Index
50 GewerberechtNorm
B-VG Art18 Abs1Leitsatz
Keine Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen der GewO 1994 über die Versagung der Genehmigung von Einkaufszentren bei Gefährdung der Nahversorgung angesichts einer möglichen verfassungskonformen Interpretation im Sinne der Erwerbsausübungsfreiheit; nur Konsumgüter und Dienstleistungen des täglichen und kurzfristigen Bedarfs von der Regelung erfaßt; kein Konkurrenzschutz für Unternehmen jedweder Art; Aufhebung der Bestimmung der GewO 1994 über die Nichtgeltung der Regelung für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet wegen Unklarheit dieser Begriffe; Aufhebung der die Neuerrichtung von Einkaufszentren jedweder Art verhindernden Einkaufszentren-Verordnung mangels einer gesetzlichen Grundlage; Zurückweisung von Individualanträgen auf Aufhebung der Einkaufszentren-VSpruch
I. 1. Die Worte "keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie" im §77 Abs5 Z2 sowie der Abs6 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 werden nicht als verfassungswidrig aufgehoben.
2. §77 Abs8 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
3. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
4. Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. I verpflichtet.
II. 1. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, wird als gesetzwidrig aufgehoben.
2. Die Aufhebung tritt mit 30. Juni 2000 in Kraft.
3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im BGBl. II verpflichtet.
III. Die Anträge auf Aufhebung der Einkaufszentren-Verordnung werden zurückgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2000/98 eine Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrundeliegt:
Mit Bescheid vom 20. August 1998 wies die Bezirkshauptmannschaft Mödling den Antrag der M Gesellschaft m. b.H. auf Genehmigung der Abänderung der gewerbebehördlich genehmigten Betriebsanlage, wodurch 1.100 m2 Verkaufsfläche neu geschaffen werden sollten, aufgrund einer zu erwartenden Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsgebiet gemäß §§81 Abs1, 77 Abs5 und 6 Gewerbeordnung in Verbindung mit den Bestimmungen der Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II Nr. 69/1998, ab. Die Gewerbebehörde errechnete durch Multiplikation der gesamten Verkaufsfläche von 5.224 m2 mit dem durchschnittlichen Quadratmeterumsatz für die Handelsbranche "großer Elektroeinzelhandel" gemäß der Anlage 2 der Einkaufszentren-Verordnung von S 126.000.-- einen prognostizierten Umsatz von S 658.244.000.--. Sie ging vom Einzugsgebiet Verwaltungsbezirk Mödling, Gebiet der Stadtgemeinde Traiskirchen und Teilen der südlichen und östlichen Wiener Gemeindebezirke 10, 12 und 23 mit einer Bevölkerungszahl von ca. 300.000 Einwohnern aus. Aus einer Multiplikation der Einwohnerzahl des Einzugsbereiches mit den durchschnittlichen einzelhandelsrelevanten Bruttoumsätzen je Einwohner in Schilling gemäß der Anlage 3 der Einkaufszentren-Verordnung von S 2.528.-- für elektrotechnische Erzeugnisse errechnete sie das einzelhandelsrelevante Umsatzpotential mit S 1.011.200.000.-- (richtig wohl 758.400.000.--). Der prognostizierte Umsatz der Betriebsanlage betrage daher mit seiner durch die Erweiterung auf
5.224 m2 gestiegene Verkaufsfläche 8,7% (richtig wohl 86,79%) des einzelhandelsrelevanten Umsatzpotentials im Einzugsgebiet des Projektes. Die Begründung des Bescheides hielt fest, daß unter Berücksichtigung der laut Einkaufszentren-Verordnung feststehenden Berechnungsgrößen das Einzugsgebiet tatsächlich eine Einwohnerzahl von ca. 5.207.500 Personen aufweisen müßte, um die zulässige Abschöpfungsquote von 5% nicht zu überschreiten.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies der Landeshauptmann von Niederösterreich die dagegen erhobene Berufung ab. Er bejahte zunächst die Bewilligungspflicht der Anlage gemäß §74 Abs2 Z1 und 4 GewO 1994 und kam zu dem Ergebnis, daß im Genehmigungsverfahren betreffend die Änderung der Betriebsanlage §77 Abs5 bis 7 dann anzuwenden sei, wenn der zu ändernde Betriebsanlagenteil eine Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder eine Bruttogeschoßfläche von mehr als 1.000 m2 aufweist. Im Hinblick auf die projektierte Verkaufsflächenerweiterung um
1.100 m2 ging der Landeshauptmann von Niederösterreich von der Anwendbarkeit des §77 Abs5 bis 7 GewO 1994 und der Einkaufszentren-Verordnung aus.
