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24/01 Strafgesetzbuch;Norm
SPG 1991 §16 Abs2 Z3;Beachte
Serie (erledigt im gleichen Sinn): 2001/01/0064 E 18. Februar 2003Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des B in L, vertreten durch Mag. Klaus P. Pichler, Rechtsanwalt in 6850 Dornbirn, Schillerstraße 17, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Dornbirn vom 13. Februar 2001, Zl. III 1155.02/2001, betreffend Verpflichtung zur erkennungsdienstlichen Behandlung und Ladung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Mit Bescheid vom 13. Februar 2001 verpflichtete die Bezirkshauptmannschaft Dornbirn (die belangte Behörde) den Beschwerdeführer unter Androhung der zwangsweisen Vorführung "gemäß § 77 Abs. 2 und 3 SPG i.V.m. § 65 Abs. 1 und 4 SPG sowie § 19 AVG ..., binnen einer Woche nach Zustellung dieses Bescheides beim Bezirksgendarmeriekommando Dornbirn ... (Montag bis Freitag, 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr und 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr) zu erscheinen und sich erkennungsdienstlich behandeln zu lassen". Begründend führte die belangte Behörde aus, nach einer Mitteilung des Bezirksgendarmeriekommandos Dornbirn sei gegen den Beschwerdeführer wegen des Verdachtes nach § 27 SMG ermittelt worden. Er sei mit Schreiben der belangten Behörde vom 30. Jänner 2001 formlos aufgefordert worden, sich im Sinn des § 65 Abs. 1 SPG erkennungsdienstlich behandeln zu lassen; dieser Aufforderung sei er bis heute nicht nachgekommen. Gemäß § 65 Abs. 1 SPG seien die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der im Verdacht stehe, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen bandenmäßiger oder organisierter Kriminalität tätig geworden sei oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich erscheine. Auf Grund der Aktenlage werde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer am 13. Juli 1998 beim Zollamt Au auf frischer Tat betreten worden sei, als er versucht habe, 20,4 g Marihuana von der Schweiz nach Österreich zu schmuggeln. Hiebei habe er vor der Gendarmerie angegeben, dass er bereits im Sommer 1998 Joints geraucht hätte. Weiters werde als erwiesen angenommen, dass der Beschwerdeführer am 14. August 1999 von der Mobilen Überwachungsgruppe der Zollwache kontrolliert worden sei und hiebei 0,5 g Cannabiskraut bei sich gehabt habe; weiters, dass er am 1. Juni 2000 an der Hohenemserstraße in Lustenau von Beamten der Zollwacheabteilung kontrolliert und hiebei 0,4 g Cannabiskraut gefunden worden sei. Wegen des zuletzt angeführten Sachverhaltes sei der Beschwerdeführer vom Gendarmerieposten Lustenau am 22. September 2000 nach § 27 SMG bei der Staatsanwaltschaft Feldkirch angezeigt worden. Das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung erscheine daher nach Ansicht der belangten Behörde auf Grund der Art des begangenen Deliktes bzw. der konkreten Umstände bei der Tatbegehung gegeben. Weiters werde auf § 65 Abs. 4 SPG hingewiesen, wonach die Person, die erkennungsdienstlich zu behandeln sei, an den dafür erforderlichen Handlungen mitzuwirken habe. Komme der Betroffene der Aufforderung, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, nicht nach, so sei ihm nach § 77 Abs. 2 SPG die Verpflichtung gemäß § 65 Abs. 4 SPG bescheidmäßig aufzuerlegen. Sei wegen des für die erkennungsdienstliche Behandlung maßgeblichen Verdachtes eine Anzeige an die Staatsanwaltschaft erstattet worden, so gälten die im Dienste der Strafjustiz geführten Erhebungen als Ermittlungsverfahren zur Erlassung des Bescheides. Dieser könne in solchen Fällen mit einer Ladung (§ 19 AVG) zur erkennungsdienstlichen Behandlung verbunden werden.
