TE Vfgh Erkenntnis 1999/12/3 WI-1/99

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Veröffentlicht am 03.12.1999
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Index

L0 Verfassungs- und Organisationsrecht
L0350 Gemeindewahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
VfGG §68 Abs1
Sbg GdWO 1998 §66
Sbg GdWO 1998 §70
ZPO §126 Abs2

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung einer Gemeinderatswahl; rechtmäßige Bewertung von Stimmzetteln als ungültig

Spruch

Der Wahlanfechtung wird nicht stattgegeben.

Begründung

Entscheidungsgründe:

1.1.1. Am 7. März 1999 fand ua. die mit Verordnung der Salzburger Landesregierung vom 24. November 1998, LGBl. 1998/112, ausgeschriebene Wahl der Gemeindevertretung der Gemeinde Zell am See statt.

Dieser Wahl lagen von der Österreichischen Volkspartei (ÖVP), der Sozialdemokratischen Partei Österreichs, Bürgermeister Dr. Georg Maltschnig (SPÖ) sowie der Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) eingebrachte und von der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Zell am See gemäß §43 Salzburger Gemeindewahlordnung 1998 - GWO 1998, LGBl. 1998/117 (WV), idF LGBl. 1999/7, abgeschlossene und veröffentlichte Wahlvorschläge zu Grunde.

1.1.2. Laut Niederschrift der Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Zell am See vom 7. März 1999 entfielen von den 4430 abgegebenen und als gültig gewerteten Stimmen - 171 Stimmzettel wurden als ungültig erachtet - auf:

   ÖVP                       1499 Stimmen  (8 Mandate),

   SPÖ                       2171 Stimmen (13 Mandate),

   FPÖ                        760 Stimmen  (4 Mandate).

1.2.1. Mit ihrer am 6. April 1999 persönlich beim Verfassungsgerichtshof überreichten und auf Art141 Abs1 lita B-VG gestützten Wahlanfechtungsschrift begehrt die ÖVP, "das Wahlverfahren für die Gemeindevertretung Zell am See ab dem Zeitpunkt der Feststellung des Wahlergebnisses (§§71 ff GWO 1998) für nichtig zu erklären, das Verfahren gem. §§71 ff GWO 1998 für alle Sprengel neu durchzuführen und ebenso das Ermittlungsverfahren gem. §76 GWO 1998 neu durchzuführen, eventuell alle ungültigen Stimmzettel neuerlich zu überprüfen."

Begründend bringt die Anfechtungswerberin - kurz zusammengefasst - vor, in einzelnen Wahlsprengeln seien mehrere Stimmzettel von den Sprengelwahlbehörden zu Unrecht als ungültig bewertet worden. Weiters sei in einem Sprengel den ungültig gewerteten Stimmzetteln ein "Blankostimmzettel" hinzugefügt worden; in einem anderen Wahlsprengel wiederum habe ein Gemeindebediensteter - nachdem eine Wählerin Stimmzettel und Kuvert getrennt in die Wahlurne eingeworfen habe - diese geöffnet und den Stimmzettel in das Kuvert gesteckt. Bei einer dem Gesetz entsprechenden Stimmzettelbewertung wären der ÖVP 9 (anstatt 8) und der SPÖ 12 Mandate (anstatt 13) zugefallen.

1.2.2. Die Gemeindewahlbehörde der Gemeinde Zell am See legte dem Verfassungsgerichtshof die Wahlakten vor, nahm jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand.

1.2.3. Hingegen reichte die SPÖ eine Stellungnahme ein, in der sie den Ausführungen in der Wahlanfechtungsschrift entgegentrat.

1.3.1. Der mit "Gültige Ausfüllung des Stimmzettels für die Wahl der Gemeindevertretung" überschriebene §66 GWO 1998 lautet:

"(1) Der amtliche Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertetung ist gültig ausgefüllt, wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte. Dies ist der Fall, wenn der Wähler in dem (...) neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, daß er die dazugehörige Parteiliste wählen wollte. Der Stimmzettel ist aber auch dann gültig ausgefüllt, wenn der Wille des Wählers auf andere Weise, zB durch Anhaken, Unterstreichen, sonstige entsprechende Kennzeichnung einer Partei oder durch Durchstreichen der übrigen Parteien eindeutig zu erkennen ist.

