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L67008 Ausländergrunderwerb Grundverkehr Vorarlberg;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des OH in B, Deutschland, vertreten durch Dr. Fritz Miller, Rechtsanwalt in 6780 Schruns, Gerichtsweg 2, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 4. Juni 2002, Zl. 3-1- 19/02/K4, betreffend Aussetzung eines Verfahrens in Angelegenheit grundverkehrsbehördliche Genehmigung nach dem Vorarlberger Grundverkehrsgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer suchte mit Antrag vom 11. Jänner 2002 um die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung des Erwerbes eines näher bezeichneten Grundstückes in S an. Die Grundverkehrs-Landeskommission versagte mit Bescheid vom 4. März 2002 gemäß § 8 Abs. 3 lit. a des Vorarlberger Grundverkehrsgesetzes (VGVG), LGBl. Nr. 29/2000, die beantragte Genehmigung. Auf Grund der dagegen erhobenen Berufung führte die belangte Behörde eine öffentliche mündliche Verhandlung durch und setzte in der Folge mit dem angefochtenen Bescheid ("Beschluss") das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur Beendigung des Vorabentscheidungsverfahrens vor dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), welcher mit Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch vom 10. Juli 2001, C-300/01-1 (Grundbuchssache der Antragstellerin DS) angerufen worden sei, aus.
Das Landesgericht Feldkirch habe "mit dem erwähnten Beschluss vom 10.7.2001 dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen mit dem Ersuchen um Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:
'1. Können sich Bürger eines Mitgliedstaates der Europäischen Union für einen innerstaatlichen Vorgang auf die Kapitalverkehrsfreiheit berufen, wenn das nationale Recht das Verbot der Inländerdiskriminierung vorsieht, andererseits aber Unionsbürgern die Kapitalverkehrsfreiheit nicht ausdrücklich im nationalen Gesetz garantiert.
2. Ist es mit der Kapitalverkehrsfreiheit vereinbar, dass für den Erwerb eines unbebauten Baugrundstückes eine konstitutive grundverkehrsbehördliche Genehmigung erforderlich ist?
3. Welche Wirkung hat die Stillhalteklausel des Anhangs XII
Z. 1 lit. e zum EWRA auf ihrer Art nach völlig neue Arten von grundverkehrsrechtlichen Genehmigungstatbeständen, die erst nach der am 02. Mai 1992 stattgefundenen Unterzeichnung des EWR-Abkommens neu geschaffen wurden.'"
Die Beantwortung dieser Fragen bilde auch im gegenständlichen Fall eine Vorfrage. Die Voraussetzungen des § 38 AVG lägen vor.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unter einer Vorfrage im Sinne der §§ 38 und 69 Abs. 1 Z. 3 AVG 1950 ist eine für die Entscheidung der Verwaltungsbehörde präjudizielle Rechtsfrage zu verstehen, über die als Hauptfrage von anderen Verwaltungsbehörden oder von den Gerichten oder auch von derselben Behörde, jedoch in einem anderen Verfahren zu entscheiden ist. Eine Vorfrage in diesem Sinne liegt vor, wenn der Tatbestand ein Element enthält, das für sich allein Gegenstand der bindenden Entscheidung einer anderen Behörde (oder derselben in einem anderen Verfahren) ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 1991, Zl. 91/02/0021).
Im gegenständlichen Verfahren ist nicht strittig, dass es sich im vorliegenden Fall um ein unbebautes Baugrundstück handelt, weil es sich bei der auf der Kaufliegenschaft befindlichen Doppelgarage nicht um ein Wohn- oder Betriebsgebäude handelt, weshalb die Kaufliegenschaft im Sinne des § 2 Abs. 3 VGVG als nicht bebaut gilt.
