TE Vfgh Erkenntnis 1999/12/3 WI-4/99

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Veröffentlicht am 03.12.1999
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Sbg GdWO 1998 §66
Sbg GdWO 1998 §70

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; rechtmäßige Bewertung von Stimmzetteln als ungültig

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 7. März 1999 fand ua. die mit Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 24. November 1998, LGBl. 1998/112, ausgeschriebene Wahl der Gemeindevertretung der Gemeinde Bergheim statt.

Dieser Wahl lagen von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialdemokratischen Partei Österreichs (SPÖ) sowie der Freiheitlichen Partei Österreichs/Unabhängige Liste Bergheim (FPÖ/U) eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bergheim gemäß §43 Salzburger Gemeindewahlordnung 1998 - GWO 1998, LGBl. 1998/117 (WV), idF LGBl. 1999/7, abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zu Grunde.

1.1.2. Laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bergheim vom 7. März 1999 entfielen von den 2497 abgegebenen und als gültig gewerteten Stimmen - 109 Stimmzettel wurden als ungültig erachtet - auf:

   ÖVP                       1406 Stimmen  (12 Mandate),

   SPÖ                        545 Stimmen  ( 4 Mandate),

   FPÖ/U                      546 Stimmen  ( 5 Mandate).

1.2.1. Mit ihrer am 8. April 1999 zur Post gegebenen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrte die SPÖ die Nichtigerklärung des Wahlverfahrens "ab dem Ermittlungsverfahren der Sprengelwahlbehörden als rechtwidrig".

Begründend brachte die Anfechtungswerberin - kurz zusammengefasst - vor, mehrere für sie gültig abgegebene Stimmzettel seien von den Wahlbehörden als ungültig erklärt worden. Bei einer gesetzeskonformen Vorgangsweise der Wahlbehörden wäre ihr ein fünftes Mandat, welches sie nach dem festgestellten Wahlergebnis lediglich um zwei Stimmen verfehlt habe, zugefallen.

1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Bergheim legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

1.3.1. Der mit "Gültige Ausfüllung des Stimmzettels für die Wahl der Gemeindevertretung" überschriebene §66 GWO 1998 lautet:

"(1) Der amtliche Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertetung ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in dem (...) neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß er die dazugehörige Parteiliste wählen wollte. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zB durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer Partei oder durch Durchstreichen der übrigen Parteien eindeutig zu erkennen ist.

(2) Der amtliche Stimmzettel gilt weiters dann als gültig ausgefüllt, wenn der Wähler nur den Namen des Bewerbers einer Parteiliste eingetragen hat. In diesem Fall gilt jene Partei als gewählt, auf deren Parteiliste der Bewerber aufscheint."

1.3.2. §70 GWO 1998 - übertitelt mit "Ungültiger Stimmzettel" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertretung ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet worden ist;

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt ist, daß nicht mehr eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler überhaupt wählen wollte;

3. überhaupt keine Parteiliste angezeichnet und auch kein Bewerber aus einer Parteiliste eingetragen worden ist (§68 Abs2);

4. zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet sind;

5. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste er wählen wollte.

...

(3) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel für beide Wahlen. Enthält ein Wahlkuvert nur einen Stimmzettel, zählt es als ungültiger Stimmzettel für jene Wahl, deren Stimmzettel fehlt. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel für die gleiche Wahl, die auf verschiedene Parteien oder Bewerber lauten, zählen sie als ein ungültiger Stimmzettel, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt.

(4) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf einem der amtlichen Stimmzettel außer zur Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei oder eines Bewerbers angebracht worden sind, beeinträchtigen die Gültigkeit nicht, wenn sich aus Abs1 bis 3 nicht anderes ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit der amtlichen Stimmzettel nicht."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985). Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Nun sieht zwar §83 Abs1 GWO 1998 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG - vor, doch nur gegen "zahlenmäßige Ermittlungen" einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11669/1988).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die SPÖ in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §83 GWO 1998 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die - in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende - Wertung mehrerer Stimmzettel als ungültig, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985), d. i. bei Gemeindevertretungswahlen im Bundesland Salzburg die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung der Namen der gewählten Bewerber und Ersatzgewählten durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel.

Diese Verlautbarung fand hier am 12. März 1999 statt.