2. Aus Anlaß dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 10. Juni 1999
· gemäß Art140 Abs1 B-VG beschlossen, die Verfassungsmäßigkeit der Worte "keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie" im §77 Abs5 Z2 sowie der Abs6 und 8 des §77 GewO 1994 idF BGBl. I Nr. 63/1997 von Amts wegen zu prüfen und
· gemäß Art139 Abs1 B-VG beschlossen, die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, von Amts wegen zu prüfen.
3. §77 GewO 1994 lautet (die in Prüfung gezogenen Gesetzesstellen sind hervorgehoben):
"§77. (1) Die Betriebsanlage ist zu genehmigen, wenn nach dem Stand der Technik (§71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zu erwarten ist, daß überhaupt oder bei Einhaltung der erforderlichenfalls vorzuschreibenden bestimmten geeigneten Auflagen die nach den Umständen des Einzelfalles voraussehbaren Gefährdungen im Sinne des §74 Abs2 Z1 vermieden und Belästigungen, Beeinträchtigungen oder nachteilige Einwirkungen im Sinne des §74 Abs2 Z2 bis 5 auf ein zumutbares Maß beschränkt werden. Die nach dem ersten Satz vorzuschreibenden Auflagen haben erforderlichenfalls auch Maßnahmen für den Fall der Unterbrechung des Betriebes und der Auflassung der Anlage und Maßnahmen betreffend Störfälle (§82a) zu umfassen; die Behörde kann weiters zulassen, daß bestimmte Auflagen erst ab einem dem Zeitaufwand der hiefür erforderlichen Maßnahmen entsprechend festzulegenden Zeitpunkt nach Inbetriebnahme der Anlage oder von Teilen der Anlage eingehalten werden müssen, wenn dagegen keine Bedenken vom Standpunkt des Schutzes der im §74 Abs2 umschriebenen Interessen bestehen.
(2) Ob Belästigungen der Nachbarn im Sinne des §74 Abs2 Z2 zumutbar sind, ist danach zu beurteilen, wie sich die durch die Betriebsanlage verursachten Änderungen der tatsächlichen örtlichen Verhältnisse auf ein gesundes, normal empfindendes Kind und auf einen gesunden, normal empfindenden Erwachsenen auswirken.
(3) Die Behörde hat Emissionen von Luftschadstoffen jedenfalls nach dem Stand der Technik zu begrenzen. Die für die zu genehmigende Anlage in Betracht kommenden Bestimmungen einer Verordnung gemäß §10 Immissionsschutzgesetz - Luft (IG-L), BGBl. I Nr. 115, sind anzuwenden. Die Einhaltung der in den Anlagen 1 und 2 zum IG-L oder in einer Verordnung gemäß §3 Abs3 IG-L festgelegten Immissionsgrenzwerte ist anzustreben.
(4) Die Betriebsanlage ist erforderlichenfalls unter Vorschreibung bestimmter geeigneter Auflagen zu genehmigen, wenn die Abfälle (§2 Abfallwirtschaftsgesetz) nach dem Stand der Technik (§71a) vermieden oder verwertet oder, soweit dies wirtschaftlich nicht vertretbar ist, ordnungsgemäß entsorgt werden. Ausgenommen davon sind Betriebsanlagen, soweit deren Abfälle nach Art und Menge mit denen der privaten Haushalte vergleichbar sind.
(5) Für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen im Sinne des §356e Abs1 (Einkaufszentren) müssen auch folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
1. der Standort muß für eine derartige Gesamtanlage gewidmet sein;
2. Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2 dürfen für einen Standort nur genehmigt werden, wenn das Projekt keine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung mit Konsumgütern und Dienstleistungen im Einzugsbereich sowie keine negativen Beschäftigungseffekte im Sinne des Abs7 erwarten läßt.
