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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
AVG §71 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Kante, über den Antrag des Werner L in W, vertreten durch Dr. Christian Pichler, Rechtsanwalt in Reutte, Untermarkt 16, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung vom 13. Juni 2002, Zl. LAS-695/18-01, betreffend Dienstbarkeiten, den Beschluss gefasst:
Spruch
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
Der Antragsteller hat gegen den Bescheid des Landesagrarsenates beim Amt der Tiroler Landesregierung (LAS) vom 13. Juni 2002, Zl. LAS-695/18-01, betreffend Dienstbarkeiten, Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben. Dieser lehnte mit Beschluss vom 23. September 2002, B 1223/02-5, ihre Behandlung ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Mit Verfügung des Verwaltungsgerichtshofes vom 6. November 2002 wurde der Antragsteller aufgefordert, eine Reihe näher bezeichneter Mängel, die seiner vom Verfassungsgerichtshof an den Verwaltungsgerichtshof abgetretenen Beschwerde anhafteten, innerhalb einer dafür gesetzten Frist zu beseitigen. Gleichzeitig wurde der Antragsteller aufgefordert, die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene zurückgestellte Beschwerde (einschließlich der angeschlossen gewesenen gesetzlich vorgeschriebenen Beilagen) auch dann wieder vorzulegen, wenn zur Ergänzung ein neuer Schriftsatz eingebracht wird.
Der Antragsteller kam dieser Aufforderung nicht vollständig nach, weil innerhalb der zur Behebung der Mängel gesetzten Frist ein Schriftsatz vom 26. November 2002 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte, der zwar eine Beschwerdeergänzung enthält, dem aber die vom Verfassungsgerichtshof abgetretene, dem Antragsteller zurückgestellte Beschwerde und der ebenfalls zurückgestellte angefochtene Bescheid nicht mehr angeschlossen waren.
Da die unvollständige Befolgung eines Mängelbehebungsauftrages als Zurückziehung der Beschwerde im Sinne des § 34 Abs. 2 VwGG gilt, wurde das Verfahren mit Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002, 2002/07/0137, gemäß § 33 Abs. 1 VwGG eingestellt.
Gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung richtet sich der vorliegende, am 15. Jänner 2003 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag, mit dem der angefochtene Bescheid und die zurückgestellte ursprüngliche Beschwerde vorgelegt wurden.
Zur Rechtzeitigkeit des Wiedereinsetzungsantrages bringt der Antragsteller vor, er habe erst durch den Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes auf Einstellung des Verfahrens davon Kenntnis erlangt, dass im Rahmen der Urkundenvorlage und Ergänzung der Beschwerde vom 26. November 2002 irrtümlicherweise die seinem Vertreter zurückgestellte Beschwerde und der ebenfalls zurückgestellte angefochtene Bescheid nicht wieder vorgelegt worden seien. Der Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Dezember 2002 sei dem Vertreter des Antragstellers am 9. Jänner 2003 zugestellt worden, sodass der Wiedereinsetzungsantrag rechtzeitig sei.
Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages führt der Antragsteller aus, sein Rechtsvertreter habe den von ihm diktierten Schriftsatz nach seiner Ausfertigung kontrolliert und die bearbeitende Sekretärin ausdrücklich angewiesen, die vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellten Schriftstücke, nämlich eine Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde sowie den angefochtenen Bescheid der Beschwerdeergänzung beizulegen. Sodann sei der Schriftsatz gemäß den handschriftlichen Korrekturen des Vertreters des Antragstellers ausgebessert und dem Rechtsvertreter des Antragstellers zur Unterfertigung vorgelegt worden. Dabei seien die nötigen Beilagen diesem Schriftsatz beigelegen. Der Vertreter des Antragstellers habe die dreifache Ausfertigung des Schriftstückes unterfertigt und die Unterlagen samt den Beilagen der bearbeitenden Sekretärin zurückgegeben. Er habe ihr erklärt, dass der Schriftsatz samt den beigefügten Beilagen, zu denen die vom Verwaltungsgerichtshof retournierten Ausfertigungen der Beschwerde und der angefochtene Bescheid zählten, nunmehr eingebracht werden sollten. Bei der dreifachen Ausfertigung des Schriftsatzes sei eine