TE Vfgh Erkenntnis 1999/12/14 V67/99

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Veröffentlicht am 14.12.1999
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Index

95 Technik
95/06 Ziviltechniker

Norm

B-VG Art18 Abs2
Standesregeln der Ziviltechniker Pkt 4.2.
ZiviltechnikerkammerG 1993 §32 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Bestimmung der Standesregeln der Ziviltechniker betreffend das Verbot der Heranziehung von Personen als Mitarbeiter, die eine facheinschlägige Gewerbeberechtigung während der Beschäftigung ausüben

Spruch

I. Punkt 4.2. erster Satz der Standesregeln der Ziviltechniker vom 30. September 1994, kundgemacht unter Nr. 114 in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten "konstruktiv", Nr. 187, Februar 1995,

S 13ff., wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieses Ausspruches im Bundesgesetzblatt II verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die gesetzliche Grundlage der Standesregeln der Ziviltechniker findet sich in §32 Abs1 Ziviltechnikerkammergesetz 1993, BGBl. 1994/157 (im Folgenden: ZTKG). Diese Bestimmung lautet:

"Die Bundeskammer hat die Standespflichten der Ziviltechniker durch Verordnung (Standesregeln) festzulegen. Die Standesregeln haben insbesondere Bestimmungen zu enthalten

über

1.

die Unzulässigkeit von Tätigkeiten, von Arbeitsgemeinschaften sowie von Gesellschafts- und Dienstverhältnissen, die mit der beruflichen Tätigkeit eines Ziviltechnikers oder mit dem Ansehen und der Würde des Standes unvereinbar sind;

2.

das aus Standesrücksichten gebotene Verhalten gegenüber der Standesvertretung, Kollegen und Dritten."

              2.              In Durchführung dieser Bestimmung erließ die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten mit Beschluss des Kammertages vom 30. September 1994 die Standesregeln der Ziviltechniker, kundgemacht unter Nr. 114 in den Amtlichen Nachrichten der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten "konstruktiv", Nr. 187, Februar 1995, S 13 ff. Der im vorliegenden Fall maßgebliche Punkt 4.2. lautet folgendermaßen:

"Die Heranziehung von Personen als Mitarbeiter, die eine facheinschlägige Gewerbeberechtigung während der Beschäftigung ausüben, ist unzulässig.

Dies gilt nicht für Zivilingenieure hinsichtlich einer ausführenden Tätigkeit."

II. 1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zu B2834/96 eine auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde gegen einen Bescheid der Berufungskommission in Disziplinarangelegenheiten bei der Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Beschwerdeführer eines Disziplinarvergehens nach §55 Abs1 ZTKG für schuldig befunden, da er entgegen der Bestimmung des Punktes 4.2. der Standesregeln der Ziviltechniker eine Person, die im Besitz einer Gewerbeberechtigung für ein Technisches Büro auf dem Gebiet des Vermessungswesens ist, im Angestelltenverhältnis beschäftigt habe und es wurde ihm die Disziplinarstrafe eines schriftlichen Verweises erteilt.

2. In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen, insbesondere des Punktes 4.2. der Standesregeln der Ziviltechniker, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt.

3. Aus Anlass dieser Beschwerde hat der Verfassungsgerichtshof am 12. Juni 1999 beschlossen, gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit des Punktes

4.2. erster Satz der Standesregeln der Ziviltechniker vom 30. September 1994 einzuleiten.

4. In diesem Verfahren hat die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten als belangte Behörde unter Aktenvorlage eine Äußerung erstattet, in der sie den im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der vorgenannten Bestimmung der Standesregeln der Ziviltechniker entgegentritt. Auch der Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten als Aufsichtsbehörde hat die bezughabenden Verwaltungsakten übermittelt, von einer schriftlichen Äußerung jedoch Abstand genommen.

III. Der Verfassungsgerichtshof

hat erwogen:

1. Im Verfahren ist weder vorgebracht worden noch sonst hervorgekommen, dass die vorläufigen Annahmen des Verfassungsgerichtshofes über die Zulässigkeit der Beschwerde und über die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsbestimmung unzutreffend wären.

Da auch die übrigen Prozessvoraussetzungen vorliegen, ist das Verordnungsprüfungsverfahren zulässig.

