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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §897;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde der Harald B KEG in B, vertreten durch Schöpf, Maurer & Bitschnau, Rechtsanwälte in Salzburg, Schrannengasse 10E, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 11. Februar 2002, GZ. RV 832/1-V 5/01, betreffend Grunderwerb- und Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem am 16. Jänner 2001 vor einem öffentlichen Notar - aber nicht in Form eines Notariatsaktes - errichteten Kaufvertrag erwarb die Beschwerdeführerin von den Hälfteeigentümern Werner und Wilhelmine B die Liegenschaft EZ 321 GB B um einen Kaufpreis von ATS 400.000,--, wobei Punkt IX des Vertrages wie folgt lautet:
"Die Rechtswirksamkeit dieses Vertrages ist aufschiebend bedingt durch die Erteilung der grundverkehrsbehördlichen Genehmigung."
Der Vertrag wurde bereits am 16. Jänner 2001 beim Finanzamt Feldkirch (im Folgenden kurz: Finanzamt) angezeigt.
Mit zwei Bescheiden vom 30. Jänner 2001 wurde vom Finanzamt für den Vorgang einerseits ausgehend vom Kaufpreis Grunderwerbsteuer und andererseits ausgehend von einem mit ATS 1,281.000,-- angenommenen Wert (abzüglich des Kaufpreises) Schenkungssteuer vorgeschrieben.
Dagegen berief die Beschwerdeführerin mit der Behauptung, der Vertrag sei "nichtig", weil er nicht in Form eines Notariatsaktes errichtet worden sei. Eine wirkliche Übergabe der Liegenschaft an die Käuferin sei nicht erfolgt. Hingegen sei an den Notar bereits der Auftrag zur Errichtung eines rechtswirksamen Vertrages erteilt worden. Außerdem hätten zwei Erwerbe (je betreffend eine Hälfte der Liegenschaft) stattgefunden. Mit Eingabe vom 18. Juni 2001 wurde mitgeteilt, dass noch kein neuer Vertrag abgeschlossen worden sei und diverse Belege u.a. betreffend die Einzahlung von Miete für Jänner bis Mai 2001 durch "Harald B" an die Verkäufer vorgelegt.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 27. Juni 2001 wurden die Grunderwerbsteuer- und Schenkungssteuerbescheide betreffend den Erwerb von Werner B geändert (Heranziehung der halben Bemessungsgrundlage) und mit Bescheiden vom 28. Juni 2001 wurde betreffend den Erwerb der anderen Liegenschaftshälfte von Wilhelmine B Grunderwerb- und Schenkungssteuer vorgeschrieben. Daraufhin stellte die Beschwerdeführerin betreffend die Berufungsvorentscheidungen den Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und erhob gegen die Bescheide vom 28. Juni 2001 Berufung, wobei sie an ihrem Vorbringen, der Vertrag vom 16. Jänner 2001 sei wegen Formmangels ungültig, festhielt und Belege über Mietzinszahlung durch "Harald B" für die Monate Oktober bis Dezember 2001 vorlegte.
Mit Eingabe vom 6. September 2001 wurde dem Finanzamt ein Schreiben des Gemeindeamtes B vom 31. August 2001 vorgelegt, worin die Gemeinde bekannt gab, dass ihres Wissens nach eine Änderung der Eigentumsverhältnisse nicht erfolgt bzw. der Gemeinde nicht mitgeteilt worden sei. Die letzte Vorschreibung von