(6) Eine Gefährdung der Nahversorgung der Bevölkerung ist dann zu erwarten, wenn es infolge der Verwirklichung des Projekts zu erheblichen Nachteilen für die bestehenden Versorgungsstrukturen käme und dadurch der Bevölkerung die Erlangung von Konsumgütern und Dienstleistungen erschwert würde. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten hat in einer Verordnung hiefür die entsprechenden Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe unter Zugrundelegung anerkannter branchenbezogener Erfahrungswerte nach Anhörung der Wirtschaftskammer Österreich und der Bundeskammer für Arbeiter und Angestellte zu erlassen.
(7) Negative Beschäftigungseffekte liegen dann vor, wenn im Einzugsgebiet des Projekts der zu erwartende Zuwachs an Gesamtarbeitsstunden geringer wäre als der zu erwartende Verlust an Gesamtarbeitsstunden in den bestehenden Betrieben.
(8) Die Absätze 5 bis 7 gelten nicht für Projekte in einem Stadt- oder Ortskerngebiet."
4. Die Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über Kenngrößen und Beurteilungsmaßstäbe für die Genehmigung von Anlagen für Betriebe des Handels sowie von ausschließlich oder überwiegend für Handelsbetriebe vorgesehenen Gesamtanlagen (Einkaufszentren-Verordnung), BGBl. II Nr. 69/1998, im folgenden EKZ-VO, hat folgenden Wortlaut:
"Auf Grund des §77 Abs6 der Gewerbeordnung 1994, BGBl. Nr. 194, zuletzt geändert durch das Bundesgesetz BGBl. I Nr. 30/1998, wird verordnet:
§1. (1) Diese Verordnung gilt, sofern Abs2 nicht anderes bestimmt, für Projekte von Betriebsanlagen mit einer Gesamtverkaufsfläche von mehr als 800 m2 oder einer Bruttogeschoßfläche von mehr als 1 000 m2.
(2) Nicht unter diese Verordnung fallen Projekte für Betriebsanlagen, die ausschließlich dem Verkauf der in der Anlage 1 zu dieser Verordnung genannten Waren zu dienen bestimmt sind.
§2. Erhebliche Nachteile für die bestehenden Versorgungsstrukturen im Sinne des §77 Abs6 GewO 1994 sind zu erwarten, wenn der prognostizierte Umsatz (§3 Abs1) einer unter §1 Abs1 fallenden Betriebsanlage, bzw. im Fall des §4 eines der Handelsbereiche einer solchen Betriebsanlage, 5% des einzelhandelsrelevanten Umsatzpotentials (§3 Abs2) im Einzugsgebiet des Projekts (§3 Abs4) übersteigt.
§3. (1) Der prognostizierte Umsatz im Sinne des §2 ergibt sich aus einer Multiplikation der vom Genehmigungswerber in seinem Genehmigungsantrag angeführten Verkaufsfläche mit der entsprechenden branchen- und größenspezifischen Durchschnitts-Umsatzleistung (Quadratmeterumsätze nach Handelsbranchen) nach der Anlage 2.
(2) Das einzelhandelsrelevante Umsatzpotential im Sinne des §2 ergibt sich, sofern Abs3 nicht anderes bestimmt, aus einer Multiplikation der aus der Anlage 3 ersichtlichen durchschnittlichen einzelhandelsrelevanten Bruttoumsätze je Einwohner mit der Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet (Abs4) des Projekts.
(3) Bei Projekten für Betriebsanlagen gemäß §1 Abs1, in denen Waren der Branchengruppen Nahrungs- und Genußmittel (ausgenommen Tabak), Textilwaren und Bekleidung und bzw. oder Schuhe verkauft werden sollen, muß bei der Berechnung gemäß Abs2 der Anzahl der Einwohner im Einzugsgebiet des Projekts jeweils die Anzahl der Gäste (§5 Abs1 des Meldegesetzes 1991, BGBl. Nr. 9/1992) im Jahresdurchschnitt (Zahl der Gästenächtigungen im Einzugsgebiet geteilt durch 365) hinzugezählt werden.
(4) Einzugsgebiet des Projekts im Sinne dieser Verordnung ist jener örtliche Bereich, von dem aus die Betriebsanlage gemäß §1 Abs1 mit einem Personenkraftwagen bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb von zehn Minuten erreichbar ist.
