TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/28 2002/18/0146

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §44;
FrG 1997 §48 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der V, geboren 1973, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 10. August 2001, Zl. SD 714/00, betreffend Aufhebung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 10. August 2001 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin, einer jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 13. August 1999 auf Aufhebung des mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 1999 über sie verhängten Aufenthaltsverbots für die Dauer von fünf Jahren gemäß § 44 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der Antrag der Beschwerdeführerin vom 27. August 1999 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 2 FrG abgewiesen.

Die - allein bekämpfte - Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots begründete die belangte Behörde wie folgt:

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit September 1992 im Bundesgebiet und habe zunächst bis 30. Oktober 1993 Sichtvermerke erhalten. Anschließend sei sie bis 7. März 1995 nur noch zeitweilig mit Touristensichtvermerken nach Österreich gelangt. Am 4. November 1993 habe sie einen österreichischen Staatsbürger geheiratet und daraufhin dreimal die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung beantragt. Sämtliche Anträge seien jedoch rechtskräftig abgewiesen worden.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bezirksgerichtes Tulln vom 12. Jänner 1996 (richtig: 1998) sei die Ehe der Beschwerdeführerin für nichtig erklärt worden. Wie sich aus der Urteilsbegründung ergebe, sei der Zweck der Ehe gewesen, der Beschwerdeführerin die Erlangung einer Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung zu ermöglichen und ihr die Anwartschaft auf den späteren Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu verschaffen. Für das Eingehen dieser "Scheinehe" habe der Ehegatte der Beschwerdeführerin einen Geldbetrag erhalten. Weiters sei festgestellt worden, dass die Beschwerdeführerin über keinerlei Barmittel zur Finanzierung ihres Lebensunterhalts verfügte. Da somit die in § 36 Abs. 2 Z. 7 und Z. 9 FrG normierten Tatbestände verwirklicht gewesen seien, sei mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 15. Juni 1999 ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen worden. Hiebei seien die privaten Lebensumstände der Beschwerdeführerin vollständig berücksichtigt worden.

Nach Erlassung dieses Aufenthaltsverbots sei die Beschwerdeführerin nicht ausgereist, sondern unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Am 11. August 1999 - bei der Erstbehörde eingelangt am 13. August - habe sie die Aufhebung des Aufenthaltsverbots beantragt und dazu vorgebracht, dass sie am 16. Juli 1999 einen Adoptionsvertrag mit einer österreichischen Staatsangehörigen geschlossen hätte. Ihre Annahme an Kindes statt durch diese österreichische Staatsangehörige wäre am 3. Mai 2000 gerichtlich genehmigt worden. Sie wäre daher begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des 4. Hauptstückes des FrG. Weiters habe sie vorgebracht, dass ihre Adoptivmutter S 11.000,-- (EUR 799,40) netto monatlich (14 mal pro Jahr) verdiente. Das Vorliegen der festgestellten Scheinehe hätte sie in Abrede gestellt.

Gemäß § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG seien begünstigte Drittstaatsangehörige Verwandte in absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus sofern ihnen Unterhalt gewährt werde. Da die Beschwerdeführerin das 21. Lebensjahr überschritten habe, wäre sie dann im Sinn des Gemeinschaftsrechts begünstigt, wenn ihr von der Adoptivmutter Unterhalt gewährt würde. Nach der Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften habe die Stellung als begünstigter Drittstaatsangehöriger nicht zur Voraussetzung, dass ein Unterhaltsanspruch bestehe. Es komme vielmehr darauf an, ob tatsächlich Unterhaltsbeiträge geleistet würden. Auch sei es unerheblich, ob diese Unterhaltsbeiträge ausreichend seien, das Existenzminimum zu sichern. Die Wohnungnahme eines begünstigten Angehörigen sei schon dann zulässig, wenn sie von faktischer Unterhaltsgewährung durch den Arbeiternehmer getragen sei. § 47 Abs. 3 Z. 2 FrG sei im Licht dieser Judikatur des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften so zu verstehen, dass es sich dann um einen Angehörigen, dem Unterhalt gewährt werde, handle, wenn der angestrebte Aufenthalt in Österreich durch Unterhaltsgewährung des österreichischen Staatsbürgers getragen werde. Die Eigenschaft eines begünstigten Angehörigen liege aber nicht vor, wenn eine Unterhaltsgewährung durch den österreichischen Staatsangehörigen (faktisch) nicht möglich sei.

