TE Vwgh Erkenntnis 2003/1/29 2000/03/0065

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Veröffentlicht am 29.01.2003
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Index

90/02 Führerscheingesetz;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs2;
KFG 1967 §73 Abs1 idF 1990/458;
KFG 1967 §75 Abs2 idF 1990/458;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter über die Beschwerde des R in Salzburg, vertreten durch DDr. Manuela Aichinger, Rechtsanwalt in 5010 Salzburg, Mozartplatz 4, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 29. Juli 1999, Zl. UVS- 28/10.026/5-1999, betreffend Übertretung des Führerscheingesetzes, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe am 10. November 1997 um 12.45 Uhr in Salzburg, Makartplatz Nr. 5 (Anhalteort), einen nach dem Kennzeichen näher bestimmten Personenkraftwagen auf öffentlichen Straßen gelenkt, obwohl er nicht im Besitze einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkerberechtigung gewesen sei. Er habe dadurch eine Übertretung nach § 1 Abs. 3 FSG begangen, weshalb über ihn gemäß § 37 Abs. 3 iVm Abs. 1 FSG eine Geldstrafe in der Höhe von S 5.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) verhängt wurde.

Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass die Bundespolizeidirektion Salzburg dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 8. Oktober 1992 gemäß § 75 Abs. 2 KFG 1967 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A/C/E entzogen habe. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Dem Beschwerdeführer sei damit auch die Lenkberechtigung für die Klasse B entzogen, weil Voraussetzung für den Erwerb der Lenkberechtigung für die Klasse C der Besitz der Lenkberechtigung für die Klasse B sei. Wenn daher einer Person die Lenkberechtigung für die Gruppe C entzogen werde, so sei von diesem Entzug auch die Lenkberechtigung für die Gruppe B mitumfasst. Einer ausdrücklichen Erwähnung, dass auch die Lenkberechtigung für die Gruppe B entzogen werde, bedürfe es daher nicht, da die Voraussetzungen für den Entzug bestimmter Gruppen der Lenkberechtigung mit der Erteilung derselben korrespondierten. Beim Beschwerdeführer sei die Entziehung der Lenkberechtigung auf der Grundlage des § 75 Abs. 2 KFG 1967 erfolgt, da der Beschwerdeführer trotz rechtskräftigen Bescheides der Bundespolizeidirektion Salzburg vom 1. Juli 1992 der Aufforderung, sich innerhalb von sechs Wochen nach Zustellung ärztlich untersuchen zu lassen, keine Folge geleistet habe. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 3 KFG (gemeint wohl: FSG) umfasse die Lenkberechtigung für die Klassen C und E, D und E oder für die Unterklasse C 1 plus E auch die Lenkberechtigung für die Klasse B plus E. Aus der zitierten Bestimmung erhelle, "dass Voraussetzung für den Erwerb der Lenkberechtigung der Gruppe C der Besitz der Lenkberechtigung B bzw die Absolvierung der Mindestschulung in den Lehrinhalten gemäß § 122 Abs 2 Z 2 lit d und Abs 3a oder die Vollausbildung, welche die Mindestschulung gemäß lit a umfasst". Mangels gültig erteilter Lenkberechtigung für die Klasse B habe der Beschwerdeführer kein Fahrzeug dieser Klasse lenken dürfen und habe er mit dem Lenken des gegenständlichen näher bezeichneten PKW das gesetzliche Tatbild erfüllt. An Verschulden sei grobe Fahrlässigkeit bis bedingter Vorsatz vorzuwerfen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Antrag, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die Verwaltungsbehörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und von der Erstattung einer Gegenschrift abgesehen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Zutreffend hat die belangte Behörde die gegenständliche Tathandlung vom 10. November 1997 an Hand des mit 1. November 1997 in Kraft getretenen Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, beurteilt (§ 43 Abs. 1 FSG). Der Bescheid über die Entziehung der Lenk(er)berechtigung für die Gruppen A/C/E vom 8. Oktober 1992 hingegen basiert auf § 75 Abs. 2 KFG1967 in der Fassung BGBl. Nr. 458/1990 und ist an Hand der damaligen Rechtslage zu beurteilen.