(2) Der amtliche Stimmzettel gilt weiters dann als gültig ausgefüllt, wenn der Wähler nur den Namen des Bewerbers einer Parteiliste eingetragen hat. In diesem Fall gilt jene Partei als gewählt, auf deren Parteiliste der Bewerber aufscheint."

1.3.2. §70 GWO 1998 - übertitelt mit "Ungültiger Stimmzettel" - bestimmt:

"(1) Der Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertretung ist ungültig, wenn

1. ein anderer als der amtliche Stimmzettel zur Abgabe der Stimme verwendet worden ist;

2. der Stimmzettel durch Abreißen eines Teiles derart beeinträchtigt ist, daß nicht mehr eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler überhaupt wählen wollte;

3. überhaupt keine Parteiliste angezeichnet und auch kein Bewerber aus einer Parteiliste eingetragen worden ist (§68 Abs2);

4. zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet sind;

5. aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste er wählen wollte.

...

(3) Leere Wahlkuverts zählen als ungültige Stimmzettel für beide Wahlen. Enthält ein Wahlkuvert nur einen Stimmzettel, zählt es als ungültiger Stimmzettel für jene Wahl, deren Stimmzettel fehlt. Enthält ein Wahlkuvert mehrere Stimmzettel für die gleiche Wahl, die auf verschiedene Parteien oder Bewerber lauten, zählen sie als ein ungültiger Stimmzettel, wenn sich ihre Ungültigkeit nicht schon aus anderen Gründen ergibt.

(4) Worte, Bemerkungen oder Zeichen, die auf einem der amtlichen Stimmzettel außer zur Kennzeichnung einer wahlwerbenden Partei oder eines Bewerbers angebracht worden sind, beeinträchtigen die Gültigkeit nicht, wenn sich aus Abs1 bis 3 nicht anderes ergibt. Im Wahlkuvert befindliche Beilagen aller Art beeinträchtigen die Gültigkeit der amtlichen Stimmzettel nicht."

2. Über die Wahlanfechtung wurde erwogen:

2.1.1. Gemäß Art141 Abs1 lita B-VG erkennt der Verfassungsgerichtshof ua. über Anfechtungen von Wahlen zu den allgemeinen Vertretungskörpern, so auch über die Anfechtung einer Gemeinderatswahl (zB VfSlg. 8973/1980, 10610/1985). Nach Art141 Abs1 zweiter Satz B-VG kann eine solche Anfechtung auf die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens gegründet werden.

2.1.2. Nach §68 Abs1 VerfGG muss die Wahlanfechtung binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens, wenn aber in dem betreffenden Wahlgesetz ein Instanzenzug vorgesehen ist, binnen vier Wochen nach Zustellung des in letzter Instanz ergangenen Bescheides eingebracht werden.

Nun sieht zwar §83 Abs1 GWO 1998 administrative Einsprüche - iS eines Instanzenzuges nach §68 Abs1 VerfGG - vor, doch nur gegen "zahlenmäßige Ermittlungen" einer Gemeindewahlbehörde.

Zur Geltendmachung aller anderen (ds. alle nicht ziffernmäßige Ermittlungen betreffenden) Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens steht - weil insoweit ein zunächst zu durchlaufender Instanzenzug iS des §68 Abs1 VerfGG nicht eingerichtet ist - die unmittelbare Anfechtung der Wahl beim Verfassungsgerichtshof binnen vier Wochen nach Beendigung des Wahlverfahrens (erster Teilsatz des §68 Abs1 VerfGG) offen (vgl. zB VfSlg. 10610/1985, 11669/1988).

2.1.3. Im vorliegenden Fall strebt die ÖVP in ihrer Anfechtungsschrift nicht die - nach dem Gesagten dem Einspruchsverfahren nach §83 GWO 1998 vorbehaltene - Nachprüfung ziffernmäßiger Ermittlungen einer Wahlbehörde an; sie rügt vielmehr die Wertung mehrerer Stimmzettel als ungültig sowie weitere ebenfalls in den Bereich sonstiger Rechtswidrigkeiten des Wahlverfahrens fallende Umstände, wofür die sofortige Wahlanfechtung nach Art141 Abs1 lita B-VG eingeräumt ist.

