TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/22 99/04/0060

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 22.01.2003
beobachten
merken

Index

50/01 Gewerbeordnung;
50/02 Sonstiges Gewerberecht;

Norm

GewO 1973 §83 idF 1988/399;
GewO 1973 §83;
GewO 1994 §83 idF 1997/I/063;
GewO 1994 §83;
GewRNov 1988 Art1 Z94;
GewRNov 1988 Art6 Abs9;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des A in G, vertreten durch Dr. Oswin Hochstöger, Rechtsanwalt in 3950 Gmünd, Stadtplatz 6/1, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. Februar 1999, Zl. WST1-BA-9737/1, betreffend Auflassung einer gewerblichen Betriebsanlage, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 947,24 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gmünd vom 23. Mai 1997 wurden dem Beschwerdeführer "infolge der Stilllegung der Sandgewinnungsstätte" im bezeichneten Standort (näher umschriebene) "letztmalige Vorkehrungen" vorgeschrieben.

In der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde u. a. geltend gemacht, die gegenständliche Betriebsanlage sei bereits im Jahre 1987 aufgelassen gewesen, weil unter "Auflassen" jenes Verhalten des Inhabers der Betriebsanlage zu verstehen sei, durch das die Betriebsanlage ihre Zweckbestimmung (regelmäßige Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit) verliere. Bloße Planierungs- und Auffüllarbeiten stellten keine gewerbliche Tätigkeit mehr dar, weil sie nicht auf die Erzielung von Einkünften gerichtet seien. Es sei daher Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 anzuwenden und finde auf das gegenständliche Verfahren noch der § 83 GewO in der "alten" Fassung, d.h. in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, Anwendung.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nicht Folge gegeben und der bekämpfte Bescheid bestätigt.

Nach zusammenfassender Wiedergabe des Berufungsvorbringens heißt es in der Begründung des angefochtenen Bescheides:

"In rechtlicher Hinsicht ist festzustellen:

Gemäß § 83 GewO 1994 in der im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides hier anzuwendenden Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63, ist Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex lege bestehenden Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages der Inhaber der Anlage, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1994 zutreffen. Als solcher kann (anders als nach der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988) nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat. Unter Auflassung der Anlage im Sinne des § 83 GewO 1994 ist die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch den Inhaber zu verstehen. Die Rechtsfigur der Innehabung entstammt dem Zivilrecht, weshalb von jenem Bedeutungsinhalt auszugehen ist, den die Privatrechtsordnung - die der Gesetzgeber der Gewerbeordnung vorgefunden hat - geprägt hat. Danach ist nach § 309 ABGB Inhaber, wer eine Sache in seiner Gewahrsame hat.

Voraussetzungen der Passivlegitimation bei der Erlassung eines bescheidmäßigen Auftrages nach § 83 GewO 1994 sind somit die Ausübung der Gewahrsame über eine gewerbliche Betriebsanlage und die Auflassung, d.h. die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch denjenigen, der im betreffenden Zeitpunkt die Gewahrsame ausübt.

Die Ausübung der Gewahrsame über die gewerbliche Betriebsanlage durch den Berufungswerber ergibt sich aufgrund folgender Belege:

-

Kaufvertrag zwischen dem Berufungswerber als Verkäufer und Frau I als Käuferin vom 2. März 1989. Diesem Kaufvertrag ist auch zu entnehmen, daß der Berufungswerber aufgrund des Kaufvertrages vom 15. April 1986 und des Verteilungsbeschlusses vom 18. Dezember 1987 grundbücherlicher Alleineigentümer der Liegenschaft ist und daß dem Berufungswerber das Recht zusteht, noch vorhandenes Sand- und Erdmaterial bis zur Grubensohle zu entnehmen und abzuführen und zwar bis Dezember 1989.