Zunächst stehe fest, dass die Beschwerdeführerin dem rechtskräftigen Aufenthaltsverbot bis dato keine Folge geleistet habe und sich nunmehr seit sechs Jahren unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte. Auffallend sei weiters, dass der gegenständliche Adoptionsvertrag nur wenige Wochen nach rechtskräftiger Erlassung des Aufenthaltsverbots geschlossen worden sei, obwohl die Beschwerdeführerin in der vorangegangenen Berufung eine beabsichtigte Adoption mit keinem Wort erwähnt habe.

Aus dem Adoptionsakt des Bezirksgerichtes Floridsdorf ergebe sich allerdings, dass die Beschwerdeführerin im Verfahren zur Bewilligung ihrer Adoption mehrfach falsche Angaben gemacht habe. Nicht nur, dass sie dort ausgeführt habe, seit 1991 im Bundesgebiet zu sein, obwohl sie erst am 27. September 1992 eingereist sei, habe sie das Gericht bewusst über die festgestellte Nichtigkeit ihrer zweiten Ehe getäuscht, indem sie immer nur von der Scheidung dieser Ehe gesprochen habe. Deshalb sei sie vom Gericht auch aufgefordert worden, eine Scheidungsurkunde vorzulegen. Dass sie dies unterlassen habe, habe das Gericht jedoch nicht aufgegriffen. Weiters habe die Beschwerdeführerin vor dem Gericht angegeben, von ihrer Einreise bis zur Heirat bei ihrer nunmehrigen Adoptivmutter gewohnt zu haben. Tatsächlich sei sie jedoch während dieser Zeit an einer anderen Adresse als ihre nunmehrige Adoptivmutter gemeldet gewesen. Ebenso wahrheitswidrig erweise sich die im Adoptionsverfahren aufgestellte Behauptung, die Beschwerdeführerin sei nach ihrer "Scheidung" wieder zur nunmehrigen Adoptivmutter gezogen. Noch bei ihrer Anhaltung am 28. Februar 1999 sei sie nämlich an einer anderen Adresse als der ihrer Adoptivmutter wohnhaft gewesen. Erst während des Adoptionsverfahrens habe sie sich an der Adresse der Adoptivmutter polizeilich gemeldet. Bei der niederschriftlichen Vernehmung im vorliegenden Verfahren am 12. April 2001 habe die Adoptivmutter angegeben, dass die Beschwerdeführerin erst seit Beginn des Adoptionsverfahrens bei ihr wohnte. Warum sie gegenteilige Aussagen beim Bezirksgericht gemacht hätte, wüsste sie nicht. Es scheine wohl zweifelhaft, ob das Bezirksgericht bei Kenntnis der wahren Lebensumstände der Beschwerdeführerin zur Feststellung gelangt wäre, zwischen der Beschwerdeführerin und der nunmehrigen Adoptivmutter bestehe "seit mehreren Jahren ein Verhältnis wie zwischen leiblicher Mutter und leiblicher Tochter". Bei der genannten niederschriftlichen Vernehmung habe die Adoptivmutter weiter angegeben, die Beschwerdeführerin deshalb zu kennen, weil sie in Jugoslawien in einem Nachbardorf gelebt hätte. Der Vater der Beschwerdeführerin wäre immer zur ihr gekommen, um zu schlachten. Bei diesen Gelegenheiten wäre die Beschwerdeführerin mitgekommen. Dies decke sich zwar im Groben mit dem diesbezüglichen Vorbringen im Adoptionsverfahren, sei aber dennoch unglaubwürdig. Die Adoptivmutter habe nämlich bei der genannten niederschriftlichen Vernehmung angegeben, seit nunmehr 31 Jahren in Österreich zu leben. Angesprochen auf die Diskrepanz zum Geburtsdatum der Beschwerdeführerin - vor 31 Jahren sei die Beschwerdeführerin noch nicht geboren gewesen - habe die Adoptivmutter ausgeführt, dass sie die Beschwerdeführerin doch erst bei Besuchen ihres Vaters in Jugoslawien kennen gelernt hätte. Den Namen der Eltern der Beschwerdeführerin habe sie nicht nennen können. Im Hinblick auf die vorgenannten unrichtigen Angaben habe die Behörde auch diesen Behauptungen der Adoptivmutter mangels lebensnaher Nachvollziehbarkeit keinen Glauben schenken können. Es sei nicht nachvollziehbar, dass jemand, der einen anderen an Kindes statt annehme, unter Zugrundelegung der Behauptung, zu diesem ein zwischen Eltern und Kindern gleichwertiges Verhältnis zu haben, nicht im Stand sei, den Namen der Eltern des anzunehmenden Kindes zu nennen. Ebenso wenig erscheine es erklärlich, dass die Adoptivmutter vom rechtskräftigen Aufenthaltsverbot der Beschwerdeführerin nichts gewusst habe (oder vorgegeben habe, nichts zu wissen). Die Zeugin habe den Eindruck hinterlassen, der Beschwerdeführerin unter allen Umständen behilflich sein zu wollen. Dies werde letztlich durch folgende Aussage in der genannten Niederschrift erhärtet: "Ich weiss, was ein Aufenthaltsverbot ist. Ich wusste nicht, dass Vesna eines hat. Sie kam nur eines Tages zu mir und ersuchte mich, sie zu adoptieren. Sie hat gehört, dass sie dann Papiere zum Arbeiten bekäme. Ich habe gewusst, dass sie nicht arbeiten darf und dass sie kein Visum hatte. Ich weiss auch, dass sie deswegen einmal in Haft war. So habe ich mich entschlossen, ihr zu helfen. Sie hat mir versprochen, mir auch zu helfen (z.B. im Krankheitsfalle), wenn ich dies bräuchte. So haben wir dann den Adoptionsvertrag geschlossen."

