Index
41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs4 Z1 idF 1998/I/124;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2002/01/0450 E 18. Februar 2003 2002/01/0451 E 18. Februar 2003 2002/01/0452 E 18. Februar 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des M in D, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. März 2002, Zl. 2-11.M/ 853 - 01/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers - eines Staatsangehörigen der (damaligen) Bundesrepublik Jugoslawien - auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft und den damit verbundenen Antrag auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehegattin und die beiden gemeinsamen mj. Kinder gemäß §§ 10 Abs. 4 Z 1, 16, 17 Abs. 1 Z 1 und 18 iVm § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) ab.
Der Beschwerdeführer sei erstmals am 15. Dezember 1993 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt und weise somit noch keinen zehnjährigen Wohnsitz in Österreich auf. Zwar könne von dieser Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 1 StbG abgesehen werden, wenn ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliege, doch habe ein solcher Umstand beim Beschwerdeführer nicht festgestellt werden können. Das gelte ungeachtet dessen, dass ihm (nach der Aktenlage mit Bescheid vom 21. April 1999) Asyl gewährt worden sei, weil gemäß dem an die Asylgewährung anknüpfenden besonders berücksichtigungswürdigen Grund des § 10 Abs. 5 Z 4 StbG ab Anerkennung des Flüchtlingsstatus eine Wohnsitzdauer von mindestens vier Jahren gegeben sein müsse. Auch eine nachhaltige persönliche und berufliche Integration vermöge der Beschwerdeführer nicht nachzuweisen.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift seitens der belangten Behörde erwogen:
Im gegenständlichen Fall geht es darum, ob dem im Zeitpunkt der Bescheiderlassung erst rund acht Jahre in Österreich aufhältigen Beschwerdeführer - im Hinblick auf § 10 Abs. 4 Z 1 iVm Abs. 5 StbG (Vorliegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes) - die Staatsbürgerschaft verliehen werden kann, obwohl er die (zeitliche) Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 1 leg. cit. (ununterbrochener zehnjähriger Hauptwohnsitz im Bundesgebiet) nicht erfüllt.
Die Regelungen des StbG über eine vorzeitige Verleihung der Staatsbürgerschaft wegen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes wurden durch die Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, völlig neu gestaltet. Diesbezüglich ordnet § 10 StbG nunmehr Folgendes an:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
1. er seit mindestens zehn Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat;
...
(2) ...
(3) ...
(4) Von der Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 kann abgesehen werden
1. aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund, sofern es sich um einen Minderjährigen, der seit mindestens vier Jahren, oder um einen Fremden handelt, der seit mindestens sechs Jahren seinen Hauptwohnsitz ununterbrochen im Bundesgebiet hat, es sei denn, es wäre in Abs. 5 hinsichtlich dieser Wohnsitzdauer anderes vorgesehen;
2. ...
(5) Als besonders berücksichtigungswürdiger Grund (Abs. 4 Z 1) gilt insbesondere
1. der Verlust der Staatsbürgerschaft anders als durch Entziehung (§§ 33 und 34) oder
2. bereits erbrachte und zu erwartende besondere Leistungen auf wissenschaftlichem, wirtschaftlichem, künstlerischem oder sportlichem Gebiet oder
3. der Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration oder
4. die Gewährung von Asyl nach dem Asylgesetz 1997, BGBl. I Nr. 76, einschließlich der Asylberechtigung (§ 44 Abs. 6 AsylG) nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren oder
5. der Besitz der Staatsangehörigkeit einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen), BGBl. Nr. 909/1993, nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren oder
6. die Geburt im Bundesgebiet.
(6) ..."