Maßgebender Zeitpunkt für den Beginn des Laufes der vierwöchigen Frist zur Anfechtung ist in diesem Fall die Beendigung des Wahlverfahrens (s. VfSlg. 9085/1981, 10610/1985), d. i. bei Gemeindevertretungswahlen im Bundesland Salzburg die der jeweiligen Gemeindewahlbehörde obliegende Kundmachung des Wahlergebnisses in Form der Verlautbarung der Namen der gewählten Bewerber und Ersatzgewählten durch Anschlag an der Gemeindeamtstafel.

Diese Verlautbarung fand hier am 8. März 1999 statt.

Der letzte Tag der Anfechtungsfrist wäre demgemäß der 5. April 1999 gewesen. Da dieser Tag aber ein Feiertag (Ostermontag) war, ist der nächste Werktag als letzter Tag der Frist anzusehen (§126 Abs2 ZPO iVm §35 Abs1 VerfGG), weshalb die am 6. April 1999 persönlich beim Verfassungsgerichtshof überreichte Wahlanfechtungsschrift (s. Punkt 1.2.1.) rechtzeitig eingebracht wurde.

2.1.4. Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen zutreffen, ist die Wahlanfechtung zulässig.

2.2.1. Die einschreitende Wählergruppe begründet ihre Anfechtung wörtlich wie folgt:

"Bei der Stimmenauszählung kam es in mehreren Sprengeln zu rechtswidrigen Entscheidungen hinsichtlich der Gültigkeit oder Ungültigkeit von abgegebenen Stimmen.

Im Sprengel I gab es zwei Stimmzettel, bei denen zuerst die FPÖ angekreuzt wurde, diese dann durchgestrichen wurde und die ÖVP angekreuzt wurde. Und einen Fall, in dem die ÖVP (Schnittpunkt) angekreuzt wurde, jedoch die Linien so weit gezogen waren, daß alle Parteien scheinbar als angekreuzt gegolten haben. Diese Stimmzettel wurden als ungültig erklärt.

Im Sprengel II gab es einen Stimmzettel, bei dem zuerst die FPÖ angekreuzt wurde, diese dann durchgestrichen wurde und die ÖVP angekreuzt wurde.

Im Sprengel IV gab es einen Fall wie im Sprengel I.

Im Sprengel V wurde ein Fall wie das Beispiel im Sprengel I als gültig bewertet.

Im Sprengel VI fehlte im Kuvert der Gemeinderatswahl ein Stimmzettel, dieser wurde durch einen Blankostimmzettel einfach ersetzt und als ungültig bewertet.

Im Sprengel VII warf eine Wählerin den Stimmzettel und das Kuvert getrennt ein. Ein Gemeindebediensteter öffnete die Urne, suchte nach einem Kuvert, in dem ein Stimmzettel fehlte, und schob den Stimmzettel in das Kuvert. Danach wurde die Urne wieder verschlossen.

Im Sprengel VIII wurden ebenfalls mehrere Stimmzettel als ungültig bewertet und durch den Sprengelwahlleiter als ungültig erklärt.

...

Es ergibt sich somit, daß Rechtswidrigkeiten bei der Stimmenauszählung vorliegen, die von Einfluß auf das Wahlergebnis waren.

Wenn die Stimmzettel, die rechtswidrigerweise als ungültig angesehen wurden, als gültig gewertet worden wären, hätte sich bei Durchführung des Ermittlungsverfahrens gem. §76 Salzburger

Gemeindewahlordnung folgende Mandatsverteilung ergeben:

   ÖVP:                              9 Mandate

   SPÖ:                             12 Mandate

   FPÖ:                              4 Mandate".

