung, BGBl.

Nr. 164/1996, erbracht sowie eine Eingangskontrolle gemäß §8

Deponieverordnung, BGBl. Nr. 164/1996, vorgenommen wird

      ab 1. Jänner 1997 ......................120 S

      ab 1. Jänner 1998 ......................150 S

      ab 1. Jänner 1999 ......................300 S

      ab 1. Jänner 2001 ......................600 S

   4. alle übrigen Abfälle

      ab 1. Jänner 1997 ......................150 S

      ab 1. Jänner 1998 ......................200 S

      ab 1. Jänner 1999 ......................400 S

      ab 1. Jänner 2001 ......................600 S

sofern die Abs2 bis 4 nicht anderes bestimmen.

(2) ...

(3) ...

(4) ...

(5) ...

(6) ...

(7) ...

Beitragsschuld

§7. (1) Die Beitragsschuld entsteht im Falle

1. des langfristigen Ablagerns nach Ablauf des Kalendervierteljahres, in dem die Ablagerung vorgenommen wurde,

2.

...

3.

...

4.

...

(2) ...

Erhebung des Beitrags

§9. (1) ...

(2) Der Beitragsschuldner hat spätestens am 15. Tag (Fälligkeitstag) des auf das Kalendervierteljahr (Anmeldungszeitraum) zweitfolgenden Kalendermonates eine Anmeldung bei dem für die Einhebung zuständigen Hauptzollamt einzureichen, in der er den für den Anmeldungszeitraum zu entrichtenden Beitrag selbst zu berechnen hat. Die Anmeldung gilt als Abgabenerklärung. Der Beitragsschuldner hat den Beitrag spätestens am Fälligkeitstag zu entrichten.

(3) ...

Zweckbindung

§11. (1) Der Beitrag ist eine ausschließliche Bundesabgabe.

(2) ..."

1.5. Gemäß §6 Abs1 Z3 des Bundesgesetzes, mit dem der Finanzausgleich für die Jahre 1997 bis 2000 geregelt wird und sonstige finanzausgleichsrechtliche Bestimmungen getroffen werden (Finanzausgleichsgesetz 1997 - FAG 1997), BGBl. 201/1996, ist "der Altlastenbeitrag" eine ausschließliche Bundesabgabe.

2. Beim Verfassungsgerichtshof sind Beschwerdeverfahren gegen Vorstellungsbescheide der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See anhängig: Mit dem zu B2315/98 protokollierten Bescheid wurde der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl betreffend die Vorschreibung der Standortabgabe für das Jahr 1996 im Ausmaß von S 326.871,30 gemäß den §§3, 4 und 5 Bgld. Standortabgabegesetz 1995, LGBl. 52/1995, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. August 1995 bis 11. September 1995, sowie liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 2. bis 17. Jänner 1996, Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der Marktgemeinde Potzneusiedl zurückverwiesen. Mit weiterem Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 27. Oktober 1998 (zu B2316/98 protokolliert) wurde der Vorstellung der beschwerdeführenden Gesellschaft gegen den Berufungsbescheid des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl betreffend die Festsetzung einer Standortabgabe für das Jahr 1995 im Ausmaß von

S 66.990,-- gemäß den §§3, 4 und 5 Bgld. Standortabgabegesetz 1995, LGBl. 52/1995, in Verbindung mit der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, kundgemacht durch Anschlag an der Amtstafel vom 25. August 1995 bis 11. September 1995, keine Folge gegeben.

3. Aus Anlaß dieser Beschwerden hat der Verfassungsgerichtshof am 8. Juni 1999, B2315/98, B2316/98, gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, das Bgld. Standortabgabegesetz 1995 auf seine Verfassungsmäßigkeit sowie gemäß Art139 Abs1 B-VG die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe und liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfen.