Bei einer polizeilichen Erhebung an der (zumindest nach den Meldedaten) gemeinsamen Anschrift der Beschwerdeführerin und ihrer Adoptivmutter hätten beide Frauen nicht angetroffen werden können. Der dort angetroffene Lebensgefährte der Adoptivmutter habe den einschreitenden Beamten gegenüber angegeben, dass die Beschwerdeführerin an dieser Anschrift nicht wohnhaft oder aufhältig wäre. Er könnte auch nicht sagen, wo sie derzeit wohnte. Zuletzt hätte er sie vor ein bis zwei Wochen gesehen. Mit diesen Aussagen konfrontiert, habe die Adoptivmutter zur Protokoll gegeben: "Dazu gebe ich an, dass Zivkov (der Lebensgefährte) sehr nervös ist und beide viel weg sind und sich daher nicht oft sehen. Trotz der Unglaubwürdigkeit meiner Aussagen bleibe ich dabei."

Weiters habe sie ausgesagt, dass die Beschwerdeführerin deshalb nicht zu Hause gewesen wäre, weil sie bei einem Freund genächtigt hätte. Wer dieser Freund wäre und wo er wohnte, wüsste sie jedoch nicht. Die Beschwerdeführerin wohnte jedoch schon bei ihr. Die vor dem Einvernahmezimmer wartende Beschwerdeführerin sei dann in Gegenwart der Adoptivmutter gefragt worden, ob sie einen eigenen Wohnungsschlüssel besitze. Dies habe sie mit dem Hinweis verneint, dass ja die Adoptivmutter einen Schlüssel hätte.

