TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/20 2002/16/0123

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Veröffentlicht am 20.02.2003
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Index

20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
32/06 Verkehrsteuern;

Norm

ABGB §551;
ABGB §762;
GrEStG 1987 §5 Abs3 Z1;
GrEStG 1987 §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des Dr. H in E, vertreten durch Dr. Robert Aspöck, Rechtsanwalt in Salzburg, Imbergstraße 6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 5. März 2002, GZ RV/540-09/01, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt.

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Vater des Beschwerdeführers Dipl.-Ing. H und die Mutter des Beschwerdeführers, E, errichteten mit dem Beschwerdeführer sowie mit seinen Geschwistern Silvia W., Irene G.-W. und Dipl.- Ing. Dr. Michael W. am 20. Dezember 2000 einen als "Übergabs-, Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrag" bezeichneten Notariatsakt mit - auszugsweise - folgendem Inhalt:

"Zweitens: Übergabsvereinbarung

Diplom-Ingenieur H - im Folgenden Übergeber genannt - übergibt hiemit teils entgeltlich teil unentgeltlich an seinen Sohn Doktor H - im Folgenden Übernehmer genannt - und dieser Letztere übernimmt von Ersterem die im Punkt Erstens genannten 3436/9200stel-Anteile, B-laufende Nummer 4, und 1164/9200 stel-Anteile, B-laufende Nummer 5, je verbunden mit Wohnungseigentum, je der Liegenschaft Einlagezahl 5 Grundbuch 01 (Bezirksgericht), samt den unter Punkt Erstens näher bezeichneten, mit diesen Liegenschaftsanteilen untrennbar verbundenen Eigentumswohnungen, diese Liegenschaftsanteile und Eigentumswohnungen mit allen Rechten und Befugnissen, samt allem Zugehör, die Baulichkeiten im dermaligen Bauzustand, die Eigentumswohnungen im derzeitigen Wohnzustand, also so, wie der Übergeber diese Liegenschaftsanteile und Eigentumswohnungen bisher besaß und benützte und hiezu berechtigt war.

Drittens: Gegenleistung

Als teilweises Übergabsentgelt behält sich Diplom-Ingenieur H für sich und seine Ehegattin E auf deren beider Lebensdauer und für die Zukunft unentgeltlich an den beiden vorgenannten Eigentumswohnungen im Haus Kopfgasse 9 ein Wohnungsgebrauchsrecht vor, welches der Übernehmer Doktor H seinem Vater Diplom-Ingenieur H hiemit einräumt in Ansehung der 3436/9200stel-Anteile und 1164/200stel-Anteile, je verbunden mit Wohnungseigentum, an der Liegenschaft EZ 521 Grundbuch 01205 Hietzing zur persönlichen Dienstbarkeit bestellt, welche grundbücherlich sicherzustellen ist. Die mit den vom Wohnungsgebrauchsrecht umfaßten Räumlichkeiten verbundenen Kosten der ordentlichen und außerordentlichen Instandhaltung sowie Betriebskosten tragen die Wohnungsberechtigten ausdrücklich selbst, im Falle des Vorablebens des Übergebers Diplom-Ingenieur H sind diese Kosten jedoch vom Übernehmer zu tragen; im übrigen ist dieses Wohnungsgebrauchsrecht gemäß Paragraphe fünfhundertvier und fünfhunderteinundzwanzig Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch (§ 504 und 521 ABGB) auszuüben. Ausdrücklich festgestellt und vereinbart wird klarstellend, daß den Wohnungsgebrauchsberechtigten eine Vermietung der vom Wohnungsgebrauchsrecht umfaßten Räumlichkeiten keinesfalls möglich beziehungsweise gestattet ist, da es sich um ein reines Gebrauchsrecht handelt.