2.2.2. Die SPÖ legt dazu ua. wörtlich dar:

"In der Beschwerde wird angeführt, daß Stimmzettel, bei denen zuerst die FPÖ angekreuzt wurde, diese dann durchgestrichen wurde und die ÖVP angekreuzt wurde, als ungültig erklärt worden seien. Dies sei sowohl im Sprengel 1 als auch im Sprengel 2 und Sprengel 4 vorgekommen. Dazu wird angemerkt, daß diese Beurteilung den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Gemäß §70 Abs1 Z. 4 GWO 1998 ist der Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertretung ungültig, wenn zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet sind. Gemäß der einschlägigen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes kommt es hierbei in keiner Weise auf die Art oder Intensität der Kennzeichnung an ... . Dies bedeutet, daß allein die Tatsache, daß zwei Parteilisten angezeichnet sind, ganz egal in welcher Stärke und in welcher Art und Weise, dieser Stimmzettel als ungültig zu beurteilen ist. Die Beurteilung dieser Stimmzettel als ungültig erfolgte somit nach Ansicht der SPÖ zu Recht.

Weiters wurde in der Beschwerde gerügt, daß in einem Fall, in dem die ÖVP (Schnittpunkt) angekreuzt wurde, jedoch die Linien soweit gezogen waren, daß alle Parteien scheinbar als angekreuzt gegolten haben, dieser Stimmzettel ebenfalls als ungültig erklärt worden sei. Dies sei ebenfalls im Wahlsprengel 1 vorgekommen. Auch in diesem Fall steht die Entscheidung mit den gesetzlichen Bestimmungen im Einklang. Gemäß §70 Abs1 Z. 5 GWO 1998 ist der Stimmzettel für die Wahl der Gemeindevertretung ungültig, wenn aus dem vom Wähler angebrachten Zeichen oder der sonstigen Kennzeichnung nicht eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste er wählen wollte. Der in der Beschwerde geschilderte Stimmzettel war eindeutig nach dieser Bestimmung als ungültig zu bewerten. Auch in diesem Punkt erscheint die Wahlanfechtung nach Ansicht der SPÖ als verfehlt. Ergänzend dazu wird aber ausgeführt, daß aus der Wahlniederschrift die im Sprengel 1 geschilderten Fälle und behaupteten Unrichtigkeiten nicht gegeben waren. Das gleiche gilt auch für den Sprengel 4.

In der Beschwerde wird gerügt, daß im Sprengel 6, im Kuvert für die Gemeindewahlen, ein Stimmzettel fehlte, dieser sei durch einen Blankostimmzettel einfach ersetzt und als ungültig gewertet worden. Diese behauptete Vorgangsweise steht im Widerspruch zu den Feststellungen laut Wahlniederschrift, in welcher ein darartiger Vorfall nicht vermerkt ist. Zur Erläuterung wird festgehalten, daß für die Gemeindewahlen (Bürgermeister- und Gemeindevertretungswahlen) zwei in unterschiedlichen Gelbtönen gehaltene Stimmzettel Verwendung fanden und beide Stimmzettel in ein Stimmkuvert mit der Aufschrift 'Gemeindewahlen' zu legen waren. Fehlte in dem Kuvert für die Gemeindewahlen einer dieser beiden Stimmzettel, so war gemäß Leitfaden des Amtes der Salzburger Landesregierung für die Landtags-, Gemeindevertretungs- und Bürgermeisterwahlen am 7.3.1999, Seite 21 Pkt. 31. litb und c vorzugehen. Dies heißt, daß je nach dem, ob der Stimmzettel für die Bürgermeisterwahl oder Gemeindevertretungswahl im Wahlkuvert nicht enthalten war, dieses Wahlkuvert mit dem Buchstaben 'A' bzw. 'B' zu versehen war und den ungültigen Stimmen bei der jeweiligen Wahl zuzurechnen und zuzuordnen war. Dies ist im Sprengel 6 auch geschehen, was sich zweifelsfrei aus der Wahlniederschrift ergibt. Darin ist ersichtlich, daß bei der Bürgermeisterwahl ein Wahlkuvert mit dem Buchstaben 'B' versehen wurde, d.h. der Stimmzettel für die Bürgermeisterwahl war nicht enthalten und daß bei der Gemeindevertretungswahl zwei Wahlkuverts mit dem Buchstaben 'A' versehen wurden, d.h. der Stimmzettel für die Gemeindevertretungswahl war im Wahlkuvert nicht enthalten. Damit sind aber die Beschwerdevorbringen nachweislich widerlegt, da in jenen Fällen, in denen ein Stimmzettel gefehlt hat, nach den Richtlinien der Landeswahlbehörde vorgegangen wurde und nicht wie behauptet ein Stimmzettel ins Kuvert hinzugefügt wurde. Jedenfalls bedeutet ein fehlender Stimmzettel eine ungültige Stimme bei der jeweiligen Wahl. Selbst wenn der behauptete Vorfall im Sprengel 6 stattgefunden hätte, was aber in Widerspruch zu den Feststellungen in der Wahlniederschrift steht, ergibt sich hinsichtlich des Wahlergebnisses keine Änderung, da diese Stimme in jedem Falle als ungültig auszuzählen ist.

