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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §209 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der V AG in B (Schweiz), vertreten durch Dr. Peter Krömer, Rechtsanwalt in St. Pölten, Riemerplatz 1, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 12. Dezember 2001, GZ. RV 719-09/99, betreffend Rechtsgebühr, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin brachte mit Eingabe ihrer Rechtsvertreter vom 17. März 1989 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien (im Folgenden kurz: Finanzamt) einen "Kauf- und Übertragungsvertrag" vom 21. Februar 1989/8. März 1989 zur Anzeige, womit sie einerseits einen Kommanditanteil und andererseits ein auf dem "Gesellschafterverrechnungskonto" des verkaufenden Kommanditisten bestehendes Guthaben in der Höhe von S 12,873.150,24, das ihr laut Vertragspunkt II Abs. 3 "abgetreten" wurde, erwarb.
Für diesen Vorgang schrieb das Finanzamt mit Bescheid vom 17. Juli 1989 Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG (in der darauf anzuwendenden Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 629/1994) vorläufig fest.
Mit Bescheid vom 15. Juni 1993 wurde dieser Bescheid für endgültig erklärt, wogegen die Beschwerdeführerin mit Eingabe vom 19. Juli 1993 Berufung erhob. Dabei machte sie u.a. geltend, dass das abgetretene Guthaben auf dem Privatkonto des verkaufenden Kommanditisten nicht in die Bemessungsgrundlage für die Gebühr betreffend die Übertragung des Kommanditanteiles einbezogen werden dürfe, weil es sich dabei um ein "reines Forderungskonto" handle. Hiefür dürfe nur Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG im Ausmaß von 0,8 % erhoben werden.
Daraufhin richtete das Finanzamt am 16. November 1993 an den Beschwerdeführer ein Ersuchen um Ergänzung mit folgendem Inhalt:
"Sie werden höflichst ersucht nachzuweisen, dass es sich bei dem Gesellschafterverrechnungskonto um ein Privatkonto mit reinem Forderungscharakter handelt (Vorlage einer Kopie des Gesellschaftsvertrages)."
Mit Eingabe vom 9. Dezember 1993 legte die Beschwerdeführerin dem Finanzamt ein Schreiben der Unicont Revisions- und Treuhand-Gesellschaft mbH vor, in dem die Kommanditeinlage mit S 2,700.000,-
- beziffert wurde und das - auszugsweise - folgenden Inhalt hat:
"Alle sonstigen Verrechnungen des Kommanditisten mit der Gesellschaft wurden über ein eigenes Gesellschafter-Verrechnungskonto gebucht.
Diese buchhalterisch strikte Trennung von Verrechnungskonto und Kommanditeinlagenkonto für den Kommanditisten wurde auch in den Vorjahren in der oben erwähnten Art und Weise durchgeführt."
Daraufhin wies das Finanzamt mit Berufungsvorentscheidung vom 7. März 1994 die Berufung als unbegründet ab, wobei es die Auffassung vertrat, es handle sich bei dem "Forderungskonto" um ein Einlagenkonto.
Dagegen stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde gab mit Berufungsentscheidung vom 2. Juli 1998 dieser Berufung Folge und änderte den erstinstanzlichen Bescheid vom 15. Juni 1993 dahin ab, dass der Stand des Gesellschafterverrechnungskontos aus der Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Gebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Z. 1 lit. c GebG ausgeschieden wurde.
Zuvor hatte die belangte Behörde mit Schreiben vom 7. Mai 1998 an den Rechtsvertreter der Beschwerdeführerin folgende Anfrage gerichtet:
"Mit Kauf- und Übertragungsvertrag vom 14. 3. 1989 erwarb die protokollierte Firma V AG, B, Schweiz, die Berufungswerberin (Bw), von der protokollierten Firma V-Werke in Bremen, BRD, deren Geschäftsanteil (Kommanditbeteiligung) an der V KG, Großhandel mit Bedarfsartikeln und Futtermitteln für die Heimtierhaltung mit dem Sitz in Wien. Als Kaufpreis wurde ein Betrag von S 26,789.711,-- vereinbart.