In Anbetracht dieser Umstände sei der Behauptung der Beschwerdeführerin, sie lebte im Haushalt ihrer Adoptivmutter, jede Glaubwürdigkeit abzusprechen. Die Aussage des Herrn Zivkov habe durch die einvernommene Adoptivmutter weder hinreichend erklärt noch in ihrem wesentlichen Gehalt entkräftet werden können. Die - unvorbereitete - Angabe dieses Zeugen, dass die Beschwerdeführerin nicht bei der Adoptivmutter wohne, sei durch den Hinweis auf die Nervosität und darauf, dass "beide viel weg sind", nicht relativierbar. Auch sei es mit der Erfahrung des täglichen Lebens nicht vereinbar, dass die erwachsene Beschwerdeführerin zu der angeblich von ihr bewohnten Wohnung keinen Schlüssel besitze. Unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin und die Adoptivmutter schon vor dem Bezirksgericht unwahre Angaben über das Zusammenleben gemacht hätten, gelange die Behörde insgesamt zu dem Schluss, dass die Beschwerdeführerin in Wahrheit nicht bei ihrer Adoptivmutter wohne, sondern solches nur vorgetäuscht werde. Dies bedeute auch, dass der Beschwerdeführerin in Wahrheit kein faktischer Unterhalt gewährt werde. Die Beschwerdeführerin sei daher nicht begünstigte Drittstaatsangehörige im Sinn des Gemeinschaftsrechts.

Unter diesen Voraussetzungen könne keinesfalls davon gesprochen werden, dass die in § 36 Abs. 1 FrG normierte Annahme nicht mehr gerechtfertigt sei. Durch den langjährigen unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet, durch die von ihr eingegangene Scheinehe und die nach wie vor gegebene Mittellosigkeit (über einen durchsetzbaren Rechtsanspruch auf Gewährung der erforderlichen Unterhaltsmittel verfüge die Beschwerdeführerin nach der Aktenlage nicht) würden die öffentlichen Interessen an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens nach wie vor nachhaltig gefährdet.

Selbst unter der Annahme, dass die Beschwerdeführerin tatsächlich begünstigte Drittstaatsangehörige wäre, würden die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Sinn des § 48 Abs. 1 FrG gegeben sein. Die von der Beschwerdeführerin ausgehende Gefahr für die öffentliche Ordnung wäre aus folgenden Gründen als schwerwiegend zu betrachten:

Zwar sei der unrechtmäßige Aufenthalt eines begünstigten Drittstaatsangehörigen für sich allein nicht geeignet, die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots zu rechtfertigen, unter Beachtung des sonstigen Fehlverhaltens, insbesondere der rechtsmissbräuchlichen Eheschließung, käme dem unrechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin im gegebenen Zusammenhang jedoch sehr wohl rechtliche Relevanz zu. Auf Grund der dargestellten widersprüchlichen und unglaubwürdigen Angaben der Beschwerdeführerin und ihrer Adoptivmutter und weiters unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Beschwerdeführerin bereits einmal nicht davor zurückgeschreckt sei, ihren Personenstand in der überwiegenden oder ausschließlichen Absicht, sich dadurch fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen, verändert habe, gelange die Behörde zu der Ansicht, dass es sich auch bei der von der Beschwerdeführerin geschlossenen Adoption um ein rechtsmissbräuchliches, überwiegend oder ausschließlich auf Erlangung fremdenrechtlicher Berechtigungen gerichtetes Fehlverhalten handle. Das Institut der Adoption diene dazu, familiäre oder familienähnliche Bindungen als solche zu legitimieren, nicht hingegen dazu, einem Fremden den Status als begünstigter Drittstaatsangehöriger und damit maßgebliche fremdenrechtliche Vorteile zu verschaffen. Werde eine Adoption zu letzterem Zweck geschlossen, so stelle dies einen mit der österreichischen Rechtsordnung nicht vereinbaren Rechtsmissbrauch dar. Daran könne auch nichts ändern, dass das Eingehen einer Adoption zwecks Erlangung fremdenrechtlicher Vorteile weder einen Versagungsgrund für die Bewilligung derselben nach dem ABGB darstelle noch im Tatbestandskatalog des § 36 Abs. 2 FrG aufscheine. Ob eine "Scheinadoption" vom Bezirksgericht genehmigt werden dürfe, sei an dieser Stelle nicht zu untersuchen. Dass eine derartige Scheinadoption zur Erwirkung fremdenrechtlicher Begünstigungen jedoch mit einem geordneten Fremdenwesen nicht in Einklang stehe, ergebe sich schon daraus, dass auch das rechtsmissbräuchliche Eingehen einer Ehe eine schwerwiegende Beeinträchtigung der öffentlichen Ordnung darstelle. Die Bekämpfung von Scheinehen sei schließlich der maßgebliche Inhalt der durch das FrG geschaffenen Rechtslage und gemeinsames Ziel der Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Nach Inhalt und Wirkung sei eine Scheinadoption einer Scheinehe derart ähnlich, dass das Gewicht der dadurch beeinträchtigen öffentlichen Ordnung als zumindest gleichwertig anzusehen sei. In dieser Ansicht sehe sich die Behörde auch dadurch bestätigt, dass die Kommission der Europäischen Union, unterstützt durch das Europäische Parlament, einen Vorschlag für eine Richtlinie betreffend das Recht auf Familienzusammenführung dem Rat vorgelegt habe (verlautbart am 27. Februar 2001, Amtsblatt C 062 E), welcher in Art. 14 Abs. 2 lit. b ausdrücklich die Verweigerung eines Aufenthaltstitels vorsehe, wenn feststehe, dass die Ehe nur zu dem Zweck geschlossen bzw. die Adoption nur vorgenommen worden sei, um der betreffenden Person die Einreise in einen Mitgliedstaat oder den Aufenthalt in diesem Mitgliedstaat zu ermöglichen.