In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zur Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 heißt es zunächst im Allgemeinen Teil (1283 BlgNR 20. GP 6; vgl. auch den Ausschussbericht, 1320 BlgNR 20. GP 1):
"1. Die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft ist der letzte Schritt einer geglückten Integration Fremder in Österreich. Diesem Grundsatz soll durch die vorliegende Novelle des Staatsbürgerschaftsgesetzes insofern Rechnung getragen werden, als die Fristen zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft zwar grundsätzlich unangetastet bleiben, unter besonders berücksichtigungswürdigen - integrationsindizierenden oder integrationsfreundlichen - Umständen jedoch verkürzt werden können; beispielsweise handelt es sich dabei um Minderjährige, Asylberechtigte, EWR-Bürger (vier Jahre Wohnsitzdauer) oder um Fremde, die den Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integrationen erbringen (sechs Jahre Wohnsitzdauer). ..."
Zur Neufassung nach § 10 Abs. 4 Z 1 und Abs. 5 StbG wird darüber hinaus in den Erläuterungen (aaO., 8) spezifisch Nachstehendes ausgeführt:
"Abs. 4 Z 1 schlägt vor, dass unbegleiteten Minderjährigen die Staatsbürgerschaft aus besonders berücksichtigungswürdigem Grund bereits nach einer Wartefrist von vier Jahren verliehen werden kann. ...
Bei Erwachsenen beträgt die Mindestwartefrist für die Einbürgerung aus besonders berücksichtigungswürdigen Gründen grundsätzlich sechs Jahre, es sei denn, der Fremde fällt in eine der Ausnahmegruppen des Abs. 5 Z 4 und 5.
...
Der eingefügte Abs. 5 soll der einheitlichen Vollziehung des Gesetzes insofern dienlich sein, als nunmehr einzelne besonders berücksichtigungswürdige Gründe demonstrativ genannt werden. Diese berücksichtigungswürdigen Gründe können einerseits im - besonders integrationsgeneigten - Status des Fremden liegen (EWR-Staatsangehöriger, Asylberechtigung), andererseits in der bereits erfolgten Integration ihre Grundlage haben. Der Entwurf geht davon aus, dass bei einer Durchschnittsbetrachtung EWR-Bürger, die ihren Hauptwohnsitz seit vier Jahren im Bundesgebiet haben, auf Grund der sozialen und kulturellen Nähe im Rahmen des europäischen Integrationsprozesses ein solches Maß an Integration erfolgt ist, dass damit keine Verletzung des sich aus dem Bundesverfassungsgesetz zur Durchführung des internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, BGBl. Nr. 390/1973, in Verbindung mit Art. 7 B-VG ergebenden Gleichbehandlungsgebotes erfolgt.
Z 4 normiert, dass sowohl Asylberechtigten gemäß AsylG 1997 als auch all jenen, die in § 44 Abs. 6 Asylgesetzes 1997 genannt sind, bereits nach einer Wartefrist von vier Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden kann. Nicht unter diese privilegierte Gruppe fallen jene Fremden, die eine befristete Aufenthaltsberechtigung gemäß § 15 AsylG 1997 haben. ..."