3.1. Hinsichtlich der Beschwerdelegitimation der zu B2315/98 protokollierten Beschwerde ging der Verfassungsgerichtshof von folgenden Überlegungen aus:

"Eine Beschwerdebehauptung nach Art144 Abs1 B-VG begründet nur dann die Beschwerdelegitimation, wenn die behauptete Rechtsverletzung wenigstens möglich ist (vgl. VfSlg. 5038/1965, 5712/1968, 9002/1980, 14954/1997, VfGH 10.3.1999, B334/99). Zur Anfechtung eines über eine Vorstellung ergangenen Bescheides der Aufsichtsbehörde, mit der der Bescheid eines Gemeindeorganes wegen Verletzung von Rechten des Vorstellungswerbers aufgehoben wurde, ist der Vorstellungswerber mit Rücksicht auf die Bindung des zuständigen Gemeindeorganes an die den Spruch des Vorstellungsbescheides tragende Rechtsmeinung der Aufsichtsbehörde dann berechtigt, wenn die Aufsichtsbehörde einen die Aufhebung tragenden Grund anders beurteilt hat als der Vorstellungswerber (vgl. VwGH 1.7.1980, 3341/79; 1.10.1985, 83/05/0006) oder die Vorstellungsbehörde dem Vorstellungsbegehren nur hinsichtlich einzelner Einwendungen des Vorstellungswerbers Rechnung getragen, die übrigen Einwendungen des Vorstellungswerbers jedoch im angefochtenen Bescheid ausdrücklich als unzutreffend verworfen hat (vgl. VfSlg. 14954/1997).

In dem zu B2315/98 protokollierten Bescheid der Aufsichtsbehörde wurde der Vorstellung gegen den Berufungsbescheid der Gemeindeinstanz Folge gegeben, der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit zur Entscheidung an die Gemeindeinstanz zurückverwiesen. In der Begründung dieses Bescheides wird zwar dem Einwand der fehlerhaften Ermittlung der der Berechnung der Abgabenhöhe zugrundeliegenden Ablagerungsmenge Rechnung getragen. Den weiteren Einwand der Vorstellungswerberin, es liege konkret keine Einbringung von Abfällen in eine Deponie vor, sondern eine Verwertung von Abfall im Sinne des §2 Abs3 Abfallwirtschaftsgesetz (im folgenden: AWG), welche nicht dem Steuertatbestand des §5 Abs1 Bgld. Standortabgabegesetz 1995 unterliege, verwarf die belangte Behörde mit der Begründung, daß eine Deponie im Sinne des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 vorliege. Es könne daher 'nicht im nachhinein von einer 'Verwertung' des Erdaushubs und des Bauschutts gesprochen werden, wenn diese Stoffe in die Deponie eingebracht werden, da eine Verwertung in einer Deponie undenkbar sei'.

Da die Aufsichtsbehörde - anders als in den zu B3065/97, B2314/98 und B2317/98 vor dem Verfassungsgerichtshof protokollierten Verfahren - ausdrücklich den zusätzlichen Einwand über das Bestehen einer Abgabenverpflichtung verworfen hat, ist sohin die Verletzung der beschwerdeführenden Gesellschaft in einem subjektiven Recht (auch) im Verfahren zu B2315/98 zumindest möglich. ..."

3.2. In der Sache hegte der Verfassungsgerichtshof gegen die Verfassungsmäßigkeit des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 das Bedenken, daß die durch dieses Gesetz den Gemeinden unter Berufung auf §8 Abs5 Finanz-Verfassungsgesetz 1948 (F-VG 1948), BGBl. 45/1948 idF 201/1996, zur Ausschreibung und Erhebung gewährte Standortabgabe eine dem Altlastenbeitrag (einer ausschließlichen Bundesabgabe gemäß §6 Abs1 Z3 FAG 1997) nach dem ALSAG, BGBl. 299/1989, idF BGBl. I 151/1998, gleichartige Abgabe bildet. Für eine derartige landesgesetzliche Regelung dürfte es - so das Bedenken des Verfassungsgerichtshofes - an der neben einer Bundesabgabe für eine gleichartige Abgabe der Gemeinden gemäß §8 Abs3 F-VG 1948 notwendigen bundesgesetzlichen Ermächtigung fehlen.