Die als erwiesen angesehene Scheinadoption, der langjährige unrechtmäßige Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Bundesgebiet und die von ihr eingegangene Scheinehe stellten insgesamt ein derart schwerwiegendes Fehlverhalten dar, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots auch im Grund des § 48 Abs. 1 FrG gerechtfertigt sei.

Die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots sei auch dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Wer, wie die Beschwerdeführerin, durch wiederkehrendes, rechtsmissbräuchliches Verhalten seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zu legalisieren versuche und trotz Erlassung eines Aufenthaltsverbots unrechtmäßig im Inland verbleibe, gefährde das einen hohen Stellenwert genießende öffentliche Interesse an der Wahrung eines geordneten Fremdenwesens in erheblichem Ausmaß.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei zu berücksichtigen, dass durch die erfolgte Adoption zweifelsfrei eine Veränderung in den persönlichen Lebensumständen der Beschwerdeführerin eingetreten sei. Gleichzeitig sei jedoch zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin diese Umstände zu einem Zeitpunkt hergestellt habe, als sie unrechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und mit einem weiteren Aufenthalt nicht habe rechnen dürfen. Da die Adoption zum überwiegenden Zweck der Erwirkung fremdenrechtlicher Begünstigungen eingegangen worden sei, komme der daraus resultierenden familiären Bindung kein wesentliches, über den Stellenwert des bereits mehrjährigen Aufenthaltes hinausreichendes Gewicht zu. Auf Grund des illegalen Weiterverbleibs im Bundesgebiet und des erneuten rechtsmissbräuchlichen Verhaltens der Beschwerdeführerin könne keine Rede davon sein, dass sich die Interessenlage nunmehr zu ihren Gunsten verschoben habe.

Mangels sonstiger, zu Gunsten der Beschwerdeführerin sprechender Umstände habe die Behörde auch keine Veranlassung gesehen, das Aufenthaltsverbot im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens zu beheben.

2. Die gegen diesen Bescheid zunächst an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Beschwerde wurde von diesem Gerichtshof mit Beschluss vom 26. November 2001, B 1314/01, unter Ablehnung ihrer Behandlung dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die Beschwerdeausführungen an den Verwaltungsgerichtshof richten sich ihrem Inhalt nach nur gegen die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots und begehren insoweit die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbots eingetretenen und gegen die Aufhebung der Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots im Grund der §§ 37 und 38 FrG zulässig ist. Bei einem Fremden, der seit der Erlassung des Aufenthaltsverbots die Stellung eines EWR-Bürgers oder eines begünstigten Drittstaatsangehörigen erlangt hat, ist bei der Gefährlichkeitsprognose zu beachten, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nur im Grund des § 48 Abs. 1 FrG zulässig ist. (Vgl. zum Ganzen das Erkenntnis vom 27. Juni 2001, Zl. 2000/18/0041.)