§4. Betrifft ein Anlagenprojekt unterschiedliche Handelsbereiche (zB Bücher-, Uhren-, Textilhandel), so ist jeder dieser Handelsbereiche gesondert zu prüfen. Zu diesem Zweck muß der Genehmigungswerber dem Genehmigungsansuchen eine genaue Aufstellung beilegen, aus der hervorgeht, welcher Teil der Verkaufsfläche dem Verkauf welcher Waren(gruppe) dienen soll.
Anlage 1(§1 Abs2)
Waren gemäß §1 Abs2
1.
Campingartikel
2.
Kraftfahrzeuge
3.
Kraftfahrzeugzubehör
4.
Landmaschinen
Anlage 2
(§3 Abs1)
Quadratmeterumsätze nach Handelsbranchen
-------------------------------------------------
durchschnittlicher Umsatz Schilling
-----------------------------------------------------------------
Autozubehör 20 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Baumärkte Heimwerkermärkte Heimwerkergeschäfte
-----------------------------------------------------------------
Bau- und
Heimwerkerhandel 24 000 40 000 30 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
größere Fach- und Diskontgeschäfte in
nichtzentraler Lage
-----------------------------------------------------------------
Buchhandel 70 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Drogeriemärkte übrige Drogerien und
Parfümerien
-----------------------------------------------------------------
Drogerie- und
Parfümeriehandel 55 000 57 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
großer mittlerer kleiner
Elektroeinzel- Elektroeinzel- Elektroeinzel-
handel handel handel
-----------------------------------------------------------------
Elektroeinzelhandel 126 000 44 000 42 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Supermärkte Verbraucher- Verbraucher-
(400 bis märkte märkte
1 000 m2) bis 2 500 m2 ab 2 500 m2
-----------------------------------------------------------------
Lebensmittel 60 000 65 000 58 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
klassisches Einrich- Möbelab- Möbelsorti-
Möbelfach- tungshäuser holmärkte menter und
geschäft Wohnstudios
-----------------------------------------------------------------
Möbelhandel 28 000 21 000 16 000 65 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
kombinierte nichtfiliali-
filialisierte Optik-Outlets- sierte Optik-
Optiker Optikanteil Fachgeschäfte
-----------------------------------------------------------------
Optikhandel 90 000 100 000 65 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Fachhändler Diskonter
-----------------------------------------------------------------
Papier- und
Schreibwarenhandel 50 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Fachgeschäfte Schuhfachmärkte
-----------------------------------------------------------------
Schuhhandel 39 000 20 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Spielwarenhandel Spielwarenhandel
"klein" "groß"
-----------------------------------------------------------------
Spielwarenhandel 22 000 32 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
großflächige mittelgroße Spezial-
Sportmärkte "all round" geschäfte
(über 2 000 m2) Fachgeschäfte für einzelne
Sportarten
-----------------------------------------------------------------
Sportartikel 54 000 44 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Beklei- Beklei-
dungs- dungs-
fach- fach-
märkte geschäfte Boutiquen Kaufhäuser
-----------------------------------------------------------------
Bekleidungshandel 41 000 47 000 49 000 45 000
-----------------------------------------------------------------
-------------------------------------------------
Durchschnitt der Filialisten
-----------------------------------------------------------------
Uhren- und
Schmuckwaren 133 000
-----------------------------------------------------------------
Anlage 3
(§3 Abs2 und 3)
Durchschnittliche einzelhandelsrelevante Bruttoumsätze je
Einwohner in Schilling
-----------------------------------------------------------------
Bruttoumsatz
Branche je Einwohner
in Schilling
-----------------------------------------------------------------
Nahrungs- und Genußmittel (ausgenommen Tabak) 18 565
-----------------------------------------------------------------
Textilwaren und Bekleidung 6 315
-----------------------------------------------------------------
Schuhe 1 621
-----------------------------------------------------------------
