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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des WA in S, vertreten durch Dr. Robert Galler, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Künstlerhausgasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 8. November 2002, Zl. Senat-AM-02-0091, betreffend Abweisung eines Antrages auf Wiedereinsetzung in der vorigen Stand in Angelegenheit Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Auf Grund der Beschwerde und des mit ihr vorgelegten angefochtenen Bescheides steht folgender Sachverhalt fest:
Der Beschwerdeführer wurde mit Strafverfügung der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 2. April 2002 mit einer Geldstrafe bestraft. Dieser Bescheid wurde am 12. April 2002 vom Beschwerdeführer eigenhändig übernommen. Der Beschwerdeführer, "zwischenzeitig anwaltlich vertreten", gab den dagegen gerichteten Einspruch erst am 29. April 2002 zur Post. Er wurde von der Behörde erster Instanz als verspätet zurückgewiesen.
Mit Schreiben vom 27. Mai 2002 beantragte der Beschwerdeführer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Der Umstand der Verspätung des Einspruchs sei erst mit dem Zurückweisungsbescheid bekannt geworden. Auf Grund eines Versehens einer zuverlässigen Kanzleikraft des bevollmächtigten Rechtsanwaltes sei die Strafverfügung mit dem Eingangsstempel 15. April 2002 versehen worden, obwohl die Übernahme bereits am 12. April 2002 persönlich durch den Beschwerdeführer erfolgt und dies dieser Kanzleikraft auch mitgeteilt worden sei. Die Frist für die Einspruchserhebung sei sodann im Fristenkalender mit 29. April 2002 eingetragen worden. Dieser Fehler der sonst zuverlässigen Sekretärin beruhe auf Fahrlässigkeit. Wie sich aus der beigelegten eidesstättigen Erklärung ergebe, sei der Akt sodann dem Vertreter des Beschwerdeführer Dr. G vorgelegt worden und habe dieser die eingetragene Frist kontrolliert. Auf Grund des falschen Eingangsvermerkes habe ihm aber der entsprechende Fehler nicht auffallen können.
Dieser Antrag wurde mit dem im Instanzenzug ergangenen,
nunmehr angefochtenen Bescheid abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG ist gegen die Versäumung einer Frist oder einer mündlichen Verhandlung auf Antrag der Partei, die durch die Versäumung einen Rechtsnachteil erleidet, die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand dann zu bewilligen, wenn die Partei glaubhaft macht, dass sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis verhindert war, die Frist einzuhalten oder zur Verhandlung zu erscheinen und sie kein Verschulden oder nur ein minderer Grad des Versehens trifft.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist das Verschulden des Vertreters einer Partei an der Fristversäumung dem Verschulden einer Partei selbst gleichzuhalten, während jenes eines Kanzleibediensteten eines bevollmächtigten Rechtsanwaltes dem Rechtsanwalt (und damit der Partei) nur dann als Verschulden anzurechnen ist, wenn er die ihm zumutbare und nach der Sachlage gebotene Überwachungspflicht diesem Bediensteten gegenüber unterlassen hat.
In diesem Zusammenhang ist davon auszugehen, dass die Organisation des Kanzleibetriebes eines Rechtsanwaltes so einzurichten ist, dass die erforderliche und fristgerechte Setzung von Prozesshandlungen sichergestellt wird, wobei durch ein entsprechendes Kontrollsystem dafür vorzusorgen ist, das Unzulänglichkeiten durch menschliches Versagen aller Voraussicht nach auszuschließen sind (vgl. zum Ganzen z.B. den hg. Beschluss vom 11. Mai 1998, Zlen. 97/10/0236, 98/10/0067).
Von einem einen minderen Grad des Versehens nicht übersteigenden Verschulden kann dann keine Rede sein, wenn die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt wird (vgl. zum Erfordernis größtmöglicher Sorgfalt bei der Einhaltung von Rechtsmittelfristen etwa das hg. Erkenntnis vom 15. September 1994, Zl. 94/09/0141).
Nach der hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 25. November 1997, Zl. 97/02/0375) ist für die richtige Beachtung (Berechnung) der Rechtsmittelfristen in einer Rechtsanwaltskanzlei allerdings stets der Rechtsanwalt verantwortlich, sodass er selbst die Fristen zu setzen hat.
Somit durfte sich der den Beschwerdeführer vertretende Rechtsanwalt in Bezug auf das Datum der direkt an den (zu diesem Zeitpunkt noch nicht vertretenen) Beschwerdeführer erfolgten Zustellung der Strafverfügung - und damit auf das den Beginn der Einspruchsfrist bestimmende Datum - keineswegs auf den "Eingangsstempel" seiner Kanzlei verlassen. Er hätte entweder durch entsprechende organisatorische Maßnahmen dafür sorgen müssen, dass schon bei der Übernahme der Strafverfügung ein Vermerk über die schon früher erfolgte Zustellung gesetzt wird oder dieses Datum bei Berechnung der Einspruchsfrist durch entsprechende Feststellungen eruieren müssen. Er hat daher im Sinne der oben dargestellten Rechtsprechung die zur Einhaltung von Fristen erforderliche Sorgfalt gröblich verletzt.
Bereits der Inhalt der Beschwerde lässt erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, weshalb die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG
ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen war.
Wien, am 31. Jänner 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003020006.X00Im RIS seit
06.05.2003