Der Beschwerdeführer bezweifelt, dass es sich bei der Beantwortung der vom Landesgericht Feldkirch in dessen Beschluss vom 10. Juli 2001 gestellten Fragen um auch im gegenständlichen Verfahren relevante Vorfragen handle, weil das Vorabentscheidungsverfahren eine Grundbuchsangelegenheit und keine Genehmigung nach § 8 Abs. 3 lit. a des VGVG betreffe.
Damit verkennt der Beschwerdeführer, dass - wie im genannten Beschluss des Landesgerichtes Feldkirch richtig ausgeführt - der Kauf unbebauter Grundstücke gemäß § 8 Abs. 1 und 3 VGVG - sofern der Rechtserwerb nicht gemäß § 7 leg. cit. genehmigungsfrei ist - stets einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf, die konstitutiv wirkt (§ 29 VGVG). Das Eigentum am Kaufgrundstück entsteht erst durch die von den Gerichten durchzuführende Eintragung im Grundbuch (§ 431 ABGB). Anlässlich der Bewilligung dieser Eintragung hat das Grundbuchsgericht zu prüfen, ob eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung vorliegt, bzw. wenn nicht, ob eine solche erforderlich ist, oder ob der Eigentumserwerb allenfalls grundverkehrsbehördlich genehmigungsfrei ist (§ 30 VGVG). In vergleichbarer Weise hat die Grundverkehrsbehörde - auch - in einem (wie hier) durch Antrag einer Partei auf Genehmigung eines Rechtsgeschäftes betreffend einen Grundverkehr initiierten Verfahren zu prüfen, ob eine grundverkehrsbehördliche Genehmigung erforderlich ist, eine Erklärung gemäß § 7 VGVG ausreicht oder das Rechtsgeschäft allenfalls grundverkehrsbehördlich genehmigungsfrei ist (vgl. die §§ 17 und 18, insbesondere dessen Abs. 2 VGVG). Deshalb ist es zur Beurteilung der Kausalität der vom Landesgericht Feldkirch an den EuGH gestellten Fragen für den der belangten Behörde vorliegenden Fall gleichgültig, in welcher Form die Grundverkehrssache an die Behörde bzw. das Gericht herangetragen wurde.
Das antragstellende Gericht erachtete für die im Vorlagefall zu lösende Rechtsfrage als maßgeblich, ob die Kapitalverkehrsfreiheit einem Tatbestand "des Erfordernisses einer konstitutiven grundverkehrsbehördlichen Genehmigung" entgegenstehe (vgl. die daraus abgeleitete zweite Frage).
Die Lösung dieser auch im gegenständlichen Fall entscheidenden Frage hängt von der Beantwortung der in der dritten Frage des anfragenden Landesgerichtes angeführten "Stillhalteklausel" ab. Die belangte Behörde ging zu Recht davon aus, dass die Beantwortung der 2. und 3. Frage des Landesgerichtes Feldkirch zum Thema, ob bzw. in welchem Umfang innerstaatliches Recht durch die genannten Bestimmungen des Gemeinschaftsrechtes verdrängt wurde, auch im gegenständlichen Fall jede für sich eine Vorfrage im Sinne des § 38 AVG bildet, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von diesem Gericht zu entscheiden und dort schon Gegenstand eines anhängig gemachten Verfahrens ist. Dass diese Fragen im gegenständlichen Zusammenhang mit dem VGVG vom EuGH schon entschieden worden wären (sodass sie als geklärt angesehen werden müssten), wird vom Beschwerdeführer nicht vorgebracht und ist auch sonst nicht hervorgekommen.
Es liegen daher die Voraussetzungen des § 38 AVG vor, weshalb die belangte Behörde zu Recht mit einer Aussetzung des Berufungsverfahrens vorgehen durfte (vgl. den hg. Beschluss vom 25. Jänner 2002, Zl. 2001/02/0247). Da es schon hinreicht, dass eine der gestellten Fragen die belangte Behörde zu einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 38 AVG berechtigte, braucht auf die 1. Frage nicht mehr eingegangen zu werden.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 31. Jänner 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002020158.X00Im RIS seit
06.05.2003