2. Der Verfassungsgerichtshof hat in seinem Prüfungsbeschluss nach Wiedergabe der in Prüfung gezogenen Bestimmung in den Standesregeln der Ziviltechniker, derzufolge die Heranziehung von Personen als Mitarbeiter, die eine facheinschlägige Gewerbeberechtigung während der Beschäftigung ausüben, unzulässig ist, seine dagegen bestehenden Bedenken im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es sei vorläufig kein sachlicher Grund ersichtlich, der eine Regelung, die im Effekt die Beschäftigung gerade solcher Personen ausschließe, die besonders sachkundig seien, rechtfertigen könnte. Das von der belangten Behörde hiefür ins Treffen geführte Argument des Schutzes des Vertrauens der Öffentlichkeit in die (besondere Qualität der) Leistungen der Ziviltechniker dürfte daran nichts ändern, zumal auch im Falle der Heranziehung solcher Mitarbeiter der Ziviltechniker für die Leistungserbringung verantwortlich bleibe (vgl. Pkt. 4.3. der Standesregeln).

Der Verfassungsgerichtshof gehe weiters - vorläufig - davon aus, dass §32 Abs1 ZTKG die Erlassung einer Verordnungsbestimmung nach Art der hier in Prüfung gezogenen nicht vorsehe. Diese gesetzliche Vorschrift dürfte vielmehr bloß auf Tätigkeiten des Ziviltechnikers selbst abstellen, nicht aber auf solche von Mitarbeitern desselben.

3.1. Die Bundeskammer der Architekten und Ingenieurkonsulenten als verordnungserlassende Behörde bringt dagegen in ihrer im Verordnungsprüfungsverfahren erstatteten Äußerung im Wesentlichen Folgendes vor: Das Ziviltechnikergesetz 1993, BGBl. 1994/156 (im Folgenden: ZTG), gehe von der Maxime der völligen Unabhängigkeit des Ziviltechnikers aus, der frei von anderen Interessen seine Leistungen - die Interessen des Auftraggebers wahrend - erbringe. Das gesetzliche Verbot, an Ziviltechnikergesellschaften facheinschlägig tätige Gewerbebetriebe bzw. Geschäftsführer derartiger Betriebe zu beteiligen, sei eine Konsequenz dieser Maxime (s. §26 Abs2 ZTG). Dieses klare Bekenntnis zur Konsulententätigkeit bedeute einerseits die völlige Trennung von Planung und gewerblicher Ausführung und verbiete andererseits die Vermischung von gewerblicher und freiberuflicher Tätigkeit am Fachgebiet der Befugnis. Wenn einem Ziviltechniker jede gewerbliche Tätigkeit im Fachgebiet verboten sei und dieses Verbot im Bereich der Bildung von Ziviltechnikergesellschaften auch hinsichtlich der Beteiligung von Gewerbetreibenden und für leitende Angestellte von Gewerbebetrieben gelte sowie auch bei Arbeitsgemeinschaften bestehe - was sich aus §26 Abs2 ZTG ergebe - dann müsse dasselbe bei konsequenter Handhabung auch für Angestellte, die gleichzeitig einen Gewerbebetrieb am Fachgebiet der Befugnis führen, gelten. Im Hinblick darauf könne selbst bei wertfreier Auslegung §32 Abs1 ZTKG keine Überschreitung der Verordnungsermächtigung erkannt werden.

3.2. Auch dieses Vorbringen ist nicht geeignet, die oben wiedergegebenen Bedenken des Verfassungsgerichtshofes zu zerstreuen. Es ist nämlich nicht einzusehen, warum die Heranziehung von Mitarbeitern, die eine facheinschlägige Gewerbeberechtigung während der Beschäftigung bei einem Ziviltechniker ausüben, der - von der verordnungserlassenden Behörde für ihren Standpunkt ins Treffen geführten - "Maxime der völligen Unabhängigkeit des Ziviltechnikers" zuwiderlaufen sollte. Dies allein deshalb, weil - worauf der Verfassungsgerichtshof schon in seinem Prüfungsbeschluss hingewiesen hat - auch im Falle der Heranziehung solcher Mitarbeiter der Ziviltechniker für die Leistungserbringung (und damit auch für die Beachtung dieser "Maxime") verantwortlich bleibt (vgl. dazu im Übrigen VfSlg. 14882/1997).

4. Punkt 4.2. erster Satz der Standesregeln der Ziviltechniker vom 30. September 1994 war daher schon aus diesem Grunde als gesetzwidrig aufzuheben.

5. Der Ausspruch über die Kundmachung stützt sich auf Art139 Abs5 B-VG.

Dieser Beschluss wurde in sinngemäßer Anwendung des §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 in nichtöffentlicher Sitzung ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefasst.

Schlagworte

Ziviltechniker Disziplinarrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:V67.1999

Dokumentnummer

JFT_10008786_99V00067_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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