2.1. Gemäß § 49 Abs. 1 iVm § 47 Abs. 3 FrG käme der Beschwerdeführerin die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen zu, wenn sie von ihrer Adoptivmutter Unterhalt gewährt erhielte.

Die belangte Behörde hat festgestellt, dass die Beschwerdeführerin entgegen ihrem eigenen Vorbringen und entgegen der Aussage der Adoptivmutter nicht im gemeinsamen Haushalt mit der Adoptivmutter wohne und von dieser keinen Unterhaltsbeitrag erhalte. Diese Beweiswürdigung stützte sie im Wesentlichen auf folgende Argumente:

Widersprüchliche Angaben der Adoptivmutter über den Zeitraum des Bestehens eines gemeinsamen Haushaltes im Adoptionsverfahren und im vorliegenden Verfahren; Aussage des Lebensgefährten der Adoptivmutter, dass die Beschwerdeführerin nicht im Haushalt der Adoptivmutter wohne; Umstand, dass die Beschwerdeführerin keinen Schlüssel zur angeblich gemeinsamen Wohnung hat; Aussage der Adoptivmutter, dass die Erlangung von Papieren für die Arbeit der ausschlaggebende Beweggrund für die Adoption gewesen sei; keine Erwähnung des nur einen Monat nach Erlassung des Aufenthaltsverbots abgeschlossenen Adoptionsvertrages im Aufenthaltsverbotsverfahren.

Die Beschwerde führt gegen diese Beweiswürdigung als einzigen konkreten Umstand ins Treffen, dass die Beschwerdeführerin laut Meldezettel entgegen der behördlichen Annahme seit 26. Juni 1998 an der Adresse der Adoptivmutter gemeldet sei. Tatsächlich wäre sie dort aber bereits seit der Zeit, als sie von ihrem früheren Gatten (aus der für nichtig erklärten Ehe) aus der gemeinsamen Wohnung gewiesen worden sei, wohnhaft. Infolge ihres unrechtmäßigen Aufenthalts von 1995 bis 1998 habe sie sich dort jedoch nicht gemeldet.

Dem ist zu entgegnen, dass die Meldung der Beschwerdeführerin an der Adresse der Adoptivmutter in Wien 20 seit 26. Juni 1998 zwar aktenkundig ist (AS 35 verso des Verwaltungsaktes), die Beschwerdeführerin jedoch selbst mehrfach angegeben hat, dort nicht wohnhaft zu sein.

Nachdem sie am 28. Februar 1999 in einer Wohnung in Wien 10 aufgegriffen worden war, gab sie bei ihrer niederschriftlichen Vernehmung am 2. März 1999 zu Protokoll, in dieser Wohnung bei einer Bekannten vorübergehend unangemeldet wohnhaft gewesen zu sein. Polizeilich gemeldet sei sie an einer Adresse in Wien 21, wo sich auch ihre persönlichen Gegenstände befänden, sowie an der Adresse der Adoptivmutter in Wien 20. Bei der eine Woche später, am 9. März 1999 erfolgten niederschriftlichen Vernehmung führte sie aus, dass sie tatsächlich an der Adresse in Wien 21 wohnhaft sei. Am 11. März 1999 wurde sie aus der Haft an die Wohnadresse in Wien 21 ausgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass sich in dieser Wohnung sämtliche persönlichen Gegenstände und auch die Dokumentenmappe der Beschwerdeführerin befinden. Im Schriftsatz der Wiener Landesorganisation einer politischen Partei wurde die Wohnung in Wien 21 als Adresse der Beschwerdeführerin bezeichnet. In diesem Schreiben wurde ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin dort bei Frau P. wohne. Nach einem mit ihr vor nur einer Woche geführten Gespräch beabsichtige sie, einen ebenfalls dort wohnenden österreichischen Staatsangehörigen in den nächsten Wochen zu ehelichen. Es fehle nur mehr das Ehefähigkeitszeugnis der Beschwerdeführerin aus Jugoslawien. Der gegenständliche Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots wurde am 11. August 1999, also etwa einen Monat nach Abschluss des Adoptionsvertrages, von der Beschwerdeführerin persönlich eingebracht. Auch darin wird die Adresse in Wien 21 als Anschrift der Klägerin genannt. Diese Adresse gab die Beschwerdeführerin auch im Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung vom 27. August 1999 als ihre Anschrift an.