Für die Annahme der Gleichartigkeit der in Vergleich gezogenen Abgaben ging der Verfassungsgerichtshof unter Heranziehung des Erkenntnisses vom 3. Dezember 1996, VfSlg. 14688/1996 (NÖ Standortabgabegesetz), von folgenden Überlegungen aus:

"Beim Bgld. Standortabgabegesetz 1995 und beim - durch das erwähnte Erkenntnis (VfSlg. 14688/1996) aufgehobenen - NÖ Standortabgabegesetz 1992 handelt es sich hinsichtlich jener Vorschriften, die für die Beurteilung der Gleichartigkeit der Standortabgabe und des Altlastenbeitrages heranzuziehen sind, im wesentlichen um inhaltsgleiche Regelungen. Die Erwägungen, die der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 14688/1996 im Hinblick auf die Gleichartigkeit der NÖ Standortabgabe und des Altlastenbeitrages nach dem ALSAG idF BGBl. 818/1993 angestellt hat, dürften sohin auch für die Beurteilung der Gleichartigkeit der Bgld. Standortabgabe und dem Altlastenbeitrag nach dem ALSAG idF BGBl. I 151/1998 maßgebend sein.

Auch hier scheint eine Identität des Besteuerungsgegenstandes der Standortabgabe nach dem Bgld. Standortabgabegesetz 1995 mit dem Besteuerungsgegenstand des Altlastenbeitrages nach dem ALSAG vorzuliegen, weil der nach dem Bgld. Standortabgabegesetz 1995 eingerichtete Besteuerungsgegenstand - das Deponieren von Abfällen - auch nach dem ALSAG (§3 Abs1 Z1 leg.cit.: 'das langfristige Ablagern von Abfällen' - vgl. zum Begriff der Deponie §2 Abs11 AWG) die Verpflichtung zur Entrichtung des Altlastenbeitrages auslöst. Daß der Besteuerungsgegenstand in §3 Abs1 ALSAG über den Besteuerungsgegenstand des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 hinausgeht, vermag - wie im Erkenntnis zum NÖ Standortabgabegesetz bereits festgestellt - die Annahme der Gleichartigkeit dieser Steuern nicht auszuschließen.

Auch ein Vergleich der beiden Gesetzen zugrundeliegenden Abfallbegriffe dürfte der Annahme der Gleichartigkeit der beiden Abgaben nicht entgegenstehen: Das Bgld. Standortabgabegesetz 1995 definiert den Abfallbegriff nicht selbst, sondern verweist in §1 Abs4 auf die Legaldefinitionen des §2 Bgld. AWG, LGBl. 10/1994 und des §2 AWG, BGBl. 325/1990, zuletzt geändert durch BGBl. I 151/1998. Das ALSAG bedient sich ebenfalls dieser Gesetzestechnik, indem es in §2 Abs4 auf den Abfallbegriff des §2 Abs1 bis 4 AWG verweist. Die Abfallbegriffe, von denen beide Gesetze ausgehen, scheinen daher zumindest ihrem Kern nach identisch zu sein.

Selbst die Legaldefinition der Standortabgabe in §1 Z1 Bgld. Standortabgabegesetz 1995, wonach eine Standortabgabe eine Abgabe für die Verwendung von Grundflächen im Gemeindegebiet für den Betrieb einer Deponie darstellt, dürfte der Annahme der Identität der Besteuerungsgegenstände nicht entgegenstehen. Es scheint auch hier die Inanspruchnahme von Grund nur eine notwendige Konsequenz des Deponierens von Abfällen zu sein. Aus dem Zusammenhalt der Bestimmungen über die Berechnung der Standortabgabe (die Abgabenhöhe bestimmt sich nach den Kubikmetern des deponierten Abfalls, §3 Abs1 Bgld. Standortabgabegesetz 1995) und des Entstehens der Abfallschuld (die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabe entsteht im Zeitpunkt des Einbringens von Abfällen in eine Deponie, §5 Abs1 leg.cit.) dürfte - entgegen den Erläuterungen der Regierungsvorlage zum Bgld.