-

Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als Wasserrechtsbehörde vom 28. August 1989 (Aktenzahl 9-W-8565/29); in dieser Niederschrift wird ausgeführt, daß der Berufungswerber in den letzten ca. 4 Jahren Abbautätigkeiten durchgeführt hat und daß das Eigentumsrecht im Frühjahr 1989 an Frau I übertragen wurde. Weiters ist dieser Verhandlungsschrift zu entnehmen, daß der Berufungswerber noch bis 31. Dezember 1989 das Recht hat, auf dem Betriebsanlagengrundstück Sand zu lagern bzw. zu entnehmen.

-

Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als Gewerberechtsbehörde vom 27. Juli 1995; in dieser Niederschrift bestätigt der Berufungswerber die oben angeführten Zeitpunkte des Kaufes und Verkaufes des Betriebsanlagengrundstückes sowie die Tatsache, daß er gemäß dem Kaufvertrag mit Frau I bis Ende 1989 noch Sandmaterial entnommen hat.

Die Auflassung der Anlage durch den Berufungswerber ist aus

folgende Beweismitteln abzuleiten:

-

Niederschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als Gewerberechtsbehörde vom 27. Juli 1995; in dieser Niederschrift führt der Berufungswerber aus, daß er Ende 1989 den Abbau von Sand beendigt hat, daß er keine stationären Anlagen zu entfernen hatte und daß eine Rekultivierung insofern durchgeführt worden sei, als das nicht verwertbare Sandmaterial gleichmäßig über die abgebaute Fläche verteilt worden ist. Weiters gab der Berufungswerber in dieser Niederschrift an, daß er nicht bemerkt habe, daß die Käuferin des Betriebsgrundstückes, Frau Weiss, jemals dort Sand abgebaut oder Rekultivierungsarbeiten durchgeführt habe.

-

Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als Wasserrechtsbehörde vom 28. August 1989 in Anwesenheit des Berufungswerbers; in dieser Verhandlungsschrift wird der Berufungswerber insoweit zitiert, als er noch bis 31. Dezember 1989 das Recht hat, Sand zu lagern und zu entnehmen und daß danach der Abbau von Sand von seiner Seite als abgeschlossen zu betrachten ist.

Aufgrund der dargestellten Beweislage gehen die Berufungsausführungen ins Leere. Zur Einwendung, daß während der Dauer des Betriebes des Berufungswerbers kein Fremdmaterial abgelagert worden sei, ist zu bemerken, daß die Verhandlungsschrift der Bezirkshauptmannschaft Gmünd als Wasserrechtsbehörde vom 28. August 1989 zum Inhalt hat, daß die Parzelle aufgehöht worden ist und daß im Grundbereich Lagerungen von Betonplatten und Betondeckenteilen vorgefunden worden sind. In dieser Verhandlungsschrift hat der Berufungswerber erklärt, die erforderliche Nachmessung der Grube vornehmen zu lassen und die vorgefundenen Betonlagerungen zu entfernen.

Im übrigen wird auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen.

Aufgrund der dargestellten Sach- und Rechtslage war spruchgemäß zu entscheiden."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 83 GewO 1973 - in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988, BGBl. Nr. 399 - hatte folgenden Wortlaut:

"Werden Betriebsanlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Betriebsanlagen aufgelassen, so hat der die Betriebsanlage oder Teile der Betriebsanlage auflassende Inhaber der Betriebsanlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Betriebsanlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und die von ihm anlässlich der Auflassung getroffenen Vorkehrungen der zur Genehmigung der Betriebsanlage zuständigen Behörde anzuzeigen. Trifft der Inhaber der Betriebsanlage nicht die notwendigen Vorkehrungen, so hat ihm die Behörde, bei der die Anzeige zu erstatten ist, die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen."

