TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/28 2002/18/0240

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/04 Grenzverkehr;

Norm

PaßG 1992 §14 Abs1Z3 litf;
PaßG 1992 §14 Abs1Z4;
PaßG 1992 §2 Abs1;
SDÜ 1990 Art2 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der D, geboren 1961, vertreten durch Dr. Hannes Paulweber, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 3, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 25. April 2002, Zl. III 4033-41/02, betreffend Entziehung eines Reisepasses und eines Personalausweises, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 25. April 2002 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 15 Abs. 1 iVm § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 sowie § 19 Abs. 2 Passgesetz 1992, BGBl. Nr. 839 (PassG), der am 12. November 1997 von der Bundespolizeidirektion Innsbruck ausgestellte und bis 11. November 2007 gültige Reisepass Nr. C 0258874 und der von derselben Behörde am 24. Juni 1996 ausgestellte, bis 23. Juni 2006 gültige Personalausweis Nr. 5.342.196 entzogen.

Die Versagung bzw. Entziehung eines Reisepasses stelle nach dem Willen des Gesetzgebers eine (vorbeugende) Sicherungsmaßnahme zur Abwendung der Gefahr künftiger (Suchtgift-)Straftaten dar. Wenn eine der in den Z. 3 oder 4 des § 14 Abs. 1 PassG umschriebenen Annahmen gerechtfertigt sei, habe die Behörde das Reisedokument zu entziehen, um dem Betreffenden die Möglichkeit eines legalen Grenzübertritts und damit die Begehung von Tathandlungen im Sinn des geltend gemachten Passentziehungstatbestandes zu nehmen. Ob eine der vom Gesetz geforderten Annahmen gerechtfertigt sei, dürfe nicht anhand von vagen Vermutungen beurteilt werden. Die Behörde müsse vielmehr feststellen, ob bereits eingetretene Tatsachen vorlägen, die diese Annahme rechtfertigten. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes in vergleichbaren Fällen stelle der Handel mit Suchtgift in größeren Mengen eine Tatsache dar, die die Annahme rechtfertige, dass der Passinhaber seinen Reisepass in Hinkunft benützen wolle, um entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift einzuführen oder in Verkehr zu setzen, weshalb durch den Aufenthalt des Passinhabers im Ausland auch die innere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet werde.

Die Beschwerdeführerin sei am 18. Oktober 2001 wegen des Verbrechens gemäß § 28 Abs. 2 Suchtmittelgesetz (SMG) zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass die Beschwerdeführerin am 7. Dezember 2000 ein Suchtgift in einer großen Menge (§ 28 Abs. 6 SMG), nämlich 191 Gramm Heroin (reine Heroinbase: 44,1 Gramm) und 7,3 Gramm Kokaingemisch, von den Niederlanden aus- und in die Bundesrepublik Deutschland eingeführt habe. Die Beschwerdeführerin sei im Auftrag eines namentlich nicht bekannten Drogendealers aus Tirol, bei dem sie etwa S 21.000,-- (EUR 1.526,13) Schulden gehabt habe, am 6. Dezember 2000 nach Utrecht gereist. Dort habe sie 191 Gramm Heroin und 7,3 Gramm eines Kokaingemisches erworben. Dieses Suchtgift habe sie am Körper versteckt als Reisende in einem Zug nach Deutschland gebracht, wo sie von Beamten einer Rauschgiftermittlungsgruppe aufgegriffen worden sei. Als Belohnung für diese Kurierfahrt hätten die Schulden der Beschwerdeführerin getilgt werden sollen. Außerdem hätte sie etwa ein Viertel des geschmuggelten Heroins für den Eigenbedarf erhalten sollen.

Das Fehlverhalten gemäß diesem Urteil sei eine Tatsache im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f und Z. 4 PassG und als solche eine geeignete Grundlage für die Erstellung einer negativen Prognose über das künftige Verhalten der Beschwerdeführerin in Bezug auf Suchtgiftdelikte.

Die Aufnahme einer Entziehungsdauer in den Bescheid sei gesetzlich nicht vorgesehen. Als Mindestdauer werde ein Zeitraum von drei Jahren, als Durchschnittsdauer ein Zeitraum von fünf Jahren angesehen. Genau werde über diesen Zeitraum von der Passbehörde erster Instanz anlässlich der Entscheidung über einen Antrag auf neuerliche Ausstellung eines Reisedokuments entschieden.