Standortabgabegesetz 1995, 605 Blg StenProt Bgld LT XVI. GP zu §2, - nicht das Verwenden von Grund den Besteuerungsgegenstand bilden, sondern das Deponieren von Abfällen.

Die Bestimmungen über die persönliche Abgabepflicht weisen ebenfalls auf die Gleichartigkeit der in Vergleich gezogenen Abgaben hin: Nach §1 Abs5 Bgld. Standortabgabegesetz 1995 und nach §4 Abs1 ALSAG (- dort soweit ein identer Abgabengegenstand vorliegt -) ist Abgabenschuldner der Betreiber einer Deponie.

Da es sich auch hier in beiden Fällen um Selbstbemessungsabgaben handelt, dürften Unterschiede in der Bemessungsgrundlage und im Besteuerungsvorgang den Abgaben nicht ihre Gleichartigkeit nehmen (ebenso VfSlg. 14688/1996)."

3.3. Bezüglich der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 und der liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995 hegte der Verfassungsgerichtshof das Bedenken, daß sowohl die aufgrund des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 erlassene Verordnung vom 24. August 1995 als auch die genannte Verordnungsbestimmung der Verordnung vom 22. Dezember 1995 gesetzwidrig ist, sofern das Bgld. Standortabgabegesetz 1995 wegen Widerspruchs zu §8 Abs3 F-VG 1948 als verfassungswidrig aufzuheben ist.

4. Die Burgenländische Landesregierung teilte mit, daß sie im Hinblick auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 3. Dezember 1996, VfSlg 14688/1996, von der Erstattung einer meritorischen Äußerung Abstand nehme.

II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Zulässigkeit:

1.1. Die im Prüfungsbeschluß zur Beschwerdelegitimation für das zu B2315/98 protokollierte Verfahren angestellten Erwägungen sind zutreffend:

Eine Beschwerdebehauptung nach Art144 Abs1 B-VG begründet nur dann die Beschwerdelegitimation, wenn die behauptete Rechtsverletzung wenigstens möglich ist (vgl. VfSlg. 5038/1965, 5712/1968, 9002/1980, 14954/1997, VfGH 10.3.1999, B334/99).

Die belangte Behörde hat zwar dem Einwand der fehlerhaften Ermittlung der der Berechnung der Abgabenhöhe zugrundeliegenden Ablagerungsmenge Rechnung getragen und den Bescheid des Gemeinderates deswegen aufgehoben; gleichzeitig hat sie jedoch den (zusätzlichen) Einwand der beschwerdeführenden Gesellschaft, es liege keine Einbringung von Abfällen in eine Deponie vor, sondern eine Wiederverfüllung einer ehemaligen Schottergrube, sodaß der Steuertatbestand des §5 Abs1 Bgld.

Standortabgabegesetz 1995 nicht erfüllt sei, ausdrücklich verworfen. Da die Marktgemeinde Potzneusiedl im zweiten Rechtsgang an diese Rechtsauffassung der belangten Behörde gebunden wäre, ist ein Eingriff in die Rechtssphäre der beschwerdeführenden Partei durch den Vorstellungsbescheid iS der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes jedenfalls möglich (vgl. VfSlg. 14954/1997).

1.2. Zur Präjudizialität der in Prüfung genommenen Bestimmungen:

Bei der Überprüfung der durch diese Beschwerden angefochtenen Bescheide hat der Verfassungsgerichtshof das Bgld.

Standortabgabegesetz 1995, dessen Bestimmungen eine untrennbare Einheit bilden, sowie die Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe, zu B2315/98 zusätzlich liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, anzuwenden.