Mit der am 1. Jänner 1989 in Kraft getretenen Gewerberechtsnovelle 1988 erhielt § 83 GewO 1973 folgenden Wortlaut:

"Werden Anlagen im Sinne des § 74 Abs. 2 oder Teile solcher Anlagen aufgelassen, so hat der Inhaber der Anlage die zur Vermeidung einer von der aufgelassenen Anlage oder den aufgelassenen Teilen der Anlage ausgehenden Gefährdung, Belästigung, Beeinträchtigung oder nachteiligen Einwirkung im Sinne des § 74 Abs. 2 notwendigen Vorkehrungen zu treffen. Er hat die Auflassung und seine Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde vorher anzuzeigen. Reichen die angezeigten Vorkehrungen nicht aus, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten, oder hat der Inhaber der Anlage anlässlich der Auflassung die zur Erreichung dieses Schutzes notwendigen Vorkehrungen nicht oder nur unvollständig getroffen, so hat ihm die zur Genehmigung der Anlage zuständige Behörde die notwendigen Vorkehrungen mit Bescheid aufzutragen. Durch einen Wechsel in der Person des Inhabers der gänzlich oder teilweise aufgelassenen Anlage wird die Wirksamkeit dieses bescheidmäßigen Auftrages nicht berührt."

Nach Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 ist dessen Art. I Z. 94 (§ 83 letzter Satz) auf im Zeitpunkt der Kundmachung dieses Bundesgesetzes bereits aufgelassene Betriebsanlagen nicht anzuwenden.

Mit der Gewerberechtsnovelle 1997, BGBl. I Nr. 63/1997, wurde der § 83 der GewO 1994 (wiederum) neu gefasst, u.a. dahin, dass der Anlageninhaber "den Beginn der Auflassung" und seine Vorkehrungen anlässlich der Auflassung der zur Genehmigung der Anlage zuständigen Behörde (Genehmigungsbehörde) vorher anzuzeigen hat; weiters sieht der Abs. 6 dieser Gesetzesstelle eine bescheidmäßige Feststellung vor, dass für die Auflassung von Anlagen oder Anlagenteilen die getroffenen Vorkehrungen ausreichen, um den Schutz der im § 74 Abs. 2 umschriebenen Interessen zu gewährleisten. Mit Eintritt der Rechtskraft dieses Feststellungsbescheides ist "die Auflassung beendet" und erlischt in Fällen der gänzlichen Auflassung der Anlage die Anlagengenehmigung (§ 83 Abs. 6 letzter Satz leg. cit.).

Gemäß 2. Abschnitt Art. III Abs. 3 der Gewerberechtsnovelle 1997 gilt für Auflassungen, die vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. I dieses Gesetzes erfolgt sind, § 83 GewO 1994 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997.

Vorauszuschicken ist zunächst, dass es in Übereinstimmung mit dem Inhalt der Verwaltungsakten unbestritten ist, dass die in Rede stehende Betriebsanlage jedenfalls vor dem 1. Juli 1997 aufgelassen wurde. Es ist daher im Hinblick auf die vorzitierte Übergangsbestimmung der Gewerberechtsnovelle 1997 zutreffend, dass im Beschwerdefall jedenfalls nicht die Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1997 anzuwenden ist. Insofern wurde der Beschwerdeführer nicht in seinen Rechten verletzt - und wird dies vom Beschwerdeführer auch nicht geltend gemacht -, auch wenn es hinsichtlich der Anwendung der Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1997 nicht - wie es im angefochtenen Bescheid heißt - "auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides" (gemeint wohl des erstinstanzlichen Bescheides) ankommt, sondern darauf, dass entsprechend der zitierten Übergangsbestimmung der Gewerberechtsnovelle 1997 die in Rede stehende Betriebsanlage vor dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Art. I dieses Gesetzes aufgelassen wurde.

Die belangte Behörde ist (noch) erkennbar davon ausgegangen, dass im vorliegenden Fall § 83 GewO 1994 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1997 anzuwenden ist und nicht § 83 GewO 1973 in der Fassung vor der Gewerberechtsnovelle 1988.

Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer.Während nach der neuen Rechtslage (nach der Gewerberechtsnovelle 1988) als Inhaber der Anlage nur jene Person angesehen werden könne, die eine Auflassungshandlung gesetzt habe, sei nach der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 als Inhaber der Anlage passiv legitimiert gewesen, wer im Zeitpunkt der Erlassung des Auftragsbescheides Inhaber der Anlage gewesen sei, unabhängig davon, ob er "Unterlassungshandlungen" gesetzt habe oder nicht. Im Hinblick auf Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 spiele für die Klärung der Frage, gegen wen "der Auftrag zur Erlassung letztmaliger Vorkehrungen" zu erlassen sei, der Zeitpunkt, wann diese Anlage aufgelassen worden sei, eine entscheidende Rolle. Wie in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid und im Verfahren vor Erlassung des angefochtenen Bescheides ausführlich dargelegt worden sei, sei die Auflassung der gegenständlichen Betriebsanlage bereits im Juni 1987 beendet gewesen. Unter Auflassung der Anlage sei nämlich die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck, also jenes Verhalten des Inhabers der Betriebsanlage zu verstehen, durch das die Betriebsanlage ihre Zweckbestimmung (regelmäßige Entfaltung einer gewerblichen Tätigkeit) verliere, zu verstehen. Die Zweckbestimmung einer Sandgrube sei der Abbau und die Verführung des gewonnenen Materials zum Zwecke der Erzielung von Einkünften. Die bloßen Planierungs- und Auffüllarbeiten stellten keine gewerbliche Tätigkeit mehr dar, weil sie nicht auf die Erzielung von Einkünften als oberstes Ziel des Betriebszweckes gerichtet seien.

Daran knüpft der Beschwerdeführer die Rüge, dass sich die belangte Behörde mit der Frage des Zeitpunktes der Auflassung nicht auseinander gesetzt habe.

Der Beschwerdeführer ist damit aus nachstehenden Gründen im Recht:

Der Beschwerdeführer ist zunächst insofern im Recht, als nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nach der Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1988 Normadressat sowohl für die Einhaltung der ex-lege bestimmten Gebote als auch eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle (jedenfalls nur) der "Inhaber" der Anlage ist, auf den die Tatbestandsmerkmale des § 83 GewO 1973 zutreffen. Entgegen der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1988 kann als solcher nach der seit dieser Novelle geltenden Fassung dieser Gesetzesstelle nur jener Inhaber angesehen werden, der eine Auflassungshandlung gesetzt hat (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. September 1994, Zl. 94/04/0060, und die dort zitierte Vorjudikatur). Die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 5. November 1985, Slg. Nr. 11.932/A), wonach "auflassender Inhaber" der Betriebsanlage gemäß § 83 GewO 1973 nicht nur derjenige ist, der die Betriebsanlage oder Teile der Betriebsanlage auflässt, sondern jeder, der eine gänzlich oder teilweise aufgelassene Betriebsanlage inne hat, also - unabhängig vom Zeitpunkt der Auflassung - der jeweilige Inhaber der Anlage, betraf eine anders geartete Rechtslage, nämlich jene vor der Gewerberechtsnovelle 1988 (vgl. auch dazu das zitierte Erkenntnis vom 20. September 1994). Von dieser Rechtsprechung abzugehen sieht sich der Verwaltungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Beschwerdefalles nicht veranlasst.

Im Hinblick auf das Vorgesagte ist es für die Frage der Passivlegitimation eines bescheidmäßigen Auftrages nach dieser Gesetzesstelle somit entscheidend, ob im Beschwerdefall im Sinne der Übergangsbestimmung des Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 eine im Zeitpunkt der Kundmachung dieses Bundesgesetzes bereits "aufgelassene" Betriebsanlage vorliegt.