Die am 8. April 1999 zur Post gegebene Wahlanfechtung (s. Punkt 1.2.1.) wurde darum rechtzeitig eingebracht.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1.1. Die Anfechtungswerberin führt in ihrer Anfechtungsschrift aus, dass "fünf bis sechs auf (sie) lautende abgegebene Stimmzettel" von den Wahlbehörden für ungültig erklärt worden seien, wobei dieser Umstand auf zwei Stimmen aus dem Wahlsprengel 1, auf eine Stimme aus dem Wahlsprengel 2 und auf "zumindest zwei bis drei Stimmen" aus dem Wahlsprengel 3 zutreffe. In all diesen Fällen hätten die Wähler den der Liste der Anfechtungswerberin (Listen-Nr. 2) am amtlichen Stimmzettel zugeordneten Kreis in der Weise angekreuzt, dass die Schnittpunkte der Kreuzlinien in diesem Kreis lagen. Allerdings seien die Linien der sich kreuzenden Striche nicht nur auf das der Liste 2 zugeordnete graphische Rechteck, in welchem sich der zur Einsetzung des Kreuzes für die Anfechtungswerberin vorhandene Kreis befindet, beschränkt gewesen, sondern hätten auch jene graphischen Rechtecke, die der Wahlwerberin laut Listennummer 1 bzw. der Wahlwerberin laut Listennummer 3 zugeordnet waren, "tangiert bzw. geschnitten", "ohne jedoch den in deren graphischem Rechteck vorhandenen 'Stimmenkreis' auch nur zu berühren". Damit sei der jeweilige Wählerwille, die Stimme der Anfechtungswerberin zu geben, eindeutig erkennbar; eine Ungültigkeit der Stimmzettel im Sinne der Tatbestände des §70 Abs1 GWO 1998 liege nicht vor.

Da die Anfechtungswerberin das fünfte Mandat in der Gemeindevertretung lediglich um zwei Stimmen verfehlt habe, seien die behaupteten Rechtswidrigkeiten geeignet, das Wahlergebnis der Gemeindevertretungswahl in der Gemeinde Bergheim zu beeinflussen.

2.2.1.2. Eine Durchsicht der von den Sprengelwahlbehörden als ungültig gewerteten Stimmzettel, die im verfassungsgerichtlichen Verfahren von der Gemeindewahlbehörde in für jeden Wahlsprengel gesonderten Umschlägen mit den Aufschriften:

"I Ungültige Stimmen 36 Gemeindevertretung"; "GV-Wahl 36 Stück ungültig II"; "III Gemeindewahlen ungültige 36" vorgelegt wurden, durch den Verfassungsgerichtshof ergab Folgendes: Insgesamt zwei der (als ungültig gewerteten) Stimmzettel entsprechen ihrem Erscheinungsbild nach der Sachverhaltsannahme der Anfechtungswerberin; einer wurde im Wahlsprengel 1 abgegeben, der andere im Wahlsprengel 3. Die weiteren von den Sprengelwahlbehörden als ungültig gewerteten Stimmzettel ensprechen auch nicht annähernd der Beschreibung in der Anfechtung.

Die beiden strittigen Stimmzettel zeigen folgendes Bild:

STIMMZETTEL NICHT DARSTELLBAR !!!

Jeder der beiden streitverfangenen Stimmzettel weist ein (liegendes) Kreuz auf, das über die Rubriken-Zeile, die drei (je eine Listennummer, einen Kreis, eine bestimmte Kurz- und Parteibezeichnung enthaltenden) weiteren Zeilen und - nach unten hin - auch noch über die letzte für eine Partei vorgesehene Zeile hinaus reicht; der Kreuzungspunkt befindet sich beide Male knapp innerhalb des Kreises in der zweiten Zeile.

2.2.2. Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert nun, dass "aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte" (§66 Abs1 erster Satz GWO 1998). Dies ist der Fall, wenn der Wähler "in dem (...) neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass er die dazugehörige Parteiliste wählen wollte" (§66 Abs1 zweiter Satz GWO 1998). Diese von der GWO 1998 aufgestellten Voraussetzungen treffen insoferne auf keinen der streitverfangenen Stimmzettel zu, als in beiden Fällen - wie eingangs festgehalten - das Kreuz (nicht bloß über den Kreis neben der Parteibezeichnung der SPÖ hinausragt, was für sich allein noch nicht zur Ungültigkeit der Stimme führen würde, sondern) über sämtliche vier Zeilen des Stimmzettels (einschließlich der Rubriken-Zeile) gezogen ist und dieses (nach unten hin) sogar noch über die letzte für eine Partei vorgesehene Zeile hinaus reicht. Daran vermag auch der Umstand nichts zu ändern, dass der Kreuzungspunkt (knapp) innerhalb des Kreises in der zweiten Zeile liegt. Bei einer solchen besonderen Konstellation kann nämlich nicht mehr davon gesprochen werden, dass "in dem (neben einer Parteibezeichnung) vorgedruckten Kreis" ein liegendes Kreuz angebracht worden und so aus dem Stimmzettel eindeutig zu erkennen wäre, für welche Parteiliste sich der Wähler, so er überhaupt gültig wählen wollte, tatsächlich entschied (§66 Abs1 erster Satz GWO 1998)(vgl. auch VfSlg. 10802/1986 und 12288/1990).

Die beiden strittigen Stimmzettel wurden darum von den Sprengelwahlbehörden der Wahlsprengel 1 und 3 zu Recht als ungültig abgegebene Stimmen (§70 Abs1 Z5 GWO 1998) gewertet.

2.3. Der Wahlanfechtung war daher nicht stattzugeben.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung ergehen.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:WI4.1999

Dokumentnummer

JFT_10008797_99W00I04_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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