Sofern in der Beschwerde auch angeführt wird, daß im Sprengel 5 ein Fall als gültig bewertet wurde, bei welchem zuerst die FPÖ angekreuzt wurde, diese dann durchgestrichen und die ÖVP angekreuzt wurde, so ist dazu seitens der SPÖ festzuhalten, daß diese Vorgangsweise nicht der Bestimmung des §70 Abs1 Z. 4 GWO entspricht, so daß die Beurteilung dieser Stimmzettel als gültige Stimmzettel unrichtig ist. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung dieser Stimmzettel wären diese Stimmen nicht für die ÖVP zu zählen gewesen und hätte daher die ÖVP im Sprengel 5 und somit im Gesamtergebnis entsprechend weniger Stimmen. Für das Wahlergebnis ist dies aber insofern nicht von Bedeutung, zumal sich dadurch an der Mandatszuteilung zu den einzelnen Parteien keine Änderung ergibt.

Soweit letztlich in der Beschwerde ohne Begründung angeführt wird, daß im Sprengel 8 ebenfalls mehrere Stimmzettel ungültig bewertet und durch den Sprengelwahlleiter als ungültig erklärt wurden, ist diese Feststellung völlig irrelevant. Allein der Umstand, daß Stimmzettel als ungültig bewertet werden, stellt noch keine Unrichtigkeit im Wahlverfahren dar. ...

Zusammenfassend ist festzuhalten, daß nach Ansicht der SPÖ im Zuge der Wahldurchführung und der Stimmenauszählung keine Rechtswidrigkeiten vorgelegen sind, welche Einfluß auf das Wahlergebnis hatten."

2.3.1. In der Wahlanfechtungsschrift der ÖVP wird zunächst ausgeführt: Es habe im Wahlsprengel I zwei Stimmzettel gegeben, bei denen zuerst die FPÖ angekreuzt, diese dann durchgestrichen und die ÖVP angekreuzt worden sei; in einem weiteren Fall sei "die ÖVP (Schnittpunkt) angekreuzt" worden, jedoch seien "die Linien so weit gezogen" gewesen, dass alle Parteien scheinbar als angekreuzt gegolten hätten. Diese Stimmzettel seien rechtswidriger Weise als ungültig gewertet worden. Sie wären als gültige Stimmen (für die ÖVP) zu werten gewesen.

2.3.2. Eine Durchsicht der 19 in einem Umschlag mit der Aufschrift "Stadtgemeinde Zell am See, Sprengel 1, 19 ungültige Stimmzettel, Gemeindevertretungswahl" befindlichen Stimmzettel durch den Verfassungsgerichtshof ergab, dass 17 davon leere Stimmzettel sind; die restlichen 2 Stimmzettel zeigen folgendes Bild:

STIMMZETTEL NICHT DARSTELLBAR !!!

