TE Vwgh Beschluss 2003/1/28 2001/05/1078

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Veröffentlicht am 28.01.2003
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Index

L10012 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht Gemeindehaushalt Kärnten;
L85002 Straßen Kärnten;
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §6 Abs1;
AVG §63 Abs1;
AVG §63 Abs5;
AVG §73 Abs2;
AVG §8;
B-VG Art132;
GdO Allg Krnt 1998 §34 Abs1;
GdO Allg Krnt 1998 §94 Abs1;
GdO Allg Krnt 1998 §94 Abs2;
LStG Krnt 1991 §2 Abs1 litb;
VwGG §27;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde der EP in V, vertreten durch Dr. Franz Unterasinger, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Radetzkystraße 8/I, gegen den Gemeinderat der Gemeinde L, betreffend Geltendmachung der Entscheidungspflicht in einer Straßenangelegenheit, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat der Gemeinde Liebenfels Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenmehrbegehren der Gemeinde Liebenfels wird abgewiesen.

Begründung

Mit Schreiben vom 9. Juli 1998, gerichtet an die Gemeinde Liebenfels, beantragte die Beschwerdeführerin die bescheidmäßige Feststellung, dass das Grundstück Nr. 1132, KG Hardegg, BG St. Veit/Glan, eine öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Kärntner Straßengesetzes sei. Die Zufahrt zu ihrer Hofstelle sei nur über dieses, von der Beschwerdeführerin als "öffentlich" bezeichnete Grundstück möglich.

Darauf antwortete der Bürgermeister der Gemeinde Liebenfels mit Schreiben vom 1. September 1998 wie folgt:

"Zu Ihrem Antrag vom 9. Juli 1998 um bescheidmäßige Feststellung, dass das Grundstück Parz. Nr. 1132, KG Hardegg eine öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Kärntner Straßengesetzes ist und der Lage im Katasterplan als öffentliche Straße von jedermann unter gleichen Bedingungen genützt werden kann, teilen wir Ihnen Folgendes mit:

Der Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels hat in seiner Sitzung am 12. Juli 1993 nach den Bestimmungen (§ 3) des Kärntner Straßengesetzes eine Kategorisierung der Straßen vorgenommen. Das im Antrag bezeichnete öffentliche Gut, Parzelle Nr. 1132, KG Hardegg wurde auf Grund der geringen Bedeutung weder als Gemeindestraße, Ortschaftsweg oder Verbindungsweg kategorisiert und unterliegt daher nicht den Bestimmungen des Kärntner Straßengesetzes."

Die Beschwerdeführerin erachtete dieses Schreiben als Bescheid und beantragte in der dagegen erhobenen, an die "Gemeinde Liebenfels" gerichteten Berufung, die im Instanzenzug übergeordnete Behörde (die er in einem Klammerausdruck im Berufungstext, nicht im Antrag, mit "Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels" bezeichnet) möge den Bescheid des Bürgermeisters vom 1. September 1998 abändern und feststellen, dass das gegenständliche Grundstück eine öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Kärntner Straßengesetzes sei; hilfsweise wurde ein Aufhebungsantrag gestellt.

In ihrer beim Verwaltungsgerichtshof am 30. Oktober 2001 eingelangten Säumnisbeschwerde gegen den Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe gegen den "Bescheid" vom 1. September 1998 das Rechtsmittel der Berufung an den Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels erhoben. Eine Entscheidung sei nicht ergangen. Da hinsichtlich der Gemeinde Liebenfels weder eine Instanzbehörde gegeben sei, noch eine sachlich in Betracht kommende Oberbehörde, und keine Entscheidung erlassen worden sei, werde Säumnisbeschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben und beantragt, den "Bescheid" des Bürgermeisters vom 1. September 1998 abzuändern und festzustellen, dass das gegenständliche Grundstück eine öffentliche Straße im Sinne des § 2 des Kärntner Straßengesetzes sei.

Der belangte Gemeinderat der Gemeinde Liebenfels legte die Verwaltungsakten vor und beantragte die Abweisung der Beschwerde als unbegründet. In der Gegenschrift wird ausgeführt, dass die Beschwerde unzulässig sei, weil der Beschwerdeführerin als Nichteigentümerin des betreffenden Grundstückes keine Parteistellung zukomme, weil die Mitteilung des Bürgermeisters vom 1. September 1998 keinen Bescheid darstelle und weil der Instanzenzug nicht erschöpft worden sei, da der Gemeindevorstand nicht angerufen worden sei.