Das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern forderte daher in der Folge mit dem bekämpften Bescheid von dieser Bemessungsgrundlage 2 % Rechtsgebühr an.
In der dagegen erhobenen Berufung bringt die Bw. vor, dass im Kaufpreis für den Kommanditanteil auch das Gesellschafterverrechnungskonto mit einem Betrag von S 12,873.150,24 enthalten gewesen wäre. Da es sich bei diesem Konto um ein reines Forderungskonto handle, sei dieses, entsprechend dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 11.3.1982, Zl. 81/15/0025, nicht in die Gebührenbemessung für die Rechtsgebühr gemäß § 33 TP 16 Abs. 1 Ziffer 1 lit. c Gebührengesetz mit einzubeziehen.
Zwecks Erledigung der Berufung werden Sie daher nunmehr gebeten, entsprechende Buchungsbelege und Auszüge des Gesellschafterverrechnungskontos beizubringen, aus denen zu ersehen ist, dass es sich hiebei tatsächlich um ein reines Forderungskonto handelt, insbesonders wird um Bekanntgabe gebeten, auf welchem Konto etwaige Verluste verbucht werden, da Verlustbuchungen auf das Gesellschafterverrechnungskonto diesem den Charakter eines Einlagenkontos verleihen würden."
Die Beschwerdeführerin hatte im Wege ihres Rechtsvertreters diese Aufforderung mit Schreiben vom 4. Juni 1998 wie folgt beantwortet:
"In oben bezeichneter Angelegenheit ging mir Ihr Schreiben vom 7.5.1998 am 13.5.1998 zu. Namens der von mir vertretenen Firma V AG, CH-B/Schweiz, übermittle ich Ihnen in der Beilage im Sinne des oben erwähnten Schreibens Kopien der Bilanzkonten der Firma V KG 1985 bis 1988 mit den entsprechenden Erläuterungen des in Rede stehenden Gesellschafterverrechnungskontos. Aus diesen Unterlagen ist ersichtlich, dass dieses Gesellschafterverrechnungskonto lediglich die Gewinngutschrift, relativ geringfügige Einnahmen und die Steuerzahlungen beinhaltet, Verlustbuchungen wurden - entgegen der Begründung in der Berufungsvorentscheidung des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 7.3.1994 - auf diesem Konto niemals vorgenommen. Es handelt sich daher - wie in der Berufung vom 19.7.1993 gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien vom 15.6.1993 ausgeführt - bei dem gegenständlichen Gesellschafterverrechnungskonto um ein Privatkonto mit reinem Forderungscharakter, dieses gegenständliche Gesellschafterverrechnungskonto hatte keinen Einfluss auf Gewinnanspruch, etc., und wirkte sich auf die Gesellschafterstellung nicht aus.
In diesem Sinne werden diese Urkunden vorgelegt. Sollten noch andere Urkunden nötig sein oder persönliche Erläuterungen gewünscht werden, darf darauf hingewiesen werden, dass diesbezüglich auch der Steuerberater der Firma V KG, Großhandel mit Bedarfsartikeln und Futtermitteln für die Heimtierhaltung, U Revisions- und Treuhand-GmbH, Prokurist und Steuerberater J F für Auskünfte zur Verfügung steht."
Mit Bescheid vom 19. April 1999 (zugestellt am 26. April 1999) setzte das Finanzamt für den Geschäftsvorgang vom 21. Februar 1989 betreffend die Bemessungsgrundlage von S 12,873.150,24 Rechtsgebühr in der Höhe von 0,8 % gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG fest.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin im Wesentlichen mit dem Argument, es sei Verjährung eingetreten.
Gegen die daraufhin ergangene abweisliche Berufungsvorentscheidung vom 29. Juni 1999 (die sich auf eine durch den Vorhalt der Abgabenbehörde zweiter Instanz vom 7. Mai 1998 eingetretene Unterbrechung der Verjährung stützte) stellte die Beschwerdeführerin fristgerecht den Antrag auf Entscheidung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.