1.3. Da auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen vorliegen ist das Gesetzesprüfungsverfahren zulässig.

2. In der Sache:

Die Bedenken des Verfassungsgerichtshofes sind auch begründet:

Es ist nichts hervorgekommen, was an der Gleichartigkeit (iSd. §8 Abs3 F-VG 1948) der bgld. Standortabgabe nach dem Bgld. Standortabgabegesetz 1995 und dem Altlastenbeitrag (einer ausschließlichen Bundesabgabe gemäß §6 Abs1 Z3 FAG) nach dem ALSAG zweifeln ließe. Der Verfassungsgerichtshof sieht insbesondere keine Veranlassung, von seiner im Erkenntnis VfSlg. 14688/1996 dargelegten Rechtsauffassung, auf welcher der Prüfungsbeschluß beruht, abzugehen. Angesichts der erwiesenen Gleichartigkeit der beiden Abgaben, die beide von demselben Besteuerungsgegenstand - nämlich dem Deponieren oder nach der Diktion des ALSAG idF BGBl. 201/1996 dem langfristigen Ablagern von Abfällen (vgl. zur Identität dieser Begrifflichkeiten §2 Abs11 AWG) - erhoben werden, bedarf das Bgld.

Standortabgabegesetz 1995 zu seiner Verfassungsmäßigkeit gemäß §8 Abs3 F-VG 1948 einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Ermächtigung.

Eine derartige Ermächtigung liegt nicht vor. (Insbesondere findet sich diese Ermächtigung auch nicht im §14 Abs1 Z14 FAG 1997 wieder, weil die bgld. Standortabgabe - wie im Prüfungsbeschluß und im Erkenntnis vom 3. Dezember 1996 zur vergleichbaren Regelung des NÖ Standortabgabegesetzes, VfSlg. 14688/1996, bereits dargelegt - keine "Abgabe für den Gebrauch von öffentlichem Grund in den Gemeinden und des darüber befindlichen Luftraumes" darstellt, sondern mit dieser Abgabe das Deponieren von Abfällen besteuert werden soll.) An der Notwendigkeit einer ausdrücklichen bundesgesetzlichen Ermächtigung zur Erhebung einer gleichartigen Abgabe der Gemeinden von demselben Besteuerungsgegenstand gemäß §8 Abs3 F-VG 1948 hat auch §6 Abs2 F-VG 1948 idF BGBl. 686/1988 (bis 31.12.1995 vgl. ArtIII Abs1, BGBl. 686/1988 idF BGBl. 30/1993; ab 1.5.1996 vgl. §17 Abs3a idF BGBl. 201/1996) nichts geändert, demzufolge die Erhebung von zwei oder mehreren (auch gleichartigen) Abgaben von demselben Besteuerungsgegenstand zulässig ist, weil anders das finanzrechtliche System der Abgabenteilung nach §6 Abs1 F-VG 1948 überhaupt beseitigt würde (vgl. VfSlg. 13651/1993, 14688/1996).

3. Das Bgld. Standortabgabegesetz 1995 war sohin wegen Widerspruchs zu §8 Abs3 F-VG 1948 als verfassungswidrig aufzuheben.

Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Burgenland zur Kundmachung der Aufhebung ergibt sich aus Art140 Abs5 B-VG. Der Ausspruch, daß gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, stützt sich auf Art140 Abs6 B-VG.

4. Wegen der Aufhebung des Bgld. Standortabgabegesetzes 1995 fehlt der in Prüfung gezogenen Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 24. August 1995 über die Ausschreibung einer Standortabgabe sowie der liti der Verordnung des Gemeinderates der Marktgemeinde Potzneusiedl vom 22. Dezember 1995, wodurch die Wirksamkeit der Verordnung vom 24. August 1995 auf das Finanzjahr 1996 erstreckt wird, die gemäß §8 Abs5 F-VG erforderliche gesetzliche Grundlage. Die Verordnung vom 24. August 1995 sowie die betreffende Verordnungsbestimmung in der Verordnung vom 22. Dezember 1995 waren daher wegen Gesetzwidrigkeit aufzuheben.

Die Verpflichtung der Burgenländischen Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.

Schlagworte

VfGH / Legitimation, VfGH / Anlaßverfahren, Altlastensanierung, Abfallwirtschaft, Mülldeponie, Standortabgabe, Finanzverfassung, Abgaben gleichartige

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:G104.1999

Dokumentnummer

JFT_10008870_99G00104_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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