Die belangte Behörde vertritt die Auffassung, § 10 Abs. 5 Z 4 StbG setze für das Vorliegen des dort normierten besonders berücksichtigungswürdigen Grundes eine Wohnsitzdauer von vier Jahren ab Asylgewährung voraus. Bereits der Wortlaut dieser Bestimmung (im Zusammenhalt mit § 10 Abs. 4 Z 1 StbG) führt indes zu einem anderen Ergebnis. Auszugehen ist davon, dass § 10 Abs. 4 Z 1 StbG (vom Fall der hier nicht in Rede stehenden Minderjährigkeit des Einbürgerungswerbers abgesehen) grundsätzlich eine Mindestwohnsitzdauer von sechs Jahren (uzw. ab Begründung des Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet) verlangt, es sei denn, es wäre in Abs. 5 hinsichtlich dieser Wohnsitzdauer anderes vorgesehen. "Anderes" ist in Abs. 5 in den Tatbeständen der Z 4 und Z 5 vorgesehen, die - insoweit gleich lautend - unter zeitlichem Aspekt schlichtweg (und ohne einen besonderen Anfangszeitpunkt zu normieren) von "nach einer Wohnsitzdauer von vier Jahren" sprechen. Schon von da her verbietet sich die Auslegung der belangten Behörde. Im Übrigen verweist § 10 Abs. 4 Z 1 StbG ausschließlich auf eine "Andersregelung" der ab Begründung des Hauptwohnsitzes laufenden Wohnsitzdauer, während die Ansicht der belangten Behörde nicht auf eine solche "Andersregelung" dieser Wohnsitzdauer, sondern auf das Aufstellen einer zusätzlichen Voraussetzung zur Asylgewährung (nämlich eine vierjährige Wohnsitzdauer ab Asylgewährung) hinausliefe. Schließlich zeigt auch die Parallelität zum Tatbestand nach Z 5 eindeutig, dass Z 4 nur so verstanden werden kann, dass im Fall der Asylgewährung an die Stelle der sechsjährigen Wartefrist ab Begründung eines ununterbrochenen Hauptwohnsitzes in Österreich eine solche von bloß vier Jahren zu treten hat.
Unabhängig vom Gesetzeswortlaut lassen auch die oben auszugsweise wieder gegebenen Erläuterungen zur Regierungsvorlage klar erkennen, dass § 10 Abs. 5 Z 4 StbG eine Verkürzung der grundsätzlich in Abs. 4 Z 1 vorgesehenen sechsjährigen Wartefrist, nicht jedoch die Konstituierung eines zusätzlichen zeitlichen Kriteriums vor Augen hat. Während nämlich nirgendwo auf eine derartige ergänzende Voraussetzung hingewiesen wird, findet sich umgekehrt eine ausdrückliche Gleichsetzung von Asylberechtigten mit Minderjährigen und EWR-Bürgern, bei denen die Frist zur Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft auf vier Jahre verkürzt werde und denen Fremde, die den Nachweis nachhaltiger persönlicher und beruflicher Integration erbringen (mit erforderlicher sechsjähriger Wohnsitzdauer) gegenübergestellt werden. Dass schließlich die Rechtsansicht der belangten Behörde dazu führte, dass die in § 10 Abs. 5 Z 4 StbG primär genannte Gewährung von Asyl nach dem Asylgesetz 1997 erst nach dem 1. Jänner 2002 staatsbürgerschaftsrechtlich zum Tragen kommen könnte (das Asylgesetz 1997 ist am 1. Jänner 1998 in Kraft getreten, sodass erst ab diesem Zeitpunkt eine Asylgewährung nach dessen Bestimmungen in Frage kommt), obwohl § 10 Abs. 5 Z 4 StbG idF der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998 bereits am 1. Jänner 1999 in Kraft getreten ist (§ 64a Abs. 2 StbG), sei nur der Vollständigkeit halber erwähnt.
Kommt es nach dem Gesagten beim besonders berücksichtigungswürdigen Grund nach § 10 Abs. 5 Z 4 StbG nur darauf an, dass insgesamt - wann immer die Asylgewährung erfolgt sein mag - eine (ununterbrochene) Wohnsitzdauer von vier Jahren vorliegt, so hätte die belangte Behörde im Beschwerdefall (unter der Annahme, sie habe mit ihren Feststellungen, der Beschwerdeführer sei erstmals am 15. Dezember 1993 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, einen seither gegebenen ununterbrochenen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet zum Ausdruck bringen wollen) die Verwirklichung dieses Tatbestandes nicht verneinen dürfen. Indem sie zum gegenteiligen Ergebnis gelangte, hat sie den bekämpften Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb er - ohne dass auf die weitere Frage eingegangen werden müsste, ob der Beschwerdeführer iS des § 10 Abs. 5 Z 3 StbG nachhaltig persönlich und beruflich in Österreich verankert ist - gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abgesehen werden.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 18. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010142.X00Im RIS seit
05.05.2003