Index
10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
GrEStG 1955 §1 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der I in M, vertreten durch Dr. Klaus Reisch und Dr. Anke Reisch KEG, Rechtsanwälte in 6370 Kitzbühel, Franz-Reisch-Straße 11a/Alfons-Petzold-Weg 3, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 1. August 2001, Zl. RV 988/1-T6/01, betreffend Grunderwerbsteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Kaufvertrag vom 9. März 2000 schlossen die Beschwerdeführerin, eine deutsche Staatsbürgerin mit Wohnsitz in München, als Käuferin und die G GmbH als Verkäuferin folgenden Kaufvertrag ab:
"§ 1
Allgemeines
Die G GmbH ist hinsichtlich 750/37640 Miteigentumsanteilen, verbunden mit dem Wohnungseigentum an W 5 Haus 4, Miteigentümerin der Liegenschaft EZ ... .
Beim Erwerb dieses Miteigentumsanteiles hat die Firma G GmbH alle damit verbundenen, insbesondere auch außerbücherliche Vereinbarungen übernommen. Dazu zählen insbesondere eine Option auf Einräumung des Eigentumsrechtes auf Grund eines bereits entrichteten Betrages.
§ 2
Kauf
Mit diesem Vertrag verkauft und übereignet sohin die G GmbH (im folgenden kurz Verkäuferin genannt) aus der Liegenschaft in EZ ... 750/37640 Miteigentumsanteile, verbunden mit dem Wohnungseigentum an W 5 Haus 4, an (die Beschwerdeführerin) (im folgenden kurz Käuferin genannt), und diese kauft und übernimmt die Miteigentumsanteile in ihr künftiges alleiniges Eigentum.
§ 3
Kaufpreis
Der Kaufpreis, der bereits entrichtet und der Grunderwerbsteuer unterzogen wurde, macht S 841.000,00 ... aus. Dieser Betrag ist auch nunmehr Gegenstand dieses Kaufvertrages.
§ 4
Übergabe und Übernahme
Die Übergabe und Übernahme des Kaufgegenstandes, und zwar wie sie die Verkäuferin besessen und benützt hat oder zu besitzen und zu benützen berechtigt war, ist bereits seit langem erfolgt. Gleichzeitig sind Wag und Gefahr von der Verkäuferin auf die Käuferin übergegangen.
...
§ 6
Bestand- und Vorkaufsrechte
Die von der Käuferin erworbenen Miteigentumsanteile sind zu ihren Gunsten mit einem Bestandrecht und Vorkaufsrecht belastet. Angesichts des nunmehrigen Erwerbes sind diese Bestand- und Vorkaufsrechte gegenstandslos und daher zu löschen."
In der Abgabenerklärung vom 14. März 2000 beantragte die Beschwerdeführerin die Grunderwerbsteuerbefreiung mit dem Hinweis:
"Die Grunderwerbsteuer wurde bereits wegen des eigentumsgleichen Erwerbes im Jahre 1974 vorgeschrieben und bezahlt".
Mit Schreiben vom 25. Juli 2000 legte die Beschwerdeführerin eine Ablichtung des beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern angezeigten Mietvertrages vor. Die Beschwerdeführerin wies darauf hin, dass Unterlagen über die seinerzeitige Bezahlung der für den abgabenrechtlich als Ankauf anzusehenden Mietvertrages nicht mehr vorlägen. Es sei davon auszugehen, dass eine allfällige Vorschreibung der Grunderwerbsteuer völlig unabhängig davon, ob sie seinerzeit entrichtet worden sei oder nicht, verjährt wäre.
Der zwischen der I GmbH in W und der Beschwerdeführerin als Mietvertrag bezeichnete Vertrag vom 26. November 1973 hat auszugsweise folgenden Inhalt:
I.
Die I Gesellschaft m.b.H., im folgenden kurz I genannt, ist auf Grund des Einbringungsvertrages vom 6. Dezember 1972 unter anderem Eigentümerin der 740/35.000 Anteile der Liegenschaft EZ ..., mit denen ... das Wohnungseigentum an der Wohnung Top 28 im Haus ... untrennbar verbunden ist.
... Damit verbunden ist das ausschließliche Nutzungsrecht am
PKW-Abstellplatz Nr. ... welches auch bei geänderten Verhältnissen
nicht widerrufen werden kann.