Der Übernehmer Doktor H verpflichtet sich seinen Eltern gegenüber, soweit sie dies wünschen und ihm dies auf Grund seines entfernten Wohnsitzes zumutbar ist, insbesondere im Vorablebensfalle des Übergebers Diplom-Ingenieur H, seiner Mutter in den Fragen des Alltags mit Rat und Tat zur Seite zu stehen und insbesondere im Falle von Krankheit und Gebrechlichkeit für eine rechtzeitige Überführung in ein geeignetes Krankenhaus alles Nötige zu veranlassen; damit ist jedoch keine wie immer geartete Verpflichtung zu einer Geld- oder geldwerten Leistung verbunden.

Ein weiteres Übergabsentgelt hat allerdings der Übernehmer nicht zu leisten. Soweit demnach der Wert des Übergabsobjektes den Wert des Übergabsentgeltes übersteigt, stellt diese Übergabe eine Schenkung dar, welche vom Übergeber und Geschenkgeber Diplom-Ingenieur H als solche ausdrücklich bestätigt und vom Übernehmer und Geschenknehmer Doktor H ausdrücklich und dankbar angenommen wird.

Viertens: Übergabe/Übernahme

Die Übergabe und Übernahme des Vertragsobjektes in den tatsächlichen Besitz und Genuß des Übernehmers erfolgte vorbehaltlich des vereinbarten Wohnungsgebrauchsrechtes durch Begehung der Liegenschaft und Einweisung in die Verwaltungsgepflogenheiten; jedenfalls gehen von heute angefangen alle mit dem Besitze des Vertragsobjektes verbundenen Steuern, Umlagen und sonstige öffentliche Abgaben aller Art, wie auch der Zufall und die Gefahr, aber auch Nutzen und Vorteil des Besitzes auf den Übernehmer über.

Fünftens: Gewährleistung

Für eine bestimmte Eigenschaft oder Beschaffenheit des Vertragsobjektes leistet der Übergeber keine Gewähr, wohl aber dafür, daß das Vertragsobjekt mit Ausnahme der in diesem Vertrag übernommenen Verpflichtungen und der in Punkt Erstens genannten Dienstbarkeiten und Reallasten ansonsten vollkommen geldlastenfrei in den bücherlichen Besitz des Übernehmers gelange.

...

Elftens: Partieller Pflichtteilsverzichtsvertrag Diplom-Ingenieur H und E stellen fest, daß sie zueinander im Verwandtschaftsverhältnis von Ehegatten stehen. E steht daher gegebenenfalls seinerzeit ein Pflichtteilsanspruch gegenüber ihrem Ehegatten Diplom-Ingenieur zu.

E erklärt hiemit durch diesen Vertrag unter Lebenden ihrem Ehegatten Diplom-Ingenieur H gegenüber, seinerzeit bei Berechnung dessen Nachlaßvermögens auf einen wertmäßigen Ansatz der im Punkt Erstens genannten 3436/9200 stel-Anteile, B-laufende Nummer 4, verbunden mit Wohnungseigentum, je der Liegenschaft Einlagezahl 5 Grundbuch 01, Bezirksgericht, ausdrücklich zu verzichten und somit aus dem Titel des Pflichtteilsrechtes oder des Rechtes auf Pflichtteilsergänzung seinerzeit diesbezüglich keine wie immer gearteten Anspruch geltend zu machen.

Diplom-Ingenieur H nimmt diesen partiellen Pflichtteilsverzicht seiner Ehegattin E ausdrücklich an.

Zwölftens: Pflichtteilsverzichtvertrag

A) Gänzlicher Pflichtteilsverzicht:

Doktor H verzichtet hiemit für sich und seine Nachkommen durch diesen Vertrag unter Lebenden seinem Vater Diplom-Ingenieur H auf die ihm zustehenden Pflichtteilsansprüche und daher auf alle Ansprüche auf den künftigen Nachlaß seines Vaters Diplom-Ingenieur H aus dem Titel des Pflichtteilsrechtes. Er verzichtet daher auch auf die Geltendmachung allfälliger Pflichtteilsverkürzungsansprüche hinsichtlich Verfügungen seines Vaters vor dessen Tod.

