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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der B GmbH in B, vertreten durch Mag. Harald Schuh und Mag. Christian Atzwanger, Rechtsanwälte in 4020 Linz, Lüfteneggerstraße 12, gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria vom 20. September 2002, Zl. KOA 1.672/02-22, betreffend Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (mitbeteiligte Partei: P Radiobetriebsgesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Michael Mathes und Mag. Laurenz Strebl, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Marc-Aurel-Straße 6), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren der mitbeteiligten Partei wird abgewiesen.
Begründung
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 20. September 2002 bewilligte die Kommunikationsbehörde Austria auf Antrag der P Radiobetriebsgesellschaft mbH (Mitbeteiligte) gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hinsichtlich der Versäumung der im Mängelbehebungsauftrag vom 25. Juli 2002 festgesetzten Mängelbehebungsfrist.
Zur Begründung ihrer Entscheidung führte die belangte Behörde, nach Darlegung des Verfahrensganges, in sachverhaltsmäßiger Hinsicht aus, der Mitbeteiligten sei mit Schreiben vom 25. Juli 2002 die Verbesserung von Mängeln ihres Antrages aufgetragen und dafür eine Frist von zwei Wochen ab Zustellung gesetzt worden; dieses Schreiben sei am 29. Juli 2002 von einer Arbeitnehmerin der Mitbeteiligten übernommen worden. In der Folge habe eine weitere Arbeitnehmerin der Mitbeteiligten die Bearbeitung des Schriftstückes übernommen, es sei mit einem Eingangsstempel vom 30. Juli 2002 versehen und mit diesem Datum in das Posteingangsbuch eingetragen worden. Nach der Rückkehr des Geschäftsführers der Mitbeteiligten aus dem Urlaub sei ihm das Schreiben der belangten Behörde (der Mängelbehebungsauftrag vom 25. Juli 2002) vorgelegt worden; er habe sich durch mehrmaliges Nachfragen des eingetragenen und aufgestempelten Eingangsdatums versichert und demnach den 13. August 2002 als Tag des Fristablaufs vorgemerkt. Bei der belangten Behörde sei am 13. August 2002 ein Schreiben der Mitbeteiligten eingelangt, mit dem unter Beilage der geforderten Unterlagen der Mängelbehebungsauftrag erfüllt worden sei. Durch ein Schreiben der belangten Behörde vom 14. August 2002, welches der Mitbeteiligten am 16. August 2002 (wieder durch die Übernahme durch einen Arbeitnehmer) zugestellt worden sei, habe der Geschäftsführer der Mitbeteiligten erstmals vom tatsächlichen Zustelldatum des Mängelbehebungsauftrages und der daraus resultierenden Fristversäumnis erfahren. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sei am 19. August 2002 zur Post gegeben worden und am 21. August 2002 bei der belangten Behörde eingelangt.
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde zur Berechtigung des Wiedereinsetzungsantrages der Mitbeteiligten im Wesentlichen aus, ein Verschulden des Geschäftsführers der Mitbeteiligten an der Fristversäumnis sei einem Verschulden der Partei gleichzuhalten. Dies gelte nicht schlechterdings für das Verschulden von Hilfs- oder Kanzleikräften. Irrtümer und Fehler von Hilfskräften stünden der Wiedereinsetzung nicht im Wege, wenn sie trotz Einhaltung zumutbarer Kontrolle des Wiedereinsetzungswerbers geschehen seien. An berufliche rechtskundige Parteienvertreter sei dabei ein strengerer Maßstab als an unvertretene Parteien anzulegen. Der Unternehmensgegenstand der Mitbeteiligten sei auf Veranstaltung von Rundfunk und nicht die Teilnahme am Verwaltungsverfahren gerichtet, weshalb im vorliegenden Fall ein - im Vergleich zu Irrtümern von Kanzleikräften berufsmäßiger Parteienvertreter - verminderter Sorgfaltsmaßstab anzulegen sei. Das vorliegend hindernde Ereignis, nämlich die Fehleintragung und Fehlabstempelung durch die Praktikantin, sei nicht unabwendbar aber für den