II.
Die I vermietet nunmehr und (die Beschwerdeführerin) mietet
die vorangeführte Wohnung sowie den PKW-Abstellplatz ... auf die
Dauer von 99 Jahren; zum Mietgegenstand gehört auch die Mitbenützung der der allgemeinen Benützung dienenden Teile der Gesamtwohnanlage wie Schwimmbad, Sauna etc. Das Mietverhältnis beginnt am 1. 12. 1973 und endet sohin am 30. 11. 2072. Dieses Bestandrecht ist zu verbüchern.
III.
Im Hinblick auf die bereits geleisteten Gesamtherstellungskosten beträgt der Mietzins S 12,- jährlich; er ist bereits über die Gesamtherstellungskosten verrechnet und für die gesamte Mietdauer bezahlt. Der Mieter hat darüberhinaus die auf die Wohnung anteilig nach dem Verwaltungsvertrag entfallenden Bewirtschaftungskosten, bestehend aus Betriebskosten, Versicherungen, der Heizung, der Straßenreinigung und Instandhaltung, der Verwaltung und dergleichen zu tragen. Die Kosten für Instandhaltungsarbeiten und Reparaturen trägt der Mieter anteilig nach dem Verwaltungsvertrag.
IV.
Dieses Bestandverhältnis geht beiderseits auf die Erben und Rechtsnachfolger über, doch haben mehrere Rechtsnachfolger des Mieters auf Dauer der Geltung der derzeitigen Fassung des Wohnungseigentumsgesetzes einen Rechtsnachfolger zu bestimmen.
Die I verpflichtet sich, einer allfälligen Übertragung dieser Bestandrechte und Lebenden an eine vom Mieter namhaft gemachte natürliche oder juristische Person, vorbehaltlich der Geltendmachung eines Ausschließungsgrundes nach dem Wohnungseigentumsgesetz zuzustimmen, wobei der Mieter daraus allenfalls entstehende Abgaben, Gebühren und Steuern aller Art in seine Zahlungspflicht übernimmt. Der Mieter ist in einem derartigen Fall verpflichtet, alle aus der Benützung der Wohnung und des Abstellplatzes bzw. des Garagenabstellplatzes resultierenden Rechte und Pflichten zu überbinden.
Beide Teile verzichten auf die Kündigung dieses Vertrages gemäß § 1116a ABGB.
Dem Mieter steht das Recht zu, für das Mietobjekt bzw. die darauf entfallenden Miteigentumsanteile einen Käufer namhaft zu machen und für diesen Fall das Mietverhältnis aufzukündigen, wobei die I sich verpflichtet, mit dem namhaft gemachten Käufer zu denselben finanziellen Bedingungen einen verbücherungsfähigen Kaufvertrag auf Kosten des Neuerwerbers abzuschließen.
V.
Der Mieter hat die mit oe. S. 841.000,- festgestellten Gesamtherstellungskosten zur Gänze entrichtet.
VI.
Dem Mieter wird hinsichtlich des Bestandobjektes von der I das Vorkaufsrecht für alle Veräußerungsfälle eingeräumt.
VII.
Dieser Vertrag wird unter der Bedingung abgeschlossen, dass er einvernehmlich als aufgelöst betrachtet wird, sobald die Einverleibung des Eigentumsrechtes auf den im Punkt I. genannten Miteigentumsanteilen möglich und der entsprechende Kauf- und gegebenenfalls Wohnungseigentumsvertrag abgeschlossen und verbüchert ist."
Mit Bescheid vom 28. September 2000 schrieb das Finanzamt Innsbruck ausgehend von einer Bemessungsgrundlage von S 841.000-- Grunderwerbsteuer von S 29.435,-- (EUR 2.139,12) vor.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, sie habe bereits im Jahre 1973 die Wohnung erworben und wegen der grundverkehrsrechtlichen Vorschriften sei damals der Weg eines 99-jährigen Mietvertrages gewählt worden, der mit Recht abgabenrechtlich als Erwerb betrachtet worden und daher auch grunderwerbsteuerpflichtig gewesen sei. Die Bezahlung könne nach so vielen Jahren nicht mehr nachgewiesen werden, sei aber belanglos, weil die Beweislast ohnehin umgekehrt und darüber hinaus Verjährung eingetreten sei. Dazu komme, dass die Beschwerdeführerin all die Jahre sowohl die seinerzeitige Vermögensteuer gezahlt habe, als auch für die Grundsteuer unmittelbar steuerpflichtig gewesen sei, was nur bei Vorliegen eines Eigentums und nicht bei Vorliegen eines bloßen Mietvertrages möglich gewesen sei.