Die von der Beschwerdeführerin vorgebrachten Umstände, dass sie am 24. Mai 2002 eine Langzeittherapie erfolgreich abschließen und sich im Anschluss daran einer intensiven Nachbetreuung unterziehen würde, änderten nichts an der jetzt kraft Gesetzes erforderlichen Entziehung der Reisedokumente.

2. Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluss vom 9. Oktober 2002, B 1022/02).

Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt die Beschwerdeführerin, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 14 Abs. 1 PassG sind die Ausstellung, die Erweiterung des Geltungsbereiches und die Änderung eines Reisepasses zu versagen, wenn (Z. 3) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Passwerber den Reisepass benützen will, um (lit. f) entgegen den bestehenden Vorschriften Suchtgift in einer großen Menge zu erzeugen, einzuführen, auszuführen oder in Verkehr zu setzen, oder (Z. 4) Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass durch den Aufenthalt des Passwerbers im Ausland die innere oder äußere Sicherheit der Republik Österreich gefährdet würde.

Nach § 15 Abs. 1 leg. cit. ist ein Reisepass, dessen Gültigkeitsdauer nicht länger als fünf Jahre abgelaufen ist, zu entziehen, wenn nachträglich Tatsachen bekannt werden oder eintreten, die die Versagung der Ausstellung des Reisepasses rechtfertigen.

Gemäß § 19 Abs. 2 leg. cit. sind u.a. auf die Entziehung von Personalausweisen die diesbezüglichen, die gewöhnlichen Reisepässe betreffenden Bestimmungen mit der Maßgabe anzuwenden, dass Entziehungsverfahren auf gültige Personalausweise beschränkt sind.

2.1. Die Beschwerde macht ausschließlich geltend, dass innerhalb des "Schengen-Raumes" Reisefreiheit "ohne das Mitführen von Reisedokumenten vorgesehen" sei. Da die Entziehung von Reisedokumenten somit nicht geeignet sei, den Zweck der Verhinderung der Einreise der Beschwerdeführerin in die Niederlande oder nach Deutschland, in welchen Staaten sie das Suchtgiftdelikt begangen habe, zu verhindern, habe die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auf eine "sinnentleerte" Bestimmung gestützt.

2.2. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.

Auch wenn auf Grund des Art. 2 Abs. 1 des Schengener Durchführungsübereinkommens, BGBl. III Nr. 90/1997, die Binnengrenzen zwischen den Mitgliedstaaten dieses Übereinkommens an jeder Stelle ohne Personenkontrollen überschritten werden dürfen, ändert dies nichts daran, dass gemäß § 2 Abs. 1 PassG österreichische Staatsbürger zur Aus- bzw. Einreise aus dem bzw. in das Bundesgebiet eines gültigen Reisedokuments bedürfen. Die Möglichkeit, von einem Exekutivorgan auf Grund des Verstoßes gegen die Grenzübertrittsvorschriften betreten und hiebei mangels eines Reisedokuments eingehend überprüft zu werden, ist somit auch bei einem Grenzübertritt innerhalb des "Schengen-Raumes" gegeben, sodass der Besitz eines Reisedokuments die Aus- und Einfuhr von Suchtgift nicht unwesentlich erleichtert. (Vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1999, Zl. 99/18/0292.)

3. Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, auf Grund der von der belangten Behörde festgestellten Straftat zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt worden zu sein. Sie hat somit eine gemäß § 28 Abs. 6 SMG u.a. unter Bedachtnahme auf die Eignung, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen, festzusetzende "große Menge" der Suchtgifte Heroin und Kokain von den Niederlanden nach Deutschland eingeführt. Dabei verfolgte sie die Absicht, das Suchtgift in der Folge nach Österreich zu bringen. Im Hinblick auf dieses gravierende Fehlverhalten und das Erfahrungswissen, dass gerade bei einem Delikt gemäß § 28 SMG die Wiederholungsgefahr besonders groß ist, begegnet die Annahme der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin den Reisepass und den Personalausweis zu Handlungen im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 3 lit. f PassG benützen und dadurch die innere Sicherheit der Republik Österreich im Sinn des § 14 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. gefährden würde, keinem Einwand. (Vgl. etwa das - ungeachtet der Bezugnahme auf § 12 Suchtgiftgesetz (der Vorgängerbestimmung des § 28 SMG) - auch hier maßgebliche hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 98/18/0009.)

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 28. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180240.X00

Im RIS seit

08.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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