Leder- und Lederersatzwaren 164
-----------------------------------------------------------------
kosmetische Erzeugnisse, Wasch-, Reinigungs-,
Putzmittel und Chemikalien 2 829
-----------------------------------------------------------------
Möbel und Heimtextilien 5 687
-----------------------------------------------------------------
Metallwaren, Haushalts- und Küchengeräte, Glas-
und Keramikwaren 1 352
-----------------------------------------------------------------
Gummi- und Kunststoffwaren (einschließlich
Fußbodenbeläge) 92
-----------------------------------------------------------------
Näh-, Strick- und Büromaschinen 582
-----------------------------------------------------------------
Optische und feinmechanische Erzeugnisse 1 169
-----------------------------------------------------------------
elektrotechnische Erzeugnisse 2 528
-----------------------------------------------------------------
Papier- und Schreibwaren, Büro- und Schulbedarf 374
-----------------------------------------------------------------
Bücher, Zeitungen, Zeitschriften und Musikalien 1 368
-----------------------------------------------------------------
Uhren- und Schmuckwaren 790
-----------------------------------------------------------------
Spielwaren, Sportartikel und Musikinstrumente 1 537
-----------------------------------------------------------------
Brennstoffe 1 386
-----------------------------------------------------------------
Blumen und Pflanzen 567
-----------------------------------------------------------------
kein ausgeprägter Schwerpunkt 4 348
-----------------------------------------------------------------
übrige Waren 836
--------------------------------------------------------------"
II. 1. Im Prüfungsbeschluß ging der Verfassungsgerichtshof vorläufig davon aus,
· daß die belangte Behörde im Anlaßbeschwerdeverfahren sowohl §77 Abs5 Z2 erster Fall und §77 Abs6 GewO 1994 (Gefährdung der Nahversorgung) als auch die aufgrund des §77 Abs6 GewO 1994 erlassene EKZ-VO angewendet hat und daß daher auch der Verfassungsgerichtshof die genannten Rechtsvorschriften bei der Entscheidung über die Beschwerde anzuwenden hätte und
· daß der Anwendungsbereich des §77 Abs5 Z2 erster Satz GewO 1994 nur im Zusammenhang mit §77 Abs8 GewO 1994 zu ermitteln ist, sodaß der Verfassungsgerichtshof bei seiner Entscheidung auch §77 Abs8 GewO 1994 anzuwenden hätte.
2. Die Anlaßbeschwerde ist zulässig. Weder die Bundesregierung noch der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten sind den unter II.1. dargestellten vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofs entgegengetreten. Das Verfahren hat auch keinen Anhaltspunkt dafür ergeben, daß die dargestellten Annahmen des Verfassungsgerichtshofs nicht zutreffen. Sowohl das Gesetzesprüfungsverfahren als auch das Verordnungsprüfungsverfahren sind daher zulässig.
III. 1.1. Mit dem zu V66/98
protokollierten Antrag begehrt die WBN Ges.m.b.H. unter Berufung auf Art139 B-VG, der "Verfassungsgerichtshof wolle
-
die Einkaufszentren-Verordnung, BGBl. II 69/1998, zur Gänze
in eventu
-
§1 Abs2 der EKZ-VO iVm Anlage 1 sowie die in Anlage 2 enthaltenen Handelsbranchen Autozubehör, Bau- und Heimwerkerhandel, Elektrohandel, Möbelhandel, Optikhandel, Schuhhandel, Spielwarenhandel, Sportartikel, Bekleidungshandel sowie Uhren- und Schmuckwaren samt den für diese normierten Quadratmeterumsätzen sowie die in Anlage 3 genannten Branchen Textilwaren und Bekleidung, Schuhe, Leder- und Lederersatzwaren, Möbel- und Heimtextilien, Metallwaren, Haushalts- und Küchengeräte, Glas- und Keramikwaren, Gummi- und Kunststoffwaren (einschließlich Fußbodenbeläge), Näh-, Strick- und Büromaschinen, Optische und feinmechanische Erzeugnisse, Uhren- und Schmuckwaren, Spielwaren, Sportartikel und Musikinstrumente, Blumen und Pflanzen sowie 'Waren ohne ausgeprägten Schwerpunkt' und 'übrige Waren' samt den für diese vorgesehenen Bruttoumsätzen je Einwohner in Schilling
und/oder
-
§3 Abs4 EKZ-VO
wegen fehlender gesetzlicher Deckung sowie wegen Verletzung des aus dem Gleichheitssatz erfließenden Sachlichkeitsgebots und der Freiheit der Erwerbsbetätigung als gesetz- (verfassungs-)widrig aufheben und den Bund als Rechtsträger der verordnungserlassenden Behörde zum Kostenersatz verpflichten".