Mit dem im Instanzenzug ergangenen, angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Dies mit der Begründung, ein Steuertatbestand nach § 1 Abs. 2 GrEStG sei dann verwirklicht, wenn eine Verwertungsbefugnis eingeräumt werde. Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG sei die Erfassung von Grundstücksumsätzen, die in Bezug auf die Herrschaft über ein Grundstück den in Abs. 1 erfassten Umsätzen so nahe kämen, dass sie wie diese ermöglichten, sich den Wert der Grundstücke auf eigene Rechnung nutzbar zu machen. Die eigentumsähnliche Verfügungsgewalt bestehe aus einer nahezu unbeschränkten Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit, durch die der wirtschaftliche Eigentümer in die Lage versetzt werde, das Grundstück um einen unabhängig vom Willen des Eigentümers ermittelten Preis zu veräußern. Eine Verwertung auf eigene Rechnung sei dann rechtserheblich, wenn dem Erwerber in Bezug auf das Grundstück Einwirkungsmöglichkeiten eingeräumt würden, die über jene eines bloßen Besitz- oder Nutzungsberechtigten hinausgingen, etwa durch Verfügung über die Substanz des Grundstückes. Mieter und Pächter seien in der Regel nicht wirtschaftliche Eigentümer der Bestandsache. Dies wäre nur dann zu bejahen, wenn der Bestandnehmer berechtigt wäre, den Bestandgegenstand bis zur Substanzerschöpfung zu nutzen. Laut ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei daher die Nutzung eines Grundstückes im Weg der Einräumung eines bloßen Bestandrechtes für die Grunderwerbsteuer unerheblich. Nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 16. Mai 1968, Zl. 1546/67, habe der Umstand, dass die Vermieter (Verpächter) auf eine Kündigung des Bestandverhältnisses vor Ablauf von 50 Jahren verzichtet hätten, nicht aus, um darin die Übertragung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht zu erblicken. Bei der Anwendung des § 1 Abs. 2 GrEStG komme es auf die Umstände im Einzelfall an und es könne Fälle geben, in denen eine langfristige Vermietung im Zusammenhang mit den übrigen Vertragsabreden als Einräumung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht gewertet werde. Das Recht zur Weitervermietung bzw. Abtretung des Mietrechtes stelle zwar eine Ausweitung der Nutzungsmöglichkeit dar, wobei aber dieses Recht auch sonst in Mietverträgen vereinbart werde, sodass hieraus die Annahme einer nahezu unbeschränkten Nutzung nicht gerechtfertigt sei. Die Entrichtung der Mietzinse im Vorhinein und der Übergang der Bestandverhältnisse auf Erben und Rechtsnachfolger könnten ebenfalls an dem Gesamtbild, dass nämlich eine Verwertung des Grundstückes auf eigene Rechnung gleich einem Eigentümer nicht eingeräumt werde, nichts ändern. Im Beschwerdefall seien im Mietvertrag vom 26. November 1973 zwar ebenfalls die Entrichtung der Mietzinse im Vorhinein sowie der Übergang des Bestandverhältnisses auf Erben und Rechtsnachfolger vereinbart. Es sei aber von keiner Seite etwa ein Kündigungsverzicht ausgesprochen worden. Weiterreichende Vereinbarungen über eine nahezu unbeschränkte Verwertungsbefugnis seitens der Mieterin seien nicht getroffen worden. In Anbetracht dessen sei daher der Mietvertrag vom 26. November 1973 entgegen der Behauptung der Beschwerdeführerin nach dem Gesamtbild seines Inhaltes nicht als Erwerb des wirtschaftlichen Eigentums an der Liegenschaft bzw. als eigentumsähnlicher oder eigentumsgleicher Erwerb zu qualifizieren und diesbezüglich Grunderwerbsteuer vorzuschreiben. Darüber hinaus sei nach den damals in Geltung stehenden Vorschriften des Tiroler Grundverkehrsgesetzes die vereinbarte Verbücherung des mit der Beschwerdeführerin als ausländischer Staatsbürgerin abgeschlossenen Bestandvertrages wohl nur deshalb möglich gewesen, weil das