Diplom-Ingenieur H nimmt diesen ausdrücklich auf die Noterbrechte eingeschränkten Erbverzicht seines Sohnes ausdrücklich an.

B) Partieller Pflichtteilsverzicht:

Doktor M, I und S erklären hiemit für sich und ihre Nachkommen durch diesen Vertrag unter Lebenden ihrem Vater Diplom-Ingenieur H gegenüber, seinerzeit bei Berechnung dessen Nachlaßvermögens auf einen wertmäßigen Ansatz der im Punkt erstens genannten 3436/9200 stel-Anteile, B-laufende Nummer 4, verbunden mit Wohnungseigentum, und 1164/9200 stel-Anteile, B-laufende Nummer 5, verbunden mit Wohnungseigentum, je der Liegenschaft Einlagezahl 5 Grundbuch 01, Bezirksgericht, ausdrücklich zu verzichten und somit aus dem Titel des Pflichtteilsanrechtes oder des Rechtes auf Pflichtteilsergänzung seinerzeit diesbezüglich keine wie immer gearteten Ansprüche geltend zu machen.

Diplom-Ingenieur H nimmt diesen partiellen Pflichtteilsverzicht seiner Kinder Doktor M, I und S ausdrücklich an.

Dreizehntens: Schenkungsvereinbarung

Doktor H verspricht und verpflichtet sich hiemit seinen Geschwistern Diplom-Ingenieur Doktor M, I und S im Hinblick auf den im vorstehenden Vertragspunkt abgegebenen Pflichtteilsverzicht je bis spätestens 30.6.2002 (dreißigster Juni 2002) im Sinne der Bestimmung des Paragraph fünfzehn Absatz ein Ziffer neunzehn Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz (§ 15 Abs. 1 Z. 19 ErbStG) je ein endbesteuertes Sparbuch einer inländischen Bank mit einem jeweiligen Einlagestand von Schilling siebenhunderttausend (S 700.000,--) zu schenken und zu übergeben, welches Schenkungsversprechen beziehungsweise Sparbuchschenkung von den Geschenknehmern ausdrücklich angenommen wird."

Mit Grunderwerbsteuerbescheid vom 9. August 2001 forderte das Finanzamt dafür Grunderwerbsteuer u.a. ausgehend von "sonstigen Leistungen" im Ausmaß von S 2,800.000,-- ("je ein Sparbuch in der Höhe von 700.000,-- an die vier Geschwister") an, wogegen der Beschwerdeführer berief. Er führte dabei einerseits ins Treffen, dass eine Sparbuchschenkung nur an drei Geschwister beurkundet worden sei, andererseits seien die Schenkungsvereinbarungen völlig getrennt vom Grundstückserwerb zu behandeln.

Die belange Behörde gab der Berufung teilweise dahin Folge, dass die Sparbuchschenkung von a S 700.000,-- nur für drei Geschwister in die Bemessungsgrundlage einbezogen wurde, wies die Berufung aber im Übrigen als unbegründet mit der Begründung ab, die Sparbuchschenkungen stünden mit dem Übergabsvertrag im Zusammenhang.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts.

Der Beschwerdeführer erachtet sich in seinem Recht darauf verletzt, dass die Sparbuchschenkung an seine drei Geschwister vom Übergabsvertrag getrennt zu behandeln und nicht in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer einzubeziehen ist.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Das in §§ 762 ff ABGB verankerte Pflichtteilsrecht (Noterbrecht) ist ein Kompromiss zwischen dem Prinzip der Familienerbfolge und der Testierfreiheit (Privatautonomie) des Erblassers. Durch das Pflichtteilsrecht wird die Privatautonomie des Erblassers eingeschränkt (vgl. z.B. Welser in Rummel, ABGB I3, Rz 1 vor § 762 ABGB).