Selbst wenn die Anfechtungswerberin mit ihrem Vorbringen diese beiden Stimmzettel gemeint haben sollte, was im Hinblick auf die abweichende Beschreibung dieser Stimmzettel nicht eindeutig ist, ist darauf hinzuweisen, dass die Bewertung dieser beiden Stimmzettel als ungültige Stimmen rechtmäßig war, wie folgende Überlegungen zeigen:

2.3.2.1. Einer der beiden Stimmzettel weist einen von links unten nach rechts oben führenden Strich auf, der sowohl über die Rubriken-Zeile als auch über die drei (je eine Listennummer, einen Kreis, eine bestimmte Kurz- und Parteibezeichnung enthaltenden) weiteren Zeilen reicht, wobei der neben der Kurzbezeichnung FPÖ vorgedruckte Kreis durchzogen ist. Die gültige Ausfüllung eines Stimmzettels erfordert nun, dass aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte (§66 Abs1 erster Satz GWO 1998). Dies ist der Fall, wenn der Wähler "in dem (...) neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass er die dazugehörige Parteiliste wählen wollte" (§66 Abs1 zweiter Satz GWO 1998). Diese von der GWO 1998 aufgestellten Voraussetzungen treffen auf den genannten Stimmzettel nicht zu, weil - wie eingangs festgehalten - der vom Wähler angebrachte Strich über alle vier Zeilen gezogen ist. Daran vermag auch nichts zu ändern, dass der neben der Kurzbezeichnung FPÖ vorgedruckte Kreis durchzogen ist; es kann nämlich bei dieser Konstellation weder davon gesprochen werden, dass "in dem (neben einer Parteibezeichnung, hier: FPÖ) vorgedruckten Kreis" ein "anderes Zeichen (mit Tinte, Farbstift oder Bleistift)" angebracht worden wäre, aus dem eindeutig hervorginge, dass der Wähler die dazugehörige Parteiliste wählen wollte (§66 Abs1 zweiter Satz GWO 1998), noch davon, dass der Wille des Wählers auf andere Weise eindeutig zu erkennen sei (§66 Abs1 dritter Satz GWO 1998).

Der in Rede stehende Stimmzettel wurde darum von der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels I zu Recht als ungültig abgegebene Stimme (§70 Abs1 Z5 GWO 1998) gewertet.

2.3.2.2. Der zweite Stimmzettel wiederum weist in den Kreisen neben den Parteibezeichnungen sowohl der SPÖ als auch der FPÖ Eintragungen auf, und zwar im Kreis für die SPÖ einen schrägen, den Kreis von links unten nach rechts oben durchziehenden Strich, der an zwei Stellen über den Kreisrand hinausreicht, und im Kreis für die FPÖ ein mehrfach ausgeführtes liegendes Kreuz. §66 Abs1 GWO 1998 legt im ersten Satz fest, dass der amtliche Stimmzettel (für die Wahl der Gemeindevertretung) gültig ausgefüllt ist, "wenn aus ihm eindeutig zu erkennen ist, welche Parteiliste der Wähler wählen wollte", und nennt anschließend im zweiten Satz bestimmte Fallkonstellationen, bei denen diese Voraussetzung jedenfalls zutrifft; wie oben ausgeführt nämlich dann, "wenn der Wähler in dem (...) neben jeder Parteibezeichnung vorgedruckten Kreis ein liegendes Kreuz oder ein anderes Zeichen mit Tinte, Farbstift oder Bleistift anbringt, aus dem eindeutig hervorgeht, dass er die dazugehörige Parteiliste wählen wollte." Im vorliegenden Fall sind auf dem hier in Rede stehenden, von der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels 1 als ungültig bewerteten Stimmzettel die neben den Kurzbezeichnungen SPÖ und FPÖ vorgedruckten Kreise mit einem Kreuz oder einem anderen Zeichen versehen, also - in strikter Wortinterpretation des §70 Abs1 Z4 GWO 1998 - "angezeichnet". Ein Stimmzettel (für die Wahl der Gemeindevertretung), auf dem zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet sind, ist aber nach der zwingenden Vorschrift des §70 Abs1 Z4 GWO 1998 in jedem Fall ungültig; Raum für Überlegungen, welcher der "angezeichneten Parteien" der Wähler den Vorzug gegeben haben könnte, bleibt unter solchen Voraussetzungen nicht mehr (vgl. VfSlg. 13017/1992).

Die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels I hat darum auch diesen Stimmzettel zu Recht als ungültig ausgefüllt gewertet. Beizufügen bleibt, dass §59 Abs3 GWO 1998 ausdrücklich regelt, wie vorzugehen ist, wenn dem Wähler beim Ausfüllen eines amtlichen Stimmzettels ein Fehler unterlief und die Aushändigung eines weiteren Stimmzettels begehrt wird.

2.4.1. Der Verfassungsgerichtshof geht auf Grund der Aktenlage des Weiteren davon aus, dass - in Übereinstimmung mit dem Anfechtungsvorbringen - einer der Stimmzettel aus dem Wahlsprengel II, die von der Sprengelwahlbehörde als ungültig gewertet wurden, in den Kreisen neben den Kurzbezeichnungen sowohl der ÖVP als auch der FPÖ Eintragungen aufweist, und zwar im Kreis für die ÖVP ein liegendes Kreuz und im Kreis für die FPÖ ein liegendes Kreuz sowie mehrere miteinander verbundene schräge Striche in Form einer Schraffur. Diese Stimmzettel seien - so die Anfechtungsschrift - rechtswidriger Weise als ungültig gewertet worden. Sie wären als gültige Stimmen für die ÖVP zu werten gewesen.

Der der Sachverhaltsannahme der Anfechtungswerberin entsprechende Stimmzettel weist folgendes Bild auf:

STIMMZETTEL NICHT DARSTELLBAR !!!

2.4.2. Der von der Anfechtungswerberin vorgebrachten Deutung des Wählerwillens hinsichtlich dieses Stimmzettels, dass zuerst die FPÖ angekreuzt, diese dann aber wieder durchgestrichen und schließlich die ÖVP angekreuzt worden sei, liegen aber nur Mutmaßungen über den Hergang der Stimmenabgabe zu Grunde, die nicht zwingend sind. Im vorliegenden Fall sind auf dem hier in Rede stehenden, von der Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels II als ungültig bewerteten Stimmzettel die neben den Kurzbezeichnungen ÖVP und FPÖ vorgedruckten Kreise mit Kreuzen oder anderen Zeichen versehen, also - in strikter Wortinterpretation des §70 Abs1 Z4 GWO 1998 - "angezeichnet". Wie schon unter Punkt 2.3.2.2. mit näherer Begründung, die auch für den hier zu beurteilenden Fall gilt, ausgeführt wurde, ist ein Stimmzettel (für die Wahl der Gemeindevertretung), auf dem zwei oder mehrere Parteilisten angezeichnet sind, nach der zwingenden Vorschrift des §70 Abs1 Z4 GWO 1998 in jedem Fall ungültig (vgl. die ebenfalls schon unter Pkt. 2.3.2.2. angeführte Vorjudikatur).

Die Sprengelwahlbehörde des Wahlsprengels II hat darum zu Recht den strittigen Stimmzettel als ungültig ausgefüllt gewertet.

2.5.1. Nach dem weiteren Anfechtungsvorbringen habe es im Wahlsprengel IV "einen Fall wie im Sprengel I" gegeben, sei im Wahlsprengel V "ein Fall wie das Beispiel im Sprengel I als gültig bewertet" worden und seien im Wahlsprengel VIII "ebenfalls mehrere Stimmzettel als ungültig bewertet und durch den Sprengelwahlleiter als ungültig erklärt" worden.

2.5.2. Der Verfassungsgerichtshof vertritt für das Wahlanfechtungsverfahren in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass die von der Wählergruppe (Partei) behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in der Anfechtungsschrift (selbst) hinreichend substanziiert werden muss (vgl. VfSlg. 9650/1983, 10226/1984, 11255/1987, 14556/1996; VfGH 12.12.1998 WI-5/98; s. auch VfSlg. 15033/1997). Das mit Beziehung auf die Wahlsprengel IV, V und VIII erstattete Vorbringen der Anfechtungswerberin entspricht diesem Erfordernis nicht. Die Anfechtungswerberin legt nämlich in ihrem Vorbringen zu Wahlsprengel IV in keiner Weise dar, welchen der beiden von ihr zum Wahlsprengel I angeführten Fälle sie dabei vor Augen hat. Auch in ihrem Vorbringen zu Wahlsprengel V legt sie weder dar, welche der von ihr zu Wahlsprengel I angeführten Fallkonstellationen hier gemeint sein soll, noch für welche Wählergruppe der als gültig erachtete Stimmzettel abgegeben worden sein soll; in ihrem Vorbringen zu Wahlsprengel VIII schließlich gibt sie überhaupt keine Begründung für die von ihr aufgestellte Rechtswidrigkeitsbehauptung.

