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62 Arbeitsmarktverwaltung;Norm
AlVG 1977 §25 Abs1;Beachte
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden): 2000/08/0127Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der A in W, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Mahlerstraße 13, gegen die auf Grund von Beschlüssen des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheide der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 14. April 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-25, betreffend Rückforderung von Notstandshilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.816,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheiden wurde der Widerruf der Zuerkennung der Notstandshilfe und die Rückforderung des unberechtigt Empfangenen betreffend die Zeiträume 1. Oktober 1996 bis 29. September 1997 und 1. Februar bis 28. Februar 1998 (2000/08/0126) und vom 30. September 1997 bis 31. Jänner 1998 und vom 1. März 1998 bis 30. November 1999 (2000/08/0127) ausgesprochen. In der Begründung des jeweiligen Bescheides stellte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und Darstellung des Verwaltungsgeschehens fest, dass die Beschwerdeführerin anlässlich ihrer Antragstellung auf Gewährung von Notstandshilfe vom 24. September 1996 unter Nettoeinkommen des Angehörigen überhaupt keine Angaben gemacht habe, obwohl der Antrag vollständig und wahrheitsgemäß auszufüllen gewesen sei. Offensichtlich sei aber nach dem Einkommen ihres Ehemannes nachgefragt worden, weil in der Folge eine Anrechnung auf Grund einer Lohnbestätigung erfolgt sei. Weiters sei auch eine Freigrenze für Behinderung gewährt worden. Im Antrag vom 18. September 1997 habe sie gleichfalls keinerlei Angaben zum Einkommen ihres Ehemannes gemacht. Im Antrag vom 21. September 1999 habe die Beschwerdeführerin das Einkommen des Ehemannes mit S 15.295,-- netto angegeben, die Unfallrente sei nicht erwähnt worden. Erst mit Aktenvermerk vom 23. Dezember 1999 sei die Unfallrente des Ehemannes der Beschwerdeführerin erstmals erwähnt worden.
Der Anspruch auf Notstandshilfe sei daher ab 1. Oktober 1996 neu berechnet und die Anrechnung des Einkommens des Ehemannes - in im Detail dargestellter Weise - vorgenommen worden. Die belangte Behörde habe alle "vorhandenen Tatsachen" in ihre Überlegungen miteinbezogen. Grundsätzlich seien Leistungsbezieher verpflichtet, alle für den Leistungsbezug maßgeblichen Tatsachen bekannt zu geben. Insbesondere sei im Antrag das gesamte Einkommen des Ehepartners anzugeben. Die Behörde müsse darauf vertrauen können, dass die Parteien die Anträge vollständig und richtig ausfüllen. Selbst wenn der Sachbearbeiter aus einem Versehen die Unterlagen bei der ersten (sich bietenden) Möglichkeit nicht kopiert habe, wäre es in der Verantwortung der Beschwerdeführerin gelegen gewesen, diese bei jeder Antragstellung wieder vorzulegen. Dies sei im vorliegenden Fall nicht geschehen. Die Zuerkennung der Leistung sei daher zu widerrufen gewesen. Die Anrechnung der Unfallrente des Ehemannes der Beschwerdeführerin sei im gegenständlichen Zeitraum vorzunehmen gewesen. Da die Beschwerdeführerin die Unfallrente ihres Ehemannes verschwiegen habe, sei das unberechtigt Empfangene zurückzufordern gewesen.