Wie der Beschwerdeführer weiters zutreffend erkennt, enthält der angefochtene Bescheid zur Frage des Zeitpunktes der Auflassung der Betriebsanlage keine Ausführungen. Hindert aber eine Begründungslücke die Nachprüfung des Bescheides auf die inhaltliche Gesetzmäßigkeit, dann hat die Behörde durch die unzulängliche Begründung Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2001, Zl. 98/08/0279). An dieser Mangelhaftigkeit der Begründung des angefochtenen Bescheides ändert auch nichts, wenn im angefochtenen Bescheid "im Übrigen ... auf die zutreffenden Ausführungen in der Begründung des erstinstanzlichen Bescheides verwiesen" wird. Hat doch die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht, wenn sie lediglich auf die Begründung der Unterinstanz verweist, nur unter der Voraussetzung entsprochen, dass diese Begründung auf alle in dem Rechtsmittel vorgebrachten Tatsachen und Rechtsausführungen eingegangen ist und der Oberinstanz keine durch die Begründung der Unterinstanz offen gelassene Frage vorgelegt worden ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. Juli 2002, Zl. 2000/07/0255). Im erstinstanzlichen Bescheid wird hinsichtlich der Nichtanwendung des Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 lediglich ausgeführt, dass die gegenständliche Betriebsanlage am 29. Juli 1988 noch nicht aufgelassen gewesen sei; eine nähere Auseinandersetzung mit dem Tatsachenvorbringen in der Berufung, die gegenständliche Betriebsanlage sei bereits im Jahre 1987 aufgelassen gewesen, enthält der erstinstanzliche Bescheid nicht.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Soweit in der Gegenschrift der belangten Behörde darauf verwiesen wird, dass Planierungs- und Auffüllarbeiten an einer Materialgewinnungsstätte sehr wohl gewerbliche Tätigkeiten darstellten, weil diese Maßnahmen typische Auflassungsmaßnahmen einer Sandgewinnungsbetriebsanlage seien, sieht sich der Verwaltungsgerichtshof veranlasst, für das fortzusetzende Verfahren auf Folgendes hinzuweisen:

Anders als nach der Rechtslage nach der Gewerberechtsnovelle 1997, wonach die Auflassung einer Betriebsanlage ein Vorgang ist, den der Anlageninhaber beginnt und die Behörde mit Feststellungsbescheid beendet, ist hinsichtlich der Rechtslage vor der Gewerberechtsnovelle 1997 davon auszugehen, dass die Auflassung der Anlage (lediglich) die endgültige Aufhebung der Widmung der Anlage für den ursprünglichen Betriebszweck durch den Inhaber ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Juni 1994, Zl. 94/04/0043). Dass eine Betriebsanlage schon als aufgelassen gilt, wenn sie im Sinne des Vorgesagten ihre Zweckbestimmung verliert und nicht auch die notwendigen Vorkehrungen nach § 83 leg. cit. (als "Auflassungsmaßnahmen" nach dem Vorbringen der belangten Behörde) zur Auflassung der Betriebsanlage gehören - in dem Sinne, dass eine Auflassung der Betriebsanlage noch nicht beendet ist, wenn derartige Vorkehrungen getroffen werden (zu treffen sind) -, kommt auch insofern zum Ausdruck, als im § 83 leg. cit. der Inhaber der Betriebsanlage die Auflassung und die von ihm anlässlich der Auflassung getroffenen Vorkehrungen anzuzeigen hat, "Auflassung" und "Vorkehrungen" werden also vom Gesetzgeber als zweierlei gesehen und diese nicht in der Art einer Bedingung miteinander verknüpft, dass erst nach Treffen der notwendigen Vorkehrungen eine Betriebsanlage als aufgelassen gilt.

Es ist auch kein Anhaltspunkt dafür zu sehen, dass der Gesetzgeber bei der Übergangsvorschrift des Art. VI Abs. 9 der Gewerberechtsnovelle 1988 von einem anderen Verständnis einer "aufgelassenen" Betriebsanlage ausgegangen wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Begehrens auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 22. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999040060.X00

Im RIS seit

28.04.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten