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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §10;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des Bürgermeisters der Marktgemeinde Deutsch Kaltenbrunn in Deutsch Kaltenbrunn, vertreten durch Dax - Klepeisz - Klimburg - Schuszter Rechtsanwaltspartnerschaft GmbH in 7540 Güssing, Europastraße 1, gegen den Bescheid der Burgenländischen Landesregierung vom 26. Februar 2002, Zl. 2-GI-G3061/5-2002, betreffend Reklamationsverfahren nach § 17 Abs. 2 Z. 2 Meldegesetz (mitbeteiligte Parteien: 1. Bürgermeister der Gemeinde Rauchwart, 2. Maria Schmaldienst in 7572 Deutsch Kaltenbrunn 267), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die 1906 geborene, verwitwete Zweitmitbeteiligte ist Pensionistin. Nach der mit dem Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters vorgelegten Wohnsitzerklärung verbringe sie in der Hauptwohnsitzgemeine Rauchenwart 65 Tage des Jahres, in der Nebenwohnsitzgemeinde des Beschwerdeführers 300 Tage des Jahres. Diese Wohnsitzerklärung ist mit einer unleserlichen Unterschrift mit dem Zusatz "iA" unterfertigt. Verbunden mit dem Antrag war die Erklärung des Beschwerdeführers, die Zweitmitbeteiligte lebe in Untermiete mit weiteren Mitbewohnern im Hause des N. Dort werde eine ständige medizinische Altenbetreuung durch geschulte Personen von den Angehörigen der Hausinsassen bereitgestellt. Angeschlossen war dem Antrag eine "Bestätigung zur Wohnsitzerklärung", die vom Beschwerdeführer und vom Unterkunftgeber N. unterfertigt worden war. Darin wird ausgeführt:
"Das Original der Wohnsitzerklärung wurde zur Ergänzung der noch fehlenden Rubriken an den Unterkunftgeber, Herrn N., 7572 Deutsch Kaltenbrunn 267, zur Weiterleitung an die betreffende Person übermittelt.
Nach ausreichender Frist von mindestens drei bis vier Wochen war es nicht möglich von der betreffenden Person die Originalwohnsitzerklärung wieder zurückzubekommen, sodass nur mehr die Kopie von der ursprünglichen Wohnsitzerklärung vorgelegt werden kann. Nach Auskunft von Herrn N. haben die betreffenden Personen angegeben, dass sie bereits bei ihrer Wohnsitzgemeinde eine Wohnsitzerklärung abgegeben hätten. Zusätzlich wird erwähnt, dass die betreffende Person auf ständige Untermiete in seinem Haus wohnt.
Es ist ebenso amtsbekannt, dass sich obige Person ständig in Deutsch Kaltenbrunn 267 aufhält und im Haus auch eine Pflege auf privater Basis in Anspruch nimmt."
Die erstmitbeteiligte Gemeinde erklärte in ihrer Stellungnahme im Reklamationsverfahren, dass die Zweitmitbeteiligte Eigentümerin eines Hauses und von Liegenschaften sei und ihr Naheverhältnis in der Gemeinde Rauchwart durch ihre Familie bestünde. Sie hätte somit zwei Mittelpunkte der Lebensbeziehungen.
Die Zweitmitbeteiligte selbst gab in ihrer Stellungnahme im Reklamationsverfahren an, ihr Sohn hätte von N. eine Wohnung im Ausmaß von 16,88 m2 gemietet. Sie wohne noch im gemeinsamen Haushalt mit ihrem Sohn in Rauchwart 109. Derzeit werde die Wohnung in Rauchwart saniert und aus diesem Grund hätte sie vorübergehend in Deutsch Kaltenbrunn Unterkunft bezogen. An den Wochenenden sowie an Feiertagen halte sie sich abwechselnd in Rauchwart bei ihren vier noch lebenden Kindern auf. Nach Fertigstellung der Sanierungsarbeiten in Rauchwart 109 werde sie dort wieder ständigen Aufenthalt nehmen, da sich ihre wirtschaftlichen und familiären Beziehungen dort befänden.