Rechtsgeschäft als solches, nämlich als bloße Einräumung eines Nutzungsrechtes und nicht etwa als diesfalls genehmigungspflichtiger Erwerb wirtschaftlichen Eigentums bzw. als eigentumsgleicher Erwerb angesehen worden sei, wozu eine grundverkehrsbehördlichen Genehmigung auf Grund der Ausländereigenschaft nicht erteilt worden wäre. Im Beschwerdefall sei durch die Vorlage des Mietvertrages samt Eingangsstampiglie erwiesen, dass dieser Vertrag ordnungsgemäß am 28. Dezember 1973 bei der Abgabenbehörde zur Anzeige gelangt sei. Demgegenüber könne aber weder die behauptete Vorschreibung von Grunderwerbsteuer noch auch die tatsächliche Entrichtung der Steuerschuld auf Grund der Umstände, dass einerseits nach einem Zeitraum von rund 26 Jahren der diesbezügliche Zahlungsbeleg bei der Beschwerdeführerin nicht mehr vorhanden und andererseits der Abgabenakt infolge der vorzunehmenden Skartierung zwischenzeitlich vernichtet worden sei, eindeutig nachgewiesen werden. Unter Bedachtnahme darauf, dass nach dem Inhalt des Mietvertrages vom 26. November 1973 mangels Vereinbarung von weit gehenden Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeiten der Beschwerdeführerin als bloßes Nutzungsrecht und nicht als Einräumung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG zu qualifizieren gewesen sei und auch nur als bloßes Bestandrecht ohne grundverkehrsbehördliche Genehmigung verbüchert werden konnte, gelange die belangte Behörde im Rahmen der freien Beweiswürdigung zum Ergebnis, dass in diesem Fall die Vorschreibung einer Rechtsgebühr als weit wahrscheinlicher anzunehmen sei, als die behauptete Vorschreibung der Grunderwerbsteuer geschweige denn deren tatsächliche Entrichtung. Sollt dennoch in Verkennung der Rechtslage der Mietvertrag als eigentumsgleicher Erwerb gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG erachtet und sohin in rechtswidriger Weise im Jahre 1974 Grunderwerbsteuer zur Vorschreibung gelangt sein, dann könne infolge langjähriger Erfahrungswerte der Abgabenbehörde davon ausgegangen werden, dass genau aus diesem Grund der allfällige Grunderwerbsteuerbescheid mittels erhobener Berufung erfolgreich bekämpft worden und anschließend die zutreffende Rechtsgebühr zur Vorschreibung gelangt sei. In diesem Zusammenhang gelte auch zu bedenken, dass die betreffenden Rechtsvorgänge (z.B. 99-jährige Mietverträge oder auch Treuhandgeschäfte mit ausländischen Staatsbürgern zwecks Umgehung des TirGVG) gerade in der Absicht geschlossen worden seien, im Hinblick bzw. in der Hoffnung auf eine eintretende Novellierung des Grundverkehrsgesetzes in der Zukunft grundbücherliches Eigentum zu erwerben. Gerade bei einem solchen Rechtsvorgang, bei dem meist mehrere Verträge abzuschließen seien und bei dem angesichts der Bestimmung nach § 1 Abs. 4 GrEStG dem Nachweis der schon einmal vorgenommenen Besteuerung für den späteren Rechtserwerb höchste Bedeutung zukomme, erscheine es daher der belangten Behörde nicht nachvollziehbar, dass - wenn auch ein langer Zeitraum verstrichen sein sollte - bei der Beschwerdeführerin keine Unterlagen über die behauptete Grunderwerbsteuervorschreibung und der dazugehörige Einzahlungsbeleg über die tatsächliche Entrichtung der Steuer mehr vorhanden sein sollten, also gerade nicht jene Unterlagen, denen im Hinblick auf eine Beurteilung nach § 1 Abs. 4 GrEStG die meiste Relevanz zukommen würde. Wenn tatsächlich für einen formellen Mietvertrag vom Finanzamt Grunderwerbsteuer festgesetzt und in der Folge von der Beschwerdeführerin bezahlt worden wäre, dann dürfe wohl unter Beachtung der Bestimmung des § 1 Abs. 4 GrEStG unbedenklich angenommen werden, dass diesfalls die Beschwerdeführerin die diesbezüglichen Unterlagen auch über einen sehr