weitere Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde und auch das Original der vom Verwaltungsgerichtshof zurückgestellten Beschwerde samt dem angefochtenen Bescheid vorhanden gewesen. Die Sekretärin sei seit mehr als 20 Jahren Anwaltssekretärin und arbeite seit mehr als 8 Jahren in der Kanzlei des Vertreters des Antragstellers. Sie bearbeite ihre Aktenstücke weitestgehend selbständig und kenne die Verpflichtungen bei fristgebundenen Eingaben genau. In der Vergangenheit seien ihr keine Fehler unterlaufen, die zur Versäumung einer Frist geführt hätten. Auch erledige sie alle Aufgaben gewissenhaft und pünktlich, insbesondere würden Urkundenvorlagen ordnungsgemäß und fehlerfrei durchgeführt. Der Vertreter des Antragstellers habe sich daher darauf verlassen können, dass der Schriftsatz vom 26. November 2002 samt allen Beilagen ordnungsgemäß eingeschrieben zur Post gebracht würde. Im vorliegenden Fall sei jedoch der ansonsten stets genauen und sorgfältigen Sekretärin ein Missgeschick unterlaufen, indem sie auf Grund einer heute von ihr selbst nicht mehr nachzuvollziehenden Unkonzentriertheit sowohl die an den Vertreter des Antragstellers zurückgestellte Ausfertigung der ursprünglichen Beschwerde als auch den angefochtenen Bescheid nicht in den Umschlag gesteckt habe, der dann an den Verwaltungsgerichtshof zur Post gegeben worden sei. Sie sei offenbar irrig davon ausgegangen, dass diese Beilagen nicht notwendig seien, weil sie vom Verwaltungsgerichtshof an die Kanzlei zurückgestellt worden seien. Sie habe jedoch keine Rücksprache mehr mit dem Vertreter des Beschwerdeführers gehalten. Dieser habe keine Möglichkeit gehabt, den geschilderten Fehler zu verhindern, weil er berechtigterweise davon ausgegangen sei, dass auch diese Unterlagen anweisungsgemäß mit dem Schriftsatz eingeschrieben an den Verwaltungsgerichtshof retourniert würden.
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Bei einem nach § 34 Abs. 2 VwGG erteilten Mängelbehebungsauftrag wird die Frist zur Verbesserung nicht nur dann versäumt, wenn jenem Auftrag innerhalb der Frist überhaupt nicht, sondern auch dann, wenn ihm nur unvollständig entsprochen wurde. Eine solche Fristversäumnis ist einer Wiedereinsetzung zugänglich (vgl. den hg Beschluss eines verstärkten Senates vom 21. Juni 1988, 87/07/0049 (= VwSlg 12742/A).
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei gleichzusetzen ist. Ein Versehen einer Kanzleikraft ist dem Rechtsanwalt nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat (vgl. den Beschluss vom 12. September 2002, 2002/20/0457, und die dort angeführte Vorjudikatur).
Das Verschulden einer geeigneten und ordentlich überwachten Angestellten eines Rechtsanwaltes stellt regelmäßig einen tauglichen Wiedereinsetzungsgrund dar (vgl. die bei Walter-Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, 1596, unter Nr. 268 angeführte Rechtsprechung).
Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Grund, an den Angaben im Wiedereinsetzungsantrag zu zweifeln.
Geht man aber von diesen Angaben aus, dann liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Wiedereinsetzung vor. Dem Vertreter des Antragstellers wurden die Ausfertigungen des ergänzenden Schriftsatzes mit den zurückzustellenden Beilagen vorgelegt und er hat den Schriftsatz mit diesen Beilagen seiner Sekretärin, bei der es sich nach seinen Angaben um eine erfahrene Bedienstete handelt, die bisher äußerst verlässlich war, mit dem Auftrag zurückgegeben, diesen Schriftsatz samt den Beilagen zur Post zu geben. Es kann dem Antragstellervertreter nicht als Verschulden angelastet werden, wenn er nicht auch noch kontrolliert hat, ob tatsächlich diese Beilagen von der Sekretärin mit dem Ergänzungsschriftsatz zur Post gegeben wurden. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann nämlich ein Rechtsanwalt bloß manipulative Tätigkeiten, wie etwa die Kuvertierung von Schriftstücken, verlässlichen Kanzleiangestellten ohne regelmäßige Kontrolle im Einzelfall überlassen (vgl. den Beschluss vom 16. März 1999, 99/08/0017, und die dort angeführte Rechtsprechung).
Somit war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG stattzugeben.
Wien, am 20. Februar 2003
Schlagworte
MängelbehebungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003070011.X00Im RIS seit
05.06.2003