Nach dem Wortlaut des § 762 ABGB muss der Erblasser die dort genannten pflichtteilsberechtigten Personen bedenken. Aus diesem Grund wird in einem Pflichtteilsverzicht (gegen Abfindung) ein entgeltlicher Vertrag zwischen dem Erblasser und dem auf sein Noterbrecht Verzichtenden gesehen, weil dadurch die Testierfreiheit des Erblassers vergrößert wird (Welser, a.a.O., Rz 3 zu § 551 ABGB; insbesondere aber auch die schon von der belangten Behörde zitierte E des OGH vom 29. Oktober 1992, 2 Ob 527/92).

Vor dem Hintergrund dieser zivilrechtlichen Rechtslage stellt sich im vorliegenden Fall die Frage, ob die in den Punkten Elftens bis Dreizehntens des Übergabs-, Schenkungs- und Pflichtteilsverzichtsvertrages vereinbarte Leistung des Beschwerdeführers an seine drei Geschwister in den Bereich der Gegenleistung (gemäß § 5 GrEStG) für den Liegenschaftserwerb einzubeziehen ist.

§ 5 Abs. 3 Z. 1 GrEStG lautet:

"(3) Der Gegenleistung sind hinzuzurechnen

1. Leistungen, die der Erwerber des Grundstücks anderen Personen als dem Veräußerer als Gegenleistung dafür gewährt, dass sie auf den Erwerb des Grundstückes verzichten."

Anders als dies die Beschwerde sieht, ist der Begriff der Gegenleistung im wirtschaftlichen Sinn zu verstehen und ist unter einer Gegenleistung alles zu verstehen, was der Erwerber - wenn auch nur mittelbar - einsetzen muss, um das Grundstück zu erhalten (vgl. dazu die zahlreiche, bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil Grunderwerbsteuergesetz 1987 unter Rz 5 und 6 zu § 5 GrEStG referierte hg. Judikatur). Voraussetzung für die Einbeziehung in den Bereich der Gegenleistung ist ein unmittelbarer, tatsächlicher und wirtschaftlicher Zusammenhang mit dem Erwerbsvorgang (Fellner, a. a.O., Rz 8 und 9), wobei § 5 GrEStG keine erschöpfende Aufzählung dessen darstellt, was Gegenleistung sein kann (Fellner, a. a.O., Rz 4 Abs. 3).

Leistungen des Erwerbers an einen Dritten sind insbesondere dann in den Bereich der Gegenleistung einzubeziehen, wenn sie den Veräußerer von einer ihn treffenden Verpflichtung befreien (vgl. dazu insbesondere das bei Fellner, a.a.O., Rz 12, vorletzter Abs. zu § 5 GrEStG referierte hg. Erkenntnis vom 21. November 1985, Zl. 84/16/0093).

Gerade ein solcher Fall ist hier aber gegeben, weil die Gesamttransaktion in Anwendung der gebotenen wirtschaftlichen Betrachtungsweise insoferne einen unübersehbaren, unmittelbaren tatsächlichen Zusammenhang dergestalt aufweist, dass der von den drei Geschwistern des Beschwerdeführers abgegebene "partielle Pflichtteilsverzicht" sich gerade betreffend die Berechnung ihrer Pflichtteilsansprüche auf den wertmäßigen Ansatz der auf den Beschwerdeführer übertragenen Grundstücksanteile bezog, wodurch der übertragende Vater des Beschwerdeführers einen größeren Spielraum für seine privatautonome Verfügung über diese Anteile zugunsten des Beschwerdeführers erhielt und womit die drei Geschwister dafür im Gegenzug vom Beschwerdeführer Sparbuchschenkungen in der Höhe von je S 700.000,-- erhielten. Die belangte Behörde durfte demnach frei von Rechtswidrigkeit die drei Sparbuchschenkungen als Gegenleistung behandeln.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen, wobei die Entscheidung mit Rücksicht auf die durch die zitierte hg. Rechtsprechung geklärte Rechtslage in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden konnte.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002160123.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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