1.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die antragstellende Gesellschaft beabsichtige, im Gemeindegebiet von Kittsee den "Inter-City-Park Kittsee" zu errichten und zu betreiben. Dieser Park werde Büroeinheiten, Forschungs- und Entwicklungszentren, technologieintensive Produktionsbetriebe und Großhandelsbetriebe, im besonderen ein Einkaufszentrum, umfassen. Der erste Projektsabschnitt, der eine Sogwirkung für die weiteren Ansiedlungen entfalten werde, werde in der Errichtung dieses Einkaufszentrums ("Einkaufs-City") bestehen. Zu diesem Zweck seien Grundstücke erworben worden, welche die Widmung Bauland-gemischtes Baugebiet aufweisen. Mit Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 21. Jänner 1994 sei gemäß §14d Abs3 des Burgenländischen Raumplanungsgesetzes die raumordnungsrechtliche Projektbewilligung zur Errichtung dieses Einkaufszentrums mit einer Gesamtnettoverkaufsfläche von
12.930 m2 erteilt worden. Dieses Einkaufszentrum werde projektgemäß - neben kleineren Verkaufseinheiten - einen Elektromarkt, einen SB-Markt für Lebensmittel und ein Textilkaufhaus umfassen. Das Projekt Inter-City-Park Kittsee stehe in einem untrennbaren Zusammenhang mit der zwischen Österreich und der Slowakei vereinbarten Schaffung eines neuen Grenzüberganges Kittsee und - damit verbunden - der neuen, zu diesem führenden Umfahrungsstraße Kittsee, an welcher der Park liegen werde. Die bisher erwachsenen Kosten für die erste Projektstufe (Einkaufszentrum) beliefen sich nach den Angaben der antragstellenden Gesellschaft auf rund 50 Mio. Schilling.
Der nächste Schritt bestünde in der Einleitung des Baubewilligungs- sowie des gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens. Die Erwirkung der Baubewilligung wäre unschwer möglich. Aufgrund einer unter Zugrundelegung der in der EKZ-VO enthaltenen Berechnungsgrößen durchgeführten Berechnung ergäben sich für die einzelnen Branchen folgende maximale Verkaufsflächen: Elektromarkt: 4,82 und 9,02 m2; SB-Markt (Lebensmittel): 144,03 m2; Textilkaufhaus:
69,31 m2.
Die Verkaufsflächen mit einem derart geringen Umfang würden keinen einzigen Handelsgewerbetreibenden zur Niederlassung im EKZ des Wirtschaftsparks Kittsee veranlassen.
Das Projekt sehe demgegenüber vor: einen Elektromarkt mit ca.
1.950 m2 Verkaufsfläche, einen SB-Markt mit 4.420 m2 Verkaufsfläche und ein Textilkaufhaus mit 1.385 m2 Verkaufsfläche sowie verschiedene weitere Handelsbetriebe.
Durch die Erlassung der EKZ-VO würde die Realisierung des lange verfolgten EKZ-Projektes im Rahmen des Wirtschaftsparks Kittsee somit chancenlos. Der in Aussicht genommene Standort des Einkaufszentrums befinde sich außerhalb eines Stadt- oder Ortskerngebietes im Sinne des §77 Abs8 GewO 1994.
Folgende Voraussetzungen eines Individualantrages müßten im Einzelfall erfüllt sein (zB VfSlg 13635/1993):
1. Es müsse ein Eingriff in eine rechtlich geschützte Position vorliegen,
2. dieser Eingriff müsse durch die Norm (hier: Verordnung) eindeutig bestimmt sein (Bestimmtheit nach Art und Umfang),
3. die antragstellende Gesellschaft dürfe nicht nur potentiell, sondern müsse aktuell betroffen sein und
4. es dürfe kein anderer zumutbarer Weg zur Abwehr des Eingriffs zur Verfügung stehen.