Geschäftsführer der Mitbeteiligten unvorhersehbar gewesen und es treffe ihn daran, bezogen auf den anwendbaren Prüfungsmaßstab, nur ein minderer Grad des Versehens. Durch die Verwendung von Einlaufstempeln und dem Führen eines Postbuches sei eine Büroorganisation eingerichtet gewesen, die gewährleiste, dass im Normalfall der Eingangstermin von Poststücken nachvollziehbar dokumentiert werde. Für den Fall der Abwesenheit sowohl des Geschäftsführers als auch seiner Assistentin sei eine entsprechende Vertretung für die Bearbeitung der Eingangspost vorgesehen gewesen. Das exakte Einhalten von Fristen, die durch die Zustellung von Schriftstücken ausgelöst werden, sei für berufsmäßige Parteienvertreter ein ihrer beruflichen Tätigkeit immanentes Prinzip, weshalb dort eine auf diese Besonderheit Bedacht nehmende besondere Arbeitsorganisation mit Einschulungen und regelmäßigen Kontrollen vorzusehen sei. An einen unvertretenen Rundfunkveranstalter müsse ein derartig strenger Maßstab nicht angelegt werden, sodass die bestehende Organisation der Mitbeteiligten grundsätzlich als ausreichend erachtet werde. Im Hinblick darauf, dass durch den Mängelbehebungsauftrag eine Frist gesetzt wurde, deren Versäumung gravierende Auswirkungen für die Mitbeteiligte im Verfahren haben würde und darauf, dass der Posteingang nicht für den üblicherweise dafür eingesetzten Personen bearbeitet worden sei, habe der Geschäftsführer zudem - obwohl ihm keine Hinweise für eine fehlerhafte Bearbeitung vorgelegen seien - mehrmals nach dem Termin des Einganges nachgefragt. Ein auffallend sorgloses Handeln im Verkehr mit der Behörde bzw. den Umgang mit Fristen könne im Verhalten des Geschäftsführers der Mitbeteiligten daher insgesamt nicht erblickt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich nach ihrem gesamten Beschwerdevorbringen durch den angefochtenen Bescheid in ihren Rechten nach § 71 AVG verletzt, weil durch die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand die Mitbeteiligte trotz Fristversäumung Verfahrenspartei bleibe. Sie beantragt, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete ebenso wie die Mitbeteiligte eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig als unbegründet abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Gemäß § 72 Abs. 4 letzter Satz AVG ist gegen die Bewilligung der Wiedereinsetzung kein Rechtsmittel zulässig.
Zur Beschwerdelegitimation einer - vom Wiedereinsetzungswerber verschiedenen - anderen Partei wird auf das hg. Erkenntnis vom 21. Juni 1995, Zl. 94/04/0049, verwiesen.
Die demnach zulässige Beschwerde ist jedoch nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2001/01/0559, und die darin angegebene Judikatur) kommt als "Ereignis" im Sinne des § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG jegliches Geschehen, ohne Beschränkung auf Vorgänge in der Außenwelt, in Betracht. Auch Unkenntnis von der Zustellung eines Bescheides kann einen Wiedereinsetzungsgrund bilden, sofern die Unkenntnis nicht auf einem Verschulden beruht, welches den Grad eines minderen Versehens überschreitet (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. September 1999, Zl. 97/09/0134, und die dort angegebene Judikatur).
Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der (fristauslösende) Mängelbehebungsauftrag durch Ersatzzustellung in die Gewahrsame der Mitbeteiligte gelangte, und dass der Geschäftsführer der Mitbeteiligten vom Zeitpunkt dieser Zustellung nicht aus eigenem Wissen Kenntnis hatte. Das "Ereignis", welches den Geschäftsführer der Mitbeteiligten an der Einhaltung der gesetzten Verbesserungsfrist hinderte, ist - nach den Feststellungen der belangten Behörde - in der Fehleintragung des Posteinganges und der Fehlabstempelung (unrichtiger Eingangsstempel auf dem Mängelbehebungsauftrag) durch eine - während der Urlaubsabwesenheit aushelfende - Praktikantin zu erblicken.
