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90/01 Straßenverkehrsordnung;Norm
StVO 1960 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des F in Innsbruck, vertreten durch Dr. Hans-Peter Ullmann und Dr. Stefan Geiler, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Andreas-Hofer-Straße 6, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 28. März 2001, Zl. uvs-2000/19/081, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Tirol hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
1.1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer wegen der Übertretung § 5 Abs. 1 StVO nach § 99 Abs. 1 b StVO mit einer Geldstrafe von S 8.000-- (Ersatzfreiheitsstrafe zehn Tage) bestraft, weil er am 9. Juli 1999 um 00.30 Uhr in Mutters, auf der L 227 - Kreith-Hinterlack, einen dem Kennzeichen nach bestimmten PKW in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen Folgendes aus: Nach der Zusammenfassung des Gutachtens des Institutes für gerichtliche Medizin der Universität Innsbruck vom 30. Juli 1999, welches unbestritten geblieben sei, ergebe sich zunächst ohne Berücksichtigung des aktenkundigen Nachtrunkes für den Unfallszeitpunkt ein Mindestblutalkoholgehalt von 1,08 Promille, ein wahrscheinlicher Blutalkoholgehalt von 1,39 Promille sowie ein maximal möglicher Blutalkoholgehalt von 1,65 Promille, weiters sei von diesen Werten wegen des Nachtrunks von zwei doppelten Schnäpsen unter Zugrundelegung eines Körpergewichtes (wie vom Beschwerdeführer angegeben) von 65 kg, ein Abzug von 0,51 Promille zu berücksichtigen. Unter Zugrundelegung dieser schlüssig dargelegten Daten ergebe sich unter Berücksichtigung des Nachtrunkes somit ein Mindestblutalkoholgehalt von 0,57 Promille für den Unfallszeitpunkt, ein maximal möglicher Blutalkoholgehalt von 1,14 Promille und ein wahrscheinlicher Blutalkoholgehalt von 0,88 Promille. Der Sachverständige habe schlüssig beide Extremwerte ausgewiesen und ebenso schlüssig den Wert 0,88 Promille als den wahrscheinlichen Wert bezeichnet. Dies bedeute, dass jedes Abgehen von dem wahrscheinlichen Wert mit einem geringeren Maß an Wahrscheinlichkeit verbunden wäre, sodass die Erstbehörde zu Recht vom wahrscheinlichen Wert ausgegangen sei. Es sei daher erwiesen, dass der Beschwerdeführer die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen habe.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes mit dem Antrag, den angefochtenen Bescheid aufzuheben. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vor, sah aber von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Der Beschwerdeführer macht unter dem Gesichtspunkt einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geltend, die belangte Behörde stelle zwar die jeweilig möglichen Blutalkoholgehalte zum Unfallszeitpunkt richtig dar, ziehe daraus allerdings den unrichtigen rechtlichen Schluss, dass bei der Beurteilung des Sachverhaltes von dem aus dem Gutachten sich ergebenden wahrscheinlichen Wert auszugehen sei. Von einem derartigen wahrscheinlichen Wert hätte die belangte Behörde nur dann ausgehen dürfen, wenn sich aus dem vorliegenden Gutachten ergeben hätte, dass mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Blutalkoholgehalt von 0,88 Promille auszugehen sei. Aus dem Akteninhalt ergebe sich, dass keine der drei vom Sachverständigen genannten Möglichkeiten des Blutalkoholgehaltes auszuschließen sei. Die belangte Behörde hätte auf jeden Fall vom Grundsatz "in dubio pro reo" ausgehen müssen.
2.2. Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend. Der Sachverständige führt in dem dem bekämpften Bescheid zu Grunde liegenden Gutachten näher aus, dass es zur Feststellung des Alkoholisierungsgrades im Unfallzeitpunkt der Umrechnung der gemessenen Atemalkoholkonzentration auf die korrespondierende Blutalkoholkonzentration bedarf. Aus § 5 Abs. 1 StVO 1960 ergibt sich, dass einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 Promille) ein Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l entspricht. Daraus hat der Verwaltungsgerichtshof abgeleitet, dass die Umrechung eines bestimmten Blutalkoholgehaltes in den betreffenden Wert als Atemalkoholgehalt mit dem Faktor 2 : 1 vorzunehmen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 31. März 2000, Zl. 98/02/0131). Dieser gesetzlich festgelegte Umrechnungsschlüssel ist in dem von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegten Sachverständigengutachten nicht angewendet worden.
Darüber hinaus hat die belangte Behörde durch Übernahme der Berechnungsergebnisse des Sachverständigen ihren Feststellungen bezüglich des stündlichen Abbauwerts des Blutalkohols beim Beschwerdeführer eine "mittlere stündliche Eliminationsrate von 0,15 Promille" bei einem angenommenen "wahrscheinlichen Wert", eine "hohe stündliche Eliminationsrate von 0,2 Promille"bei der vom Sachverständigen angestellten "Maximalberechnung", und eine "niedrige stündliche Eliminationsrate von 0,1 Promille" bei der von diesem angestellten "Minimalberechnung" zu Grunde gelegt. Der Sachverständige hat aber nicht dargelegt, auf Grund welcher Umstände die angegebenen unterschiedlichen Abbauraten gerade hinsichtlich der Person des Beschwerdeführers als zutreffend angesehen werden sollten. Insoweit sind das besagte Gutachten und damit die von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen nicht nachvollziehbar, zumal es entgegen der hg. Rechtsprechung (vgl. das Erkenntnis vom 3. November 2000, Zl. 98/02/0159) unterlassen wurde, den stündlichen Abbauwert des Blutalkohols in Anschlag zu bringen, der der Konstitution des Beschwerdeführers tatsächlich entspricht.
Die belangte Behörde hat damit bezüglich der Umrechnung der gemessenen Atemalkoholkonzentration auf die korrespondierende Blutalkoholkonzentration ihre Feststellungen auf ein nicht dem Gesetz entsprechendes Gutachten gestützt, was dieses als nicht geeignet erscheinen lässt, diesbezüglich zur Ermittlung des maßgeblichen Sachverhaltes herangezogen zu werden. Insofern hat sie die Rechtslage verkannt, weshalb vorliegend auch der maßgebliche Sachverhalt in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben ist. Darüber hinaus hat sie den bekämpften Bescheid bezüglich des stündlichen Abbauwerts des Blutalkohols beim Beschwerdeführer mit dem dargestellten wesentlichen Verfahrensmangel belastet (§ 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG).
2.3. Der angefochtene Bescheid war daher im Hinblick auf die prävalierende inhaltliche Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
2.4. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Das Mehrbegehren war abzuweisen, weil eine gesonderte Vergütung von Umsatzsteuer neben dem Ersatz des pauschalierten Schriftsatzaufwandes gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am 29. Jänner 2003
Schlagworte
Feststellung der AlkoholbeeinträchtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030174.X00Im RIS seit
02.05.2003