langen Zeitraum aufbewahrt hätte. Dies, um in der Folge in der Lage zu sein, nachzuweisen, dass für den späteren Erwerbsvorgang bereits beim vorangegangenen Rechtsvorgang Grunderwerbsteuer festgesetzt und bezahlt worden sei. Der Umstand, dass die Beschwerdeführerin augenscheinlich nicht in der Lage sei, zweckdienliche Unterlagen über die Vorschreibung und Bezahlung der Grunderwerbsteuer bezüglich des Mietvertrages vorzulegen, lasse in freier Beweiswürdigung wohl nur die Schlussfolgerung zu, dass unbedenklich davon auszugehen sei, dass hinsichtlich des angezeigten Mietvertrages eben keine Grunderwerbsteuer rechtskräftig festgesetzt und in der Folge bezahlt worden sei. Der Einwand, die Beschwerdeführerin habe verständlicherweise nach diesen vielen Jahren keine Unterlagen mehr, lasse hingegen vollkommen unberücksichtigt, dass diesen Unterlagen bis zum Abschluss jenes Rechtsvorganges, mit dem sie zivilrechtliches Eigentum am Grundstück erlangen sollte, besondere Bedeutung zugekommen sei und damit die Beschwerdeführerin bei dieser Sachlage wohl zweifelsfrei solche Dokumente, wenn sie überhaupt vorhanden gewesen wären, als Nachweise jedenfalls bis dorthin aufbewahrt hätte. Da der Rechtsvorgang (Kaufvertrag vom 9. März 2000) unbestrittenermaßen als Erwerbvorgang im Sinne des § 1 Abs. 1 Z 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliege, sei die in Frage stehende Vorschreibung unter Beachtung der Bestimmung des § 1 Abs. 4 erster Satz GrEStG jedenfalls rechtens. Die Erhebung insoweit im Sinne des § 1 Abs. 4 GrEStG komme hingegen nicht zum Tragen, sei doch nicht davon auszugehen, dass für den vorausgegangenen Rechtsvorgang (Mietvertrag ) überhaupt gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG Grunderwerbsteuer festgesetzt worden sei. Verwirkliche aber der Kaufvertrag vom 9. März 2000 den grunderwerbsteuerpflichtigen Tatbestand, dann ginge unter Beachtung der Bestimmungen der §§ 207 und 208 BAO auch die Einwendungen bezüglich Verjährung im Hinblick auf die mit Bescheid vom 28. September 2000 erfolgte Abgabenfestsetzung ins Leere.
Jeder abgabenrechtliche Tatbestand sei selbständig und für sich zu beurteilen. Sogar ein und derselbe Rechtsvorgang könne grundsätzlich mehreren Abgabenbelastungen unterliegen, soweit nicht ausdrücklich etwas anderes normiert sei. Die Stempel- und Rechtsgebühren im Sinne des Gebührengesetzes seien von der Grunderwerbsteuer zu unterscheidende Abgaben. Eine durch § 15 Abs. 3 GebG zu vermeidende Doppelbesteuerung mit Grunderwerbsteuer und Rechtsgebühr setze aber die Identität des Rechtsvorganges voraus. Wenn daher nach dem Obgesagten davon auszugehen sei, dass zum Mietvertrag 1973 eine Bestandvertragsgebühr vorgeschrieben worden sei, so sei dieser Rechtsvorgang vom nunmehr in Streit gezogenen Kaufvertrag vom 9. März 2000 gänzlich zu unterscheiden und es handle es sich um zwei abgabenrechtlich selbständig zu betrachtende und nicht idente Tatbestände, die jeweils verschiedenen Abgabenbelastungen unterlägen. Anlässlich des gegenständlichen Kaufvertrages vom 9. März 2000 sei sohin die Grunderwerbsteuerschuld erstmalig entstanden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der sowohl Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Nichtvorschreibung der Grunderwerbsteuer verletzt.
Mit der Beschwerde wurde ein zwischen der I Gesellschaft m.b.H. und der Beschwerdeführerin, als Option bezeichneter Vertrag vom 26. November 1973 vorgelegt, der sich nicht in den vorgelegten Verwaltungsakten befindet.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde vertritt im angefochtenen Bescheid die Ansicht, der Mietvertrag vom 26. November 1973 habe keinen Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG 1955 verwirklicht.