Gegen diese Bescheide richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, sie kostenpflichtig aufzuheben. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht, nicht zur Rückzahlung von empfangener Notstandshilfe gemäß § 25 Abs. 1 AlVG i.V.m. § 38 AlVG verpflichtet zu werden, verletzt. Sie führt - wie bereits im Verwaltungsverfahren - aus, bei der erstmaligen Antragstellung habe ihr Ehemann Belege über den Bezug der Unfallrente vorgelegt. Der zuständige Sachbearbeiter habe diese Belege nicht kopiert; er habe lediglich darauf hingewiesen, er brauche diese Unterlagen nicht, sie seien nicht von Relevanz. Wenngleich also bei der Antragstellung am 24. September 1996 die Versehrtenrente nicht im Antragsformular schriftlich angegeben worden sei, könne nicht von einem Verschweigen ausgegangen werden. Wenn auch bei den späteren Antragstellungen eine diesbezügliche Angabe unterblieben sei, könne ihr das keinesfalls vorgeworfen werden.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die oben wiedergegebenen Ausführungen in der Beschwerde - insbesondere die Umschreibung des Beschwerdepunktes sowie auch die Beschwerdegründe - lassen erkennen, dass sich die Beschwerdeführerin vor dem Verwaltungsgerichtshof lediglich in Ansehung der mit den angefochtenen Bescheiden auch ausgesprochenen Rückforderung von Notstandshilfe, nicht aber auch hinsichtlich des Widerrufes dieser Leistung als beschwert erachtet. Der Verwaltungsgerichtshof hat sich daher im Rahmen der solcherart festgelegten Umschreibung des Beschwerdepunktes auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit der die Rückforderung betreffenden Absprüche zu beschränken.
Aus diesem Grund ist die im hg. Beschluss vom 20. November 2002, kundgemacht im BGBl. Teil II Nr. 16/2003, angesprochene Rechtsfrage in diesem Verfahren nicht zu beantworten.
Gemäß § 25 Abs. 1 AlVG ist bei Einstellung, Herabsetzung, Widerruf oder Berichtigung einer Leistung der Empfänger des Arbeitslosengeldes zum Ersatz des unberechtigt Empfangenen zu verpflichten, wenn er den Bezug durch unwahre Angaben oder durch Verschweigung maßgebender Tatsachen herbeigeführt hat oder wenn er erkennen musste, dass die Leistung nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte.
Gemäß § 50 Abs. 1 AlVG ist, wer Leistungen aus der Arbeitslosenversicherung bezieht, verpflichtet, die Aufnahme einer Tätigkeit gemäß § 12 Abs. 3 unverzüglich der zuständigen regionalen Geschäftsstelle anzuzeigen. Darüber hinaus ist jede andere für das Fortbestehen und das Ausmaß des Anspruches maßgebende Änderung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Arbeitslosen sowie jede Wohnungsänderung der regionalen Geschäftsstelle ohne Verzug, spätestens jedoch binnen einer Woche seit dem Eintritt des Ereignisses anzuzeigen.
Die belangte Behörde stützte die angefochtenen Bescheide auf den zweiten Tatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (Verschweigung maßgebender Tatsachen). Die ersten beiden Tatbestände knüpfen an Wissenserklärungen (unwahre Angaben) bzw. deren Unterlassung (Verschweigung maßgebender Tatsachen) an. Die Verwendung der Begriffe "unwahr" bzw. "Verschweigung" in § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG deutet auf eine subjektive Komponente hin, d. h. dass von jenem Arbeitslosen nichts zurückgefordert werden kann, der zwar objektiv unzutreffende Angaben, jedoch in unverschuldeter Unkenntnis vom wahren Sachverhalt gemacht hat. Der Rückforderungstatbestand des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG ist - anders als dies bei Leistungen mit Unterhaltscharakter in Zivilrecht der Fall ist - nicht danach differenziert, ob ein gutgläubiger Verbrauch der nicht gebührenden Geldleistung erfolgt ist, sondern nur danach, ob die Leistung gutgläubig empfangen wurde, wobei sich aus der Regelung weiters ergibt, dass der gutgläubige Empfang stets anzunehmen ist, wenn nicht entweder einer der ersten beiden im § 25 Abs. 1 erster Satz genannten Tatbestände (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen) für den Leistungsbezug kausal war (arg.: "herbeigeführt hat") oder der Empfänger der Leistung erkennen musste, dass diese nicht oder nicht in dieser Höhe gebührte (ohne dass es in diesem Fall darauf ankäme, dass den Empfänger der Leistung am Überbezug ein Verschulden trifft). Aus der Gegenüberstellung der einzelnen Tatbestände des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG (unwahre Angaben, Verschweigung maßgebender Tatsachen und Erkennen müssen, dass die Leistung nicht oder nicht in voller Höhe gebühre) folgt nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass die ersten beiden Tatbestände zumindest mittelbaren Vorsatz - dolus eventualis - voraussetzen, während es für die Anwendung des dritten Tatbestandes genügt, dass Fahrlässigkeit gegeben war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, 97/08/0569).