Die für den Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen lauten

wie folgt:

§ 1 Abs. 1 und 3 FSG lauten:

"Geltungsbereich

§ 1. (1) Dieses Bundesgesetz gilt für das Lenken von Kraftfahrzeugen und das Ziehen von Anhängern entsprechend den Begriffsbestimmungen des Kraftfahrgesetzes 1967, BGBl. Nr. 267, auf Straßen mit öffentlichem Verkehr."

(...)

"(3) Das Lenken eines Kraftfahrzeuges und das Ziehen eines Anhängers ist, ausgenommen in den Fällen des Abs. 5, nur zulässig mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse ( § 2 ), in die das Kraftfahrzeug fällt."

§ 40 Abs. 1 erster Satz FSG lautet:

"Lenkerberechtigungen, die auf Grund der vor dem Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes in Geltung gewesenen Bestimmungen erteilt worden sind und die hierüber ausgestellten Bestätigungen (Führerscheine) bleiben, sofern nichts anderes bestimmt ist, unberührt."

§ 73 Abs. 1 und § 75 Abs. 2 des Kraftfahrgesetzes 1967 - KFG, BGBl. Nr. 267/1967 in der Fassung BGBl. Nr. 458/1990 - lauteten folgendermaßen:

"§ 73. (1) Besitzern einer Lenkerberechtigung, die nicht mehr im Sinne des § 66 verkehrszuverlässig, nicht mehr geistig oder körperlich geeignet oder nicht mehr fachlich befähigt sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken, ist die Lenkerberechtigung entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit ganz oder nur hinsichtlich bestimmter Gruppen zu entziehen oder durch Befristungen, Auflagen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit einzuschränken; dies gilt auch sinngemäß, wenn die geistige und körperliche Eignung nicht mehr in vollem Umfang gegeben ist oder nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und Nachuntersuchungen erforderlich sind. ...

§ 75. ... (2) Vor der Entziehung der Lenkerberechtigung wegen mangelnder geistiger oder körperlicher Eignung ist ein neuerliches ärztliches Gutachten gemäß § 67 Abs. 2, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten über die fachliche Befähigung gemäß § 67 Abs. 3 einzuholen. Leistet der Besitzer einer Lenkerberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, sich ärztlich untersuchen zu lassen, zu Erstattung des ärztlichen Gutachtens erforderliche Befunde zu erbringen oder die Lenkerprüfung neuerlich abzulegen, keine Folge, so ist ihm die Lenkerberechtigung zu entziehen."

Unstrittig ist im gegenständlichen Fall, dass der Beschwerdeführer am 10. November 1997 um 12.45 Uhr in Salzburg, Makartplatz 5, den näher bezeichneten PKW auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt hat.

Die von der belangten Behörde für die gegenständliche Verwaltungsübertretung herangezogene Norm des § 1 Abs. 3 FSG sieht als Tatbestandsmerkmal vor, dass das Lenken eines Kraftfahrzeuges nur zulässig ist "mit einer von der Behörde erteilten gültigen Lenkberechtigung für die Klasse oder Unterklasse (§ 2), in die das Kraftfahrzeug fällt." Für das Lenken des gegenständlichen Kraftfahrzeuges, eines PKW, bedurfte es gemäß § 2 Abs. 1 Z. 2 lit. a. leg. cit. einer Lenkberechtigung für die Klasse B. Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid zwar Feststellungen darüber, wann dem Beschwerdeführer Lenkberechtigungen für Fahrzeuge welcher Klassen (Lenkerberechtigungen für Fahrzeuge welcher Gruppen nach dem KFG 1967) im Einzelnen erteilt worden waren, nicht getroffen, es geht jedoch aus der Anzeige vom 25. November 1997 hervor, dass der Beschwerdeführer bei der Anhaltung am 10. November 1997 "eine Kopie des Führerscheines, Nr. 5060/89, am 12.3.1990 von der BPD Innsbruck für die Gruppe A/B ausgestellt" vorgewiesen hat. Es kann daher davon ausgegangen werden, dass dem Beschwerdeführer am 12. März 1990 die Lenkerberechtigung für die Gruppe B erteilt worden war. Grundlegend für die Entscheidung der belangten Behörde war die Feststellung, dass dem Beschwerdeführer mit Bescheid vom 8. Oktober 1992 die Lenkerberechtigung für die Gruppen A/C/E entzogen worden war.

Der Beschwerdeführer rügt die Rechtsauffassung der belangten Behörde, er sei nicht im Besitz einer gültigen Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B gewesen, weil die Entziehung der Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse C die Entziehung der Lenkberechtigung für Fahrzeuge der Klasse B nach sich ziehe. Die belangte Behörde habe zwar richtigerweise festgehalten, dass Voraussetzung für den Erwerb der Lenkberechtigung der Klasse C eine Lenkberechtigung der Klasse B sei, was sich schon aus § 20 Abs. 1 Führerscheingesetz, wie auch aus der Vorläuferbestimmung im KFG (§ 64 ff) ergebe. Gemäß § 73 Abs. 1 KFG wie auch § 24 Abs. 2 FSG könne jedoch die Lenkerberechtigung auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen entzogen werden. Genau dies habe die belangte Behörde im vorliegenden Fall getan, da sie im Bescheid vom 8. Oktober 1992 lediglich die Lenkerberechtigung für die Gruppen A, C und E entzogen habe. Es sei jedoch weder in §§ 73 ff KFG noch im FSG ausdrücklich vorgesehen, dass für einen solchen Fall auch eine Entziehung der Klasse B miteingeschlossen sei. Auch im Analogieweg sei eine derartige Rechtsfolge nicht ermittelbar.

Dieses Vorbringen ist zielführend. Der von der belangten Behörde gezogene rechtliche Schluss, wonach die Entziehung der Lenkerberechtigung für Fahrzeuge der Gruppe C auch die Lenkerberechtigung für die Gruppe B mitumfasse, findet keine gesetzliche Deckung. Die belangte Behörde führt aus, dass Voraussetzung für den Erwerb der Lenkberechtigung für die Klasse C der Besitz der Lenkberechtigung für die Klasse B sei, was nach Ansicht der belangten Behörde aus "§ 2 Abs 3 Satz 3 KFG" erhellt, da "gemäß § 2 Abs 3 Satz 3 KFG die Lenkberechtigung für die Klasse C und E, D und E oder für die Unterklasse C1 plus E auch die Lenkberechtigung für die Klasse B plus E" umfasst. Daraus ist für ihren Standpunkt aber nichts gewonnen.

Zunächst ist festzuhalten, dass der von der belangten Behörde zitierte Gesetzestext in § 2 Abs. 3 Satz 3 FSG enthalten ist, und die belangte Behörde somit zur Auslegung des Bescheides vom 8. Oktober 1992 das Führerscheingesetz 1997, welches erst mit 1. November 1997 in Kraft getreten ist, herangezogen hat. Abgesehen davon ist die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation weder nach den Bestimmungen des KFG 1967 noch nach denen des FSG zulässig, worauf der Beschwerdeführer mit Recht hinweist. Aus § 73 Abs. 1 KFG 1967 ging hervor, dass eine Lenkerberechtigung "ganz" oder "nur hinsichtlich bestimmter Gruppen" zu entziehen war. Eine sachliche Grundlage dafür, dies für Entziehungen nach § 75 Abs. 2 KFG 1967 anders zu beurteilen, kann nicht erblickt werden. In gleicher Weise sieht nunmehr § 24 Abs. 2 FSG vor, dass die Entziehung (oder Einschränkung) der Lenkberechtigung auch nur "hinsichtlich bestimmter Klassen" ausgesprochen werden kann und normiert in derselben Bestimmung abschließend, dass eine Entziehung der Lenkberechtigung für die Klasse B jedenfalls eine Entziehung für die Klassen C (C1) und D sowie eine Entziehung einer der Klassen C (C1) oder D die Entziehung der jeweils anderen Klasse nach sich zieht. Dass eine Entziehung der Lenk(er)berechtigung der Klasse bzw. Gruppe C jedenfalls auch den Verlust der Lenk(er)berechtigung der Klasse bzw. Gruppe B nach sich zöge, lässt sich aus diesen Bestimmungen hingegen nicht ableiten.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001 (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 29. November 2002, A 9/01). Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand bereits enthaltene Umsatzsteuer.

Wien, am 29. Jänner 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000030065.X00

Im RIS seit

02.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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