Anerkannter Zweck des § 1 Abs. 2 GrEStG 1955 und 1987 war und ist es, jene Grundstücksumsätze zu erfassen, die den Tatbeständen des § 1 Abs. 1 GrEStG so nahe kommen, dass sie es wie diese ermöglichen, sich den Wert der Grundstücke für eigene Rechnung nutzbar zu machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. November 1991, Zl. 88/16/0166). Dazu ist es nicht erforderlich, dass alle wesentlichen, sich aus dem Eigentumsrecht ergebenden Befugnisse eingeräumt werden; es genügt vielmehr, dass der in Rede stehende Rechtsvorgang das eine oder andere wesentliche Recht des Eigentümers überträgt (hg. Erkenntnis vom 24. Februar 1972, Zlen. 1157, 1179/70). Insbesondere wurde das Vorliegen der Möglichkeit der Verwertung eines Grundstückes auf eigene Rechnung auch dann bejaht, wenn unabhängig von der Frage eines zu erzielenden Mehrerlöses die eingeräumte Position der Verfolgung anderer wirtschaftlicher Ziele diente (hg. Erkenntnis vom 27. November 1969, Zl. 994/68).
Eines dieser wesentlichen Rechte des Eigentümers ist jedenfalls die Entscheidung darüber, an wen der Verkauf des Objektes erfolgt (hg. Erkenntnis vom 25. November 1999, Zl. 99/16/0043).
Die belangte Behörde begründete ihre Ansicht damit, dass "von keiner Seite etwa ein Kündigungsverzicht ausgesprochen" und "weiterreichende Vereinbarungen über eine nahezu unbeschränkte Verwertungsbefugnis seitens der Mieterin nicht getroffen" worden seien.
Diese Feststellungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides übersehen allerdings den Kündigungsverzicht in Punkt IV. des Mietvertrages, wo es heißt: "Beide Teile verzichten auf die Kündigung dieses Vertrages gemäß § 1116a ABGB". Überdies verpflichtete sich in Punkt IV. des Mietvertrages die Verkäuferin, mit einem von der Beschwerdeführerin allenfalls namhaft gemachten Käufer - das Recht auf Namhaftmachung wurde der Beschwerdeführerin eingeräumt - zu denselben finanziellen Bedingungen einen verbücherungsfähigen Kaufvertrag auf Kosten des Neuerwerbers abzuschließen. Ferner ist im Beschwerdefall zu beachten, dass nach Punkt VI. des Mietvertrages dem Mieter für alle Veräußerungsfälle das Vorkaufsrecht eingeräumt wurde, der Mietvertrag nach Punkt VII. unter der auflösenden Bedingung bis zu einer möglichen Einverleibung des Eigentumsrechtes abgeschlossen und die "Miete" auf die Dauer von 99 Jahren vereinbart wurde.
Bei einer Gesamtbetrachtung dieses "Mietvertrages" ergibt sich aus den im Vertrag enthaltenen Vereinbarungen eine eigentumsähnliche Verfügungsgewalt mit einer nahezu unbeschränkten Nutzungs- und Verwertungsmöglichkeit, die bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen, den Erwerbsvorgang nach § 1 Abs. 2 GrEStG verwirklichte. Die Ansicht der belangten Behörde, eine Besteuerung, nämlich die Vorschreibung und Entrichtung der Grunderwerbsteuer, sei dennoch nicht erfolgt, erweist sich im Ergebnis als nicht rechtswidrig.
Im angefochtenen Bescheid (die vorgenommene Beweiswürdigung wurde bereits wiedergegeben) legte die belangte Behörde dar, aus welchen Gründen sie es als erwiesen annehmen durfte, dass damals keine Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz stattgefunden habe, sondern auf Grund der Anzeige des Mietvertrages beim Finanzamt eine Rechtsgebühr nach § 33 TP 5 GebG vorgeschrieben worden sei. Für die Rechtmäßigkeit der Feststellung, das Finanzamt habe eine solche Rechtsgebühr vorgeschrieben, war es entgegen der Beschwerdebehauptung nicht erforderlich, der Beschwerdeführerin zu diesem Thema Parteiengehör zu gewähren.
Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien hat sich die belangte Behörde bei ihrer Entscheidung nicht bloß darauf gestützt, dass Unterlagen über eine Besteuerung nicht auffindbar gewesen seien.
In der Frage der Beweiswürdigung ist die Kontrollbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes in der Richtung eingeschränkt, ob der maßgebende Sachverhalt ausreichend ermittelt wurde und ob die hierbei angestellten Erwägungen schlüssig sind, weshalb es dem Gerichtshof verwehrt ist, die vorgenommene Beweiswürdigung darüber hinaus auf ihre Richtigkeit hin zu prüfen (vgl. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053).
Die im angefochtenen Bescheid dargelegte Beweiswürdigung ist nachvollziehbar und insbesondere unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung schlüssig. Danach konnte die belangte Behörde mit Recht davon ausgehen, dass die Rechtsvorgänge im Jahre 1973 nicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz besteuert wurden.
Gemäß § 1 Abs. 4 zweiter und dritter Satz GrEStG unterliegt ein im § 1 Abs. 2 GrEStG bezeichneter Rechtsvorgang der Steuer auch dann, wenn ihm einer der im § 1 Abs. 1 GrEStG bezeichneten Rechtsvorgänge vorausgegangen ist. Die Steuer wird jedoch nur insoweit erhoben, als beim späteren Rechtsvorgang eine Gegenleistung vereinbart wird, deren Wert den Betrag übersteigt, von dem beim vorausgegangenen Rechtsvorgang die Steuer berechnet worden ist.
Da die Rechtsvorgänge im Jahre 1973 nicht nach dem Grunderwerbsteuergesetz besteuert worden sind, konnte die Begünstigung des § 1 Abs. 4 dritter Satz GrEStG schon deswegen nicht angewendet werden.
Die Anwendung des § 1 Abs. 4 GrEStG setzt auch voraus, dass die einzelnen Erwerbsvorgänge zwischen den gleichen Vertragspartnern stattfinden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 27. Mai 1999, Zlen. 98/16/0304 - 0307).
Es wäre im Hinblick auf die von der Beschwerdeführerin begehrte Begünstigung des § 1 Abs. 4 GrEStG ihre Sache gewesen, nicht nur die Besteuerung des Rechtsvorganges im Jahre 1973 zu behaupten und den Nachweis dazu zu führen, sondern auch zu behaupten und den Nachweis darüber zu führen, dass die Verträge zwischen den gleichen Vertragsparteien abgeschlossen wurden und Gegenstand der Verträge gleiche Grundstücksanteile waren.
Bei Vergleich des Mietvertrages vom 26. November 1973 mit dem Kaufvertrag vom 9. März 2000 zeigt sich, dass der Vermieter und der Verkäufer unterschiedliche Personen sind und auch der Miteigentumsanteil unterschiedlich ist. Eine Behauptung oder Darlegung, dass bei Abschluss der Verträge gleiche Vertragsparteien mitgewirkt hätten und die Miteigentumsanteile gleich wären, erfolgte durch die Beschwerdeführerin nicht. Auch aus diesem Grund war die Begünstigung zu versagen.
Soweit in der Beschwerde weiters behauptet wird, die Beschwerdeführerin habe für den Grundstücksanteil samt dem damit verbundenen Wohnungseigentum Vermögensteuer und Grundsteuer bezahlt, ist darauf hinzuweisen, dass dies nicht zwingend bedeutet, dass die Steuerschuld nach dem Grunderwerbsteuergesetz damals entstanden und entrichtet worden ist.
Die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer knüpft im Beschwerdefall an das als Kaufvertrag vom 9. März 2000 bezeichnete Verpflichtungsgeschäft. Der Bescheid über die Vorschreibung der Grunderwerbsteuer datiert vom 28. September 2000. Entgegen der Ansicht der beschwerdeführenden Parteien ist daher Festsetzungsverjährung (§§ 207 und 208 BAO) nicht eingetreten.
Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als nicht rechtswidrig. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich im Rahmen des gestellten Antrages auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Februar 2003
Schlagworte
Angenommener Sachverhalt (siehe auch Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein und Sachverhalt Verfahrensmängel) Sachverhalt Beweiswürdigung Verfahrensbestimmungen Beweiswürdigung AntragEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001160477.X00Im RIS seit
05.05.2003