Unstrittig ist, dass die Beschwerdeführerin bei Beantwortung der Frage nach einem allfälligen Nettoeinkommen ihres Ehemannes dessen Versehrtenrente nicht angab. Dass die Beschwerdeführerin in Unkenntnis des wahren Sachverhaltes, nämlich des Bezuges einer Versehrtenrente durch ihren Ehemann, gewesen sei, behauptete sie nicht. Sie begründete ihre objektiv unrichtige Angabe im jeweiligen Antragsformblatt damit, dass ihr Ehemann dem Sachbearbeiter die Belege hinsichtlich der Unfallrente unaufgefordert vorgelegt habe, dieser jedoch dazu erklärt habe, er brauche diese Unterlagen nicht, weil sie nicht von Relevanz wären. Zu diesem Vorbringen stellte die belangte Behörde in der Begründung der angefochtenen Bescheide lediglich fest, dass die Beschwerdeführerin die Versehrtenrente in ihren jeweiligen Anträgen nicht angegeben hätte. Weiters führte sie aus, selbst wenn der Sachbearbeiter aus einem Versehen die Unterlagen bei der ersten Möglichkeit nicht kopiert hätte, wäre es in der Verantwortung der Beschwerdeführerin gelegen, diese bei jeder Antragstellung wieder vorzulegen. Auf Grund dieser Feststellungen vermeinte die belangte Behörde, die Voraussetzungen des zweiten Tatbestandes des § 25 Abs. 1 erster Satz AlVG annehmen zu können.
Die Voraussetzungen dieses Tatbestandes sind jedoch durch diese Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden nicht gedeckt; darüber hinaus hat die belangte Behörde das Vorbringen der Beschwerdeführerin in der Berufung nicht zur Gänze behandelt. Auf Grund der dargestellten Rechtslage ist für die Erfüllung dieses Rückforderungstatbestandes dolus eventualis erforderlich. Ein vorsätzliches Verhalten kann aber bei Zutreffen der Behauptungen im Verwaltungsverfahren, die Beschwerdeführerin bzw. ihr anwesender Ehemann habe bei der ersten Antragstellung die Belege über die Versehrtenrente vorgelegt, der Sachbearbeiter habe Einsicht genommen und dazu erklärt, diese Belege seien für den Anspruch nicht von Relevanz, weder für diese erstmalige Antragstellung noch für die folgenden angenommen werden. Für die erstmalige Antragstellung ist zwar von einem Fehlen dieser Angabe im schriftlichen Antrag auszugehen, jedoch wäre eine Vorlage eines entsprechenden Beleges an den Sachbearbeiter und die Einsichtnahme durch diesen einer solchen Angabe gleichzusetzen. Das Unterlassen der Angabe der Versehrtenrente des Ehemannes in den folgenden schriftlichen Anträgen könnte im Hinblick auf die Erklärung des Sachbearbeiters, die Versehrtenrente sei ohne Relevanz, ebenfalls kein vorsätzliches Verhalten der Beschwerdeführerin begründen. Da sich die belangte Behörde mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin insoweit nicht auseinander gesetzt hat, belastete sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften; diese waren daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 19. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080126.X00Im RIS seit
05.05.2003