Auf die Darlegungen der Anfechtungswerberin zu Vorgängen in den Wahlsprengeln IV, V und VIII konnte daher nicht weiter eingegangen werden.

2.6.1. Schließlich führt die Anfechtungswerberin aus, im Wahlsprengel VI habe "im Kuvert der Gemeinderatswahl" ein Stimmzettel gefehlt, welcher durch einen "Blankostimmzettel" ersetzt und als ungültig gewertet worden sei; im Wahlsprengel VII wiederum habe eine Wählerin Stimmzettel und Kuvert getrennt in die Wahlurne eingeworfen, worauf ein Gemeindebediensteter - nach dem weiteren Anfechtungsvorbringen - die Wahlurne öffnete, nach einem Kuvert, in dem ein Stimmzettel fehlte, suchte und den Stimmzettel in das Kuvert schob. Daraufhin sei die Wahlurne wieder verschlossen worden.

2.6.2. Auch dieses Vorbringen der Anfechtungswerberin kann nicht zur begehrten Aufhebung der Wahl zur Gemeindevertretung der Gemeinde Zell am See führen, weil es diesbezüglich - obwohl die behaupteten Vorgänge jedenfalls rechtswidrig wären (vgl. §54 Abs2, §59 Abs3 und §71 Abs3 GWO 1998) - am Erfordernis des Einflusses der behaupteten Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis (Art141 Abs1 dritter Satz B-VG, §70 Abs1 erster Satz VerfGG) mangelt. Die einschreitende Wählergruppe - die mit ihrer Anfechtungserklärung die Grenzen der Überprüfungsbefugnis des Verfassungsgerichtshofes im Wahlverfahren absteckt (VfSlg. 8700/1979, 9011/1981, 12289/1990) - nimmt nämlich eindeutig Bezug auf nur je "einen Stimmzettel", ohne eine das Wahlergebnis darüber hinaus verändernde Manipulation in diesem Zusammenhang auch nur zu behaupten (s. VfGH 6.10.1998 WI-3/97), bräuchte aber zusätzlich zu den 1499 bereits bei der Wahl erreichten Stimmen mindestens 4 weitere für sie als abgegeben gewertete (gültige) Stimmen, um als das 1/9 ihrer dann erreichten Parteisumme von 1503 die Zahl 167 zu erreichen, was der (bisherigen) Wahlzahl entspräche und zu einem Losentscheid über den Erhalt des von der Anfechterin begehrten 9. Mandates (zu Lasten der SPÖ) führte.

3. Da - zusammenfassend - die von der Anfechtungswerberin behaupteten Rechtswidrigkeiten zum einen nicht gegeben sind, zum anderen nicht (hinreichend) substanziiert wurden oder nicht von Einfluss auf das Wahlergebnis waren, musste der Wahlanfechtung insgesamt ein Erfolg versagt bleiben.

4. Gemäß §70 Abs1 letzter Satz VerfGG hat der Verfassungsgerichtshof in einem der Anfechtung stattgebenden Erkenntnis entweder das ganze Wahlverfahren oder von ihm genau zu bezeichnende Teile des Wahlverfahrens aufzuheben. Weder die Bundesverfassung noch andere gesetzliche Vorschriften räumen ihm jedoch die Kompetenz zur Erlassung von Verfügungen in der von der Anfechterin beantragten Art, "das Verfahren gemäß §§71 ff GWO 1998 für alle Sprengel neu durchzuführen und ebenso das Ermittlungsverfahren gemäß §76 GWO 1998 neu durchzuführen, eventuell alle ungültigen Stimmzettel neuerlich zu überprüfen", ein. Daher sind die nicht auf Nichtigerklärung des Wahlverfahrens gerichteten Anträge der Anfechtungswerberin unzulässig, weshalb ihnen aus diesem Grund nicht stattzugeben war.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wahlen, Stimmzettel, VfGH / Sachentscheidung Allg, VfGH / Fristen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:WI1.1999

Dokumentnummer

JFT_10008797_99W00I01_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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