Mit Schreiben vom 24. Jänner 2002 forderte die belangte Behörde den Beschwerdeführer unter Bezugnahme auf die beiden Stellungnahmen der Mitbeteiligten auf, sich binnen zwei Wochen zu äußern. Einen Hinweis darauf, dass die belangte Behörde die Wohnsitzerklärung als nicht ausreichend ansehen würde, enthielt dieser Vorhalt nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des beschwerdeführenden Bürgermeisters auf Aufhebung des Hauptwohnsitzes der Zweitmitbeteiligten in der Gemeinde des erstmitbeteiligten Bürgermeisters mit der Begründung zurück, dass eine Wohnsitzerklärung der Zweitmitbeteiligten nicht vorgelegt worden sei, weil diese Erklärung nicht die Unterschrift der Zweitmitbeteiligten trage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete - ebenso wie der Erstmitbeteiligte - eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 17 Abs. 3a MeldeG in der Fassung BGBl. I Nr. 28/2001 lautet:
"(3a) Anträge gemäß Abs. 2 Z 2 sind auch ohne Nachweis des Bestehens eines Mittelpunktes der Lebensbeziehungen in dieser Gemeinde zulässig, wenn der Betroffene keine vollständige oder eine in sich widersprüchliche Wohnsitzerklärung abgegeben hat, obwohl er unter Setzung einer Nachfrist auf diese Folge hingewiesen wurde. In Fällen, in denen der Bürgermeister ein Reklamationsverfahren beantragt, nachdem der Betroffene trotz Hinweises auf diese Folge seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Wohnsitzerklärung innerhalb der Nachfrist nicht nachgekommen ist, haben die Bezirksverwaltungs-, Schul-, Kraftfahr- und Finanzbehörden sowie die Träger der Sozialversicherung dem Bürgermeister auf Anfrage alle Hinweise auf das Vorliegen eines Wohnsitzes des Betroffenen, dessen Ehegatten oder Lebensgefährten und dessen minderjährige unverheiratete Kinder mitzuteilen; solche Auskünfte können auch von der zuständigen regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservices eingeholt werden, die zur Auskunftserteilung verpflichtet ist. Dieses Auskunftsrecht kommt dem Bürgermeister auch zu, wenn sich ein Betroffener - trotz Hinweises auf diese Folge - weigert, im Reklamationsverfahren mitzuwirken."
Im Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 2001/05/0209, hat der Verwaltungsgerichtshof klar gelegt, dass der Bürgermeister vor Antragstellung die Wohnsitzerklärung des Betroffenen zu verlangen hat. Der Gesetzgeber gehe davon aus, dass der für die Zulässigkeit eines Antrages gemäß § 17 Abs. 2 Z. 2 MeldeG geforderte Nachweis des Bestehens eines Mittelpunktes der Lebensbeziehungen in der Gemeinde des Betroffenen nur mit der Wohnsitzerklärung nach § 15a leg. cit. erbracht werden könne und nur in den im § 17 Abs. 3a erster Satz MeldeG genannten Fällen von dieser Zulässigkeitsvoraussetzung abgesehen werden könne.
Der Beschwerdeführer hat bei Einleitung des Reklamationsverfahrens eine unvollständige Wohnsitzerklärung vorgelegt und die Gründe der Unvollständigkeit dargetan. Die belangte Behörde hat im Verwaltungsverfahren weder die fehlende Unterschrift der Zweitmitbeteiligten aufgezeigt noch den nunmehrigen Zurückweisungsgrund vorgehalten, dass die Betroffene nicht unter Setzung einer Nachfrist auf die Folgen der Nichtausfüllung hingewiesen worden wäre.
Gemäß § 13 Abs. 3 AVG (in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998) ermächtigen Mängel schriftlicher Anbringen die Behörde nicht zur Zurückweisung, sondern hat die Behörde von Amts wegen deren Behebung zu veranlassen, wobei sie insbesondere dem Einschreiter die Behebung der Mängel mit der Wirkung auftragen kann, dass das Anbringen nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden Frist zurückgewiesen werde.
Nach der hier anzuwendenden Fassung des § 13 Abs. 3 AVG kommt es nicht darauf an, ob die Mängel des gegenständlichen Reklamationsantrages als Formgebrechen oder als inhaltliche Mängel anzusehen sind. Entscheidend ist, dass die belangte Behörde nicht den geringsten Versuch zur Behebung dieser Mängel unternommen hat. Sie hat insbesondere den Beschwerdeführer nicht aufgefordert, einen Nachweis dafür zu erbringen, dass die Wohnsitzerklärung von einer im Sinne des § 10 AVG vertretungsbefugten Person unterfertigt war oder eine anderweitige Genehmigung vorlag, noch ihn angehalten, Nachweise darüber vorzulegen, dass der Zweitmitbeteiligten eine Nachfrist gesetzt worden wäre. Die belangte Behörde war daher zu einer Zurückweisung des Ansuchens des Beschwerdeführers nicht berechtigt.
Mit der Missachtung des § 13 Abs. 3 AVG hat die belangte Behörde Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, zumal der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung (siehe beispielsweise das Erkenntnis vom 25. April 2002, Zl. 2002/05/0186) ausgesprochen hat, dass bei Pensionisten die Kriterien Arbeitsplatz oder Ausbildungsstätte nicht vorlägen, weshalb der angegebenen Aufenthaltsdauer eine besondere Bedeutung zukommt.
Der angefochtene Bescheid war daher in Anwendung des § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Jänner 2003
Schlagworte
AllgemeinEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002050779.X00Im RIS seit
05.06.2003