Die Beschwerdeführerin meint mit ihren Beschwerdeausführungen im Ergebnis, die belangte Behörde hätte dem Geschäftsführer der Mitbeteiligten dabei grobe Fahrlässigkeit anlasten müssen und daher die begehrte Wiedereinsetzung nicht bewilligen dürfen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung dargelegt, dass ein minderer Grad des Versehens, der die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht hindert, nur dann vorliegt, wenn ein Fehler begangen wird, der gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterläuft. Der Wiedereinsetzungswerber darf also nicht auffallend sorglos gehandelt haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige oder an bisher noch nie am Verfahren beteiligte Personen. Wenn die Versäumung einer Frist vorhersehbar ist und durch ein dem Parteienvertreter zumutbares Verhalten abgeändert hätte werden können, dann ist die Wiedereinsetzung zu verweigern (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0093, sowie vom 13. September 1999, Zl. 97/09/0134, und die jeweils darin angegebene Judikatur).
Der belangten Behörde ist darin zu folgen, dass der Geschäftsführer der Mitbeteiligten nicht als beruflicher Parteienvertreter tätig gewesen ist, sodass für ihn bzw. seine Büroorganisation auch nicht die für diese rechtskundigen Rechtsvertreter geltenden strengeren Sorgfalts- und Überwachungspflichten angenommen werden durften. Den teilweise (im Ergebnis) davon abweichenden Beschwerdeausführungen kann daher nicht gefolgt werden.
Der Geschäftsführer der Mitbeteiligten hat es vorliegend jedenfalls auch nicht unterlassen, über den Zeitpunkt der Zustellung Nachforschungen anzustellen, obwohl ihm keine Hinweise für eine fehlerhafte Eintragung des Posteinganges vorgelegen sind (vgl. insoweit auch das hg. Erkenntnis vom 22. November 1996, Zl. 95/17/0112, mit einer vom vorliegenden Beschwerdefall abweichenden Sachlage). Dass der Geschäftsführer der Mitbeteiligten den mündlichen und - mit diesen übereinstimmenden - schriftlichen Angaben seiner Dienstnehmer über den Zeitpunkt der Zustellung des Mängelbehebungsauftrages vertraute und seiner Fristberechnung zugrundelegte, kann jedenfalls im Ergebnis nicht als über den minderen Grad des Versehens hinausreichendes Verschulden gewertet werden (vgl. auch die hg. Erkenntnisse vom 27. Jänner 1998, Zlen. 97/02/0283 und 0515, sowie vom 26. August 1998, Zl. 96/09/0093).
Es trifft somit - anders als dies in der Beschwerde behauptet wird - nicht zu, dass die Mitbeteiligte es unterlassen habe, das für die fristgerechte Bearbeitung des Mängelbehebungsauftrages erforderliche im Rahmen des Vorhersehbaren und Zumutbaren vorzukehren.
Die Mitbeteiligte hat - entgegen anderslautenden Beschwerdeausführungen - in ihrem Wiedereinsetzungsantrag ein hinreichendes Tatsachenvorbringen erstattet, um den geltend gemachten Wiedereinsetzungsgrund zu beschreiben. Hinsichtlich der Bescheinigungspflicht ist der Beschwerdeführerin zu erwidern, dass die Behörde zu beurteilen hat, ob ein Sachverhalt bescheinigungsbedürftig ist oder nicht; nur in diesem Umfang musste die Mitbeteiligte den behaupteten Sachverhalt tatsächlich bescheinigen. Der in dieser Hinsicht von der Behörde verlangten Vorlage (des Ausschnittes des Posteingangsbuches; der mit der Eingangsstampiglie versehen gewesene Mängelbehebungsauftrag war hingegen schon mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgelegt worden) und die Bekanntgabe der Praktikantin ist die Mitbeteiligte nachgekommen. Wenn die belangte Behörde - die den im Wiedereinsetzungsantrag dargelegten Vorgang inhaltlich nicht bezweifelte - das Vorbringen der Mitbeteiligten auch ohne weitere Bescheinigung für glaubwürdig erachtet hat, kann der Verwaltungsgerichtshof darin eine Rechtswidrigkeit nicht erblicken (vgl. hiezu auch das hg. Erkenntnis vom 19. April 2001, Zl. 99/06/0036).
Die Bewilligung der von der Mitbeteiligten begehrten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist somit nicht als rechtswidrig zu erkennen.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die von der Mitbeteiligten zu Unrecht verzeichnete Umsatzsteuer, da diese nicht über den Pauschbetrag hinaus zusteht.
Wien, am 22. Jänner 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002040136.X00Im RIS seit
28.04.2003