Die vorliegende Säumnisbeschwerde ist unzulässig.

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tag, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Gemäß § 94 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1998, LGBl. für Kärnten Nr. 66, entscheidet der Gemeindevorstand über Berufungen gegen Bescheide des Bürgermeisters in Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches endgültig. Gemäß Abs. 2 dieser Gesetzesstelle übt dieser auch - soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist - die in den verfahrensgesetzlichen Bestimmungen vorgesehenen oberbehördlichen Befugnisse aus.

Wird daher innerhalb der in § 73 AVG genannten Frist in einem auf Grund eines Antrages einer Partei eingeleiteten Verfahren der Bescheid dieser Partei nicht zugestellt, geht auf ihr schriftliches Verlangen die Zuständigkeit zur Entscheidung an die sachlich in Betracht kommende Oberbehörde (§ 73 Abs. 2 AVG) über, im Fall der Entscheidungspflicht des Bürgermeisters auf den Gemeindevorstand. Im Falle der Säumigkeit nach Anrufung des Gemeindevorstandes ist aber in einem solchen Verfahren auch noch der Gemeinderat gemäß § 73 Abs. 2 AVG anzurufen, weil gemäß § 34 Abs. 1 der Allgemeinen Gemeindeordnung 1998 dieser das oberste Organ in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. September 1998, Zl. 97/05/0104).

Unabhängig von allen sonstigen Voraussetzungen ist die vorliegende Säumnisbeschwerde daher schon deshalb unzulässig, weil eine Säumnis des Gemeinderates nicht vorliegt. Zur Entscheidung über die Berufung gegen einen Bescheid des Bürgermeisters wäre allein der Gemeindevorstand zuständig; kommt der Gemeindevorstand seiner Entscheidungspflicht nicht nach, wäre ein Devolutionsantrag an den Gemeinderat zu richten. Da nämlich der Gemeinderat und der Gemeindevorstand keine unterschiedliche Einbringungsstelle haben, ist die Berufung ungeachtet der in einem Klammerausdruck vorgenommenen Bezeichnung der Berufungsbehörde als an den Gemeindevorstand gerichtet anzusehen, sodass auch eine Weiterleitung gemäß § 6 AVG nicht in Betracht käme (siehe den hg. Beschluss vom 23. November 1995, Zl. 92/06/0084).

Zu Recht zeigt die belangte Behörde auch auf, dass es der Beschwerdeführerin an einer Antragslegitimation im Sinne des § 73 AVG mangelte. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 27. Mai 1997, Zl. 96/05/0274 ausgeführt, dass den bloß am Gemeingebrauch im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b Kärntner Straßengesetz 1991 interessierten Antragstellern eine Parteistellung auch im Sinne des § 73 Abs. 2 AVG nicht zukommt; ein Devolutionsantrag dieser Personen würde einen Übergang der Entscheidungspflicht nicht bewirken (siehe auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 2002, Zl. 2001/05/0315). Bestünde eine Säumnis des Gemeinderates, dann hätte seine Entscheidung daher nur zurückweisend sein können.

Schließlich soll nicht unerwähnt bleiben, dass auch der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung der belangten Behörde bezüglich des Schreibens des Bürgermeisters vom 1. September 1998 teilt. Dieses Schreiben enthält nicht nur keine Bezeichnung als Bescheid, es ist auch keinerlei Bescheidwille erkennbar, weil darin bloß mitgeteilt wird, dass im Jahr 1993 eine Kategorisierung der Straßen vorgenommen worden sei und die gegenständliche Parzelle weder als Gemeindestraße, Ortschaftsweg oder Verbindungsweg kategorisiert worden sei.

Die Beschwerde war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Das weitere Kostenersatzbegehren der belangten Gemeinde war abzuweisen, weil sie nicht durch einen Rechtsanwalt vertreten war (§ 49 Abs. 1 VwGG idF der Novelle BGBl. I Nr. 88/1997).

Wien, am 28. Jänner 2003

Schlagworte

Anrufung der obersten Behörde Parteistellung Parteienantrag Straßenrecht Wegerecht Kraftfahrwesen Straßenverkehr

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001051078.X00

Im RIS seit

05.06.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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