Auf Grund der genannten Argumente kann die Beweiswürdigung der belangten Behörde, dass die Beschwerdeführerin nicht bei der Adoptivmutter wohne und von dieser keinen Unterhaltsbeitrag erhalte, nicht als unschlüssig erkannt werden und begegnet daher im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof diesbezüglich zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. insbesondere das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senats vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken.

2.2. Da die Beschwerdeführerin somit von ihrer Adoptivmutter keinen Unterhaltsbeitrag erhält, kommt ihr die Stellung einer begünstigten Drittstaatsangehörigen nicht zu. Vorliegend ist daher trotz der Adoption der Beschwerdeführerin durch eine österreichische Staatsangehörige nicht zu prüfen, ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots nach § 48 Abs. 1 FrG zulässig ist.

3.1. Die Beschwerdeführerin führt gegen die Feststellung der belangten Behörde, dass sie über keine ausreichenden Unterhaltsmittel verfüge, lediglich ins Treffen, dass die Adoptivmutter S 15.350,-- (EUR 1.115,53) verdiene und der Beschwerdeführerin Unterkunft gewähre. Wie oben 2.1. dargestellt, hat die belangte Behörde das diesbezügliche Vorbringen im Verwaltungsverfahren in unbedenklicher Weise als nicht glaubwürdig gewertet. Der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG ist daher weiterhin erfüllt.

Soweit die Beschwerdeführerin vorbringt, im Jahr 1993 ihren Mann aus Liebe geheiratet zu haben - und es sich hiebei somit nicht um eine "Scheinehe" gehandelt habe -, ist ihr zu entgegnen, dass bei der Entscheidung über die Aufhebung eines Aufenthaltsverbots die Rechtmäßigkeit des Bescheides, mit dem das Aufenthaltsverbot erlassen wurde, nicht mehr überprüft werden kann (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. Jänner 2002, Zl. 2001/18/0146).

3.2. Da die Beschwerdeführerin unstrittig entgegen dem Aufenthaltsverbot im Bundesgebiet verblieben ist - was eine große Gefährdung des öffentlichen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens darstellt - und sie weiterhin über keine ausreichenden eigenen Unterhaltsmittel verfügt - was die Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und der Belastung einer Gebietskörperschaft mit sich bringt -, kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme nach wie vor gerechtfertigt sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG ist zu berücksichtigen, dass die Beschwerdeführerin inzwischen durch eine österreichische Staatsangehörige adoptiert wurde. Die daraus resultierende Verstärkung der persönlichen Interessen wird dadurch erheblich gemindert, dass keine Haushaltsgemeinschaft mit der Adoptivmutter besteht. Der seit Erlassung des Aufenthaltsverbots verstrichene Zeitraum von zwei Jahren und zwei Monaten bewirkt ebenfalls keine wesentliche Verstärkung der persönlichen Interessen, zumal sich die Beschwerdeführerin in diesem Zeitraum unrechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

Den persönlichen Interessen der Beschwerdeführerin am Verbleib im Bundesgebiet steht die dargestellte große Gefährdung öffentlicher Interessen durch den weiteren Aufenthalt der Beschwerdeführerin im Inland gegenüber. Von daher kann die Ansicht der belangten Behörde, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbots zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, Schutz des wirtschaftlichen Wohles des Landes) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin und ihrer Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen ihrer Aufhebung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), nicht als rechtswidrig angesehen werden.

5. Schließlich macht die Beschwerde keine besonderen Umstände geltend und sind solche auch aus dem angefochtenen Bescheid und den Verwaltungsakten nicht ersichtlich, die die belangte Behörde hätten veranlassen müssen, von dem ihr bei der Entscheidung über die Aufhebung des Aufenthaltsverbots eingeräumten Ermessen gemäß § 36 Abs. 1 FrG zu Gunsten der Beschwerdeführerin Gebrauch zu machen.

6. Da sich nach dem Gesagten die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

7. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002180146.X00

Im RIS seit

08.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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