Über die gegen diesen Bescheid gerichtete Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 16 Abs. 2 und 3 des Sicherheitspolizeigesetzes - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, Abs. 2 in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000, lauten auszugsweise:
"(2) Ein gefährlicher Angriff ist die Bedrohung eines Rechtsgutes durch die rechtswidrige Verwirklichung des Tatbestandes einer gerichtlich strafbaren Handlung, die vorsätzlich begangen und nicht bloß auf Begehren eines Beteiligten verfolgt wird, sofern es sich um einen Straftatbestand
...
3. nach dem Suchtmittelgesetz (SMG), BGBl. I Nr. 112/1997, handelt, es sei denn um den Erwerb oder Besitz eines Suchtmittels zum eigenen Gebrauch.
(3) Ein gefährlicher Angriff ist auch ein Verhalten, das darauf abzielt und geeignet ist, eine solche Bedrohung (Abs. 2) vorzubereiten, sofern dieses Verhalten in engem zeitlichen Zusammenhang mit der angestrebten Tatbestandverwirklichung gesetzt wird."
§ 65 Abs. 1 SPG in der im Beschwerdefall anzuwendenden
Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 85/2000 lautet:
"Erkennungsdienstliche Behandlung
§ 65. (1) Die Sicherheitsbehörden sind ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint."
Die amtswegige Vornahme einer erkennungsdienstlichen Behandlung (unter sicherheitspolizeilichen Gesichtspunkten) ist demnach klar an zwei Voraussetzungen geknüpft. Einerseits muss die betreffende Person in Verdacht stehen, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, andererseits muss sie im Rahmen krimineller Verbindungen tätig geworden sein oder es muss die erkennungsdienstliche Behandlung zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe dieser Person erforderlich scheinen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2001, Zl. 2001/01/0289, mwN).
Die Beschwerde tritt den Feststellungen im angefochtenen Bescheid über die Einfuhr und den Besitz von Suchtmitteln durch den Beschwerdeführer, worin die belangte Behörde offenbar die erste Voraussetzung nach § 65 Abs. 1 SPG für gegeben erachtete, nicht entgegen. Sie weist jedoch zu Recht darauf hin, dass sich die belangte Behörde mit dem Vorliegen der weiteren Tatbestandsmerkmale nur ungenügend auseinander gesetzt hat. Die diesbezügliche Begründung des angefochtenen Bescheides beschränkt sich auf die Ausführung, das Erfordernis einer erkennungsdienstlichen Behandlung erscheine nach Ansicht der belangten Behörde auf Grund der Art des begangenen Deliktes bzw. der konkreten Umstände bei der Tatbegehung gegeben, ohne dies konkret auf das von ihr festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers zu beziehen. So ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer allenfalls im Rahmen krimineller Verbindungen tätig geworden wäre bzw. ob zufolge § 16 Abs. 2 Z 3 SPG überhaupt ein gefährlicher Angriff in Hinkunft zu befürchten sei. Gleichfalls erweisen sich die wiedergegebenen Feststellungen für die Prognose, die erkennungsdienstliche Behandlung erscheine zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich, als nicht tragfähig. Was der Gesetzgeber unter "Vorbeugung" im Sinn des § 65 Abs. 1 SPG versteht, ergibt sich aus der im § 65 Abs. 5 zweiter Satz SPG getroffenen Anordnung, wonach der Betroffene im Zusammenhang mit der erkennungsdienstlichen Behandlung "darauf hinzuweisen" ist, "dass die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen und die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegen zu wirken" (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0320, sowie vom 12. November 2002, Zl. 2001/01/0048, mwN). Die belangte Behörde legte im angefochtenen Bescheid nicht dar, inwiefern das Wissen des Beschwerdeführers um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung der Begehung gefährlicher Angriffe entgegenwirken könnte.
Nach dem Gesagten hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen. Die Abweisung des Mehrbegehrens gründet sich darauf, dass die Umsatzsteuer bereits im Pauschalbetrag für Schriftsatzaufwand enthalten und der Ersatz von die Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG übersteigenden Stempelgebühren gesetzlich nicht vorgesehen ist.
Wien, am 18. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010063.X00Im RIS seit
05.05.2003