Zum Eingriff in eine rechtlich geschützte Position führt der Antrag aus:
Die antragstellende Gesellschaft sei Eigentümerin der für das Projekt in Aussicht genommenen Parzelle 1742, inneliegend der Liegenschaft EZ 2285, Grundbuch 32012 Kittsee. Die Verordnung greife daher in ihr Eigentumsrecht ein. Die Genehmigung eines Einkaufszentrums werde durch diese Verordnung an weitere (Nah-)Versorgungsgründe gebunden (Bindung der Erteilung der Genehmigung an weitere, in den §§1-4 der Verordnung samt Anlagen umschriebene Genehmigungsvoraussetzungen), sodaß in die Freiheit der Erwerbsbetätigung und in das Recht zur Errichtung einer Betriebsanlage eingegriffen werde. Aber auch die Bindung des Betriebes eines Einkaufszentrums an die in §4 der Verordnung grundgelegte Aufstellung (fixe Quadratmeteraufteilung) greife in die Erwerbs(ausübungs-)freiheit und in das Eigentumsrecht ein.
Zur Bestimmtheit dieses Eingriffs nach Art und Umfang bringt der Antrag vor:
Zum Zugangskriterium der Bestimmtheit dieses Rechtseingriffs ist auszuführen, daß die EKZ-VO den Versagungsgrund der Gefährdung der Nahversorgung (§77 Abs5 Z2 iVm Abs6 GewO) in der Präzision eines Rechenexempels definiere: Die maximale Umsatzabschöpfungsquote werde mit 5% festgelegt, der Quadratmeterumsatz je Handelsbranche eindeutig normiert. Auf den jeweiligen Standort bezogen lasse sich das Einzugsgebiet simpel ermitteln, daher auch eine bestimmte Einwohnerzahl. Für einen Antragsteller, der - wie gegenständlich - ein Projekt betreiben wolle, das über der Umsatzabschöpfungsquote von 5 % liegt, ergebe sich damit die Unzulässigkeit seines Vorhabens gleich einem Rechenergebnis. Ebenso sei es ihm unmöglich, die Quadratmeteraufteilung nach §4 EKZ-VO im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren abwehren zu wollen. Die EKZ-VO bewirke also, daß ein EKZ nur im Rahmen eindeutig ermittelbarer Verkaufsflächen(größen) und im Korsett des §4 der Verordnung errichtet und betrieben werden dürfe.
Zur Aktualität des Eingriffs bringt der Antrag vor:
Die antragstellende Gesellschaft habe die dem EKZ dienenden Grundparzellen sukzessive aufgekauft. Sodann habe sie ein Projekt ausgearbeitet, welches bei der Burgenländischen Landesregierung zur Erteilung der raumordnungsrechtlichen Einkaufszentrenbewilligung vorgelegt wurde. In weiterer Folge sei diese Bewilligung erteilt worden. Sodann sei die Aufschließung des Geländes vorangetrieben worden und es seien Interessenten für die Bestandobjekte im EKZ gesucht und auch gefunden worden. Schließlich sei eine Bauplanung beauftragt und erarbeitet worden. Die antragstellende Gesellschaft befinde sich also mitten in der Projektverfolgung. Der durch die EKZ-VO bewirkte Rechtseingriff sei also aktuell.
Zur Frage der Umwegs(un)zumutbarkeit führt der Antrag aus:
Aber auch die Unzumutbarkeit der Einleitung eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens liege nach Auffassung der antragstellenden Gesellschaft vor. Denn es müßte der ergänzende Planungsaufwand für ein gewerberechtlich genehmigungsfähiges Projekt - dieser (§353 GewO) liege erheblich über jenem, den der Verfassungsgerichtshof in seiner Judikatur zur Anfechtung von Flächenwidmungsplänen als unzumutbar angesehen habe - ebenso in Kauf genommen werden wie die mit der Einleitung und Führung eines letztlich aussichtslosen gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens verbundene Verzögerung; dies alles ausschließlich deshalb, um die gegen die Verordnung obwaltenden Normbedenken an den Verfassungsgerichtshof herantragen zu können. Das in §358 Abs1 GewO vorgesehene Feststellungsverfahren komme nicht in Betracht, da in diesem nur die Frage der Genehmigungspflicht zu prüfen sei, wogegen §77 Abs5 bis 8 GewO und die EKZ-VO lediglich ergänzende Genehmigungsvoraussetzungen normieren. Ein Verfahren nach §358 Abs1 GewO sei daher nicht präjudiziell (anders die baupolizeilichen Bauplatzbewilligungsverfahren - zB VfGH, Beschluß vom 2. Dezember 1985, V64/83 -, bei denen sehr wohl Präjudizialität gegeben sei).