Die belangte Behörde wies mit Bescheid vom 12. Dezember 2001 die Berufung als unbegründet ab, wobei sie die Auffassung vertrat, ihr Vorhalt vom 7. Mai 1998 habe nur den Zweck gehabt, festzustellen, ob betreffend den Betrag auf den Privatkonto die Gebühr gemäß TP 16 zu verneinen und statt dessen eine Gebühr gemäß TP 21 vorzuschreiben sei; Verjährung sei daher nicht eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass ihr wegen eingetretener Verjährung (hilfsweise wegen res iudicata) keine Gebühr gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG mehr vorgeschrieben werden darf.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 207 Abs. 2 BAO beträgt die Verjährung für Rechtsgebühren (die unter den Begriff "alle übrigen Abgaben" fallen) fünf Jahre.
Die Verjährung beginnt gemäß § 208 Abs. 1 lit. a BAO in den Fällen des § 207 Abs. 2 BAO mit Ablauf des Jahres, in dem der Abgabenanspruch entstanden ist, soweit nicht in Abs. 2 ein anderer Zeitpunkt bestimmt wird.
Danach begann im vorliegenden Fall die Verjährung (unter Berücksichtigung des Entstehens der Gebührenschuld mit der Unterfertigung der Vertragsurkunde gemäß § 16 Abs. 1 Z. 1 lit. a GebG am 21. Februar/8. März 1989) mit dem 1. Jänner 1990.
Gemäß § 209 Abs. 1 BAO wird die Verjährung durch jede zur Geltendmachung des Abgabenanspruches oder zur Feststellung des Abgabenpflichtigen (§ 77) von der Abgabenbehörde unternommene, nach außen erkennbare Amtshandlung unterbrochen. Mit Ablauf des Jahres, in welchem die Unterbrechung eingetreten ist, beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen.
Nach ständiger hg. Judikatur setzt die Unterbrechungswirkung die Geltendmachung eines bestimmten Abgabenanspruches voraus (vgl. z.B. die bei Ritz, BAO-Kommentar2, Rz 3 zu § 209 BAO referierte hg. Rechtsprechung sowie insbesondere das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 2001, Zl. 2000/16/0602, mit dem klargestellt wurde, dass eine nicht auf einen bestimmten Abgabentatbestand konkretisierte Anfrage keine Unterbrechungswirkung entfaltet), soferne die Amtshandlung von einer dazu sachlich zuständigen Abgabenbehörde gesetzt wird (Ritz, a. a.O, Rz 9; Stoll, BAO-Komm II 2186 vorl. Abs.).
Mit Rücksicht darauf, dass weder die Berufungsvorentscheidung des (sachlich zuständigen) Finanzamtes vom 7. März 1994 noch das Schreiben der belangten Behörde vom 7. Mai 1998 den Abgabenanspruch gemäß § 33 TP 21 Abs. 1 Z. 1 GebG geltend machten, sowie unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die belangte Behörde zur erstinstanzlichen Geltendmachung des Abgabenanspruches nach dem zitierten Gebührentatbestand sachlich nicht zuständig war, kam den genannten Amtshandlungen keine Unterbrechungswirkung zu und ist daher Verjährung eingetreten.
Insoweit die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 29. November 1988, Zl. 86/14/0134, verweist ist festzuhalten, dass hier kein Fall vorliegt, in dem das zuständige Finanzamt über Anweisung der Oberbehörde die Unterbrechungshandlung setzte. Auch ist der vorliegende Fall nicht mit dem von Stoll (a.a.O. 2187, 2. Abs.) referierten hg. Erkenntnis vom 18. Juni 1979, Zl. 52/78, vergleichbar, in dem einen auf eine konkrete Abgabe, nämlich Einkommensteuer für ein bestimmtes Jahr, bezogenen Berufungsbescheid (mit dem in Abänderung des erstinstanzlichen Bescheides die Höhe des zu versteuernden Einkommens verändert, im übrigen der Berufung aber keine Folge gegeben wurde) Unterbrechungswirkung zuerkannt wurde.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben, ohne dass es eines weiteren Eingehens auf die übrigen Beschwerdeargumente bedurfte.
Mit Rücksicht auf die einfache Sach- und Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 23. Jänner 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002160027.X00Im RIS seit
02.05.2003Zuletzt aktualisiert am
20.06.2014