Entscheidend sei somit die vollkommene Aussichtslosigkeit eines entsprechenden Antrags (VfSlg 9361/1982, 9721/1983 und 11743/1988). Es stehe fest, daß das Projekt aufgrund der EKZ-VO nicht die geringste Realisierungschance habe. Dies ergebe sich unabänderlich aus der Verordnung selbst. Die Verordnung lasse der Genehmigungsbehörde auch kein Ermessen. Das präsumtive - aus der Sicht der antragstellenden Gesellschaft negative - Verfahrensergebnis stehe bereits ex ante fest.
Zusammenfassend liege also ein eindeutig bestimmter, aktueller Rechtseingriff durch die EKZ-VO vor, wobei ein zumutbarer Umweg zur Abwehr des Eingriffs nicht zur Verfügung stehe. Die antragstellende Gesellschaft vermeine daher, zur Antragstellung in Bezug auf die EKZ-VO auch ohne Durchlaufen eines Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens legitimiert zu sein.
1.3. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten erstattete eine Äußerung, in der er beantragt, den Antrag mangels Legitimation der antragstellenden Gesellschaft zurückzuweisen, in eventu die angefochtene EKZ-VO bzw. die angefochtenen Bestimmungen dieser Verordnung nicht als gesetzwidrig aufzuheben.
2.1. Mit dem zu V68/98 protokollierten Antrag begehrt die B Gesellschaft m.b.H. Industrie- und Gewerbezentrum Parndorf, die EKZ-VO in dem in Punkt 1.1. umschriebenen Umfang aufzuheben.
2.2. Zur Zulässigkeit des Individualantrages führt die antragstellende Gesellschaft aus:
Die B Ges.m.b.H betreibe auf den Grundstücken Nr. 2385/21, 2385/22, 2385/32 und 2385/38, KG Parndorf, ein Factory Outlet Center (= ein Einkaufszentrum), für welches unter anderem eine aufrechte Betriebsanlagengenehmigung bestehe. Vom Betriebsanlagenkonsens sei ein nordwestlich des beschriebenen Einkaufszentrums auf Grundparzelle 2385/15, KG Parndorf - diese befinde sich im Eigentum der antragstellenden Gesellschaft - zu liegen kommendes L-förmiges Gebäude umfaßt, worin die zweite Stufe des Factory Outlet Centers realisiert werden solle.
Zwischen diesen Gebäuden befinde sich die Parzelle 2385/36 KG Parndorf, auf welchem die Eigentümerin, F ges.m.b.H einen Textilfachmarkt betreibe. Für dieses Grundstück bestehe eine Bewilligung gemäß §14d Burgenländisches Raumplanungsgesetz als Einkaufszentrum.
Die antragstellende Gesellschaft habe die Absicht, das Einkaufszentrum Factory Outlet Center um das sogenannte "L-Gebäude" unter Einschluß der Betriebsanlage der Fashion Factory zu erweitern. Dabei solle auch die Betriebsanlage der Fashion Factory erweitert werden. Mit Vereinbarung vom 16. Dezember 1997 habe die antragstellende Gesellschaft 99% der Geschäftsanteile an der F ges.m.b.H erworben - 1% der Geschäftsanteile halte die in Luxemburg domizilierte Europa Holding der antragstellenden Gesellschaft.
Nach Einbringung des Individualantrages sei es zu einer Übernahme der Fashion Factory Modeverkaufsges.m.b.H durch die antragstellende Gesellschaft gekommen. Sie habe eine Vereinigung der beiden Grundparzellen 2385/15 und 2385/36 eingeleitet.
Das gesamte Erweiterungsprojekt solle eine Nettonutzfläche (Verkaufsfläche) von 11.617,47 m2 umfassen. Von der antragstellenden Gesellschaft werde folgendes "Mieter-Mix" erwartet:
60% = 6.970,48 m2 Textilhandel
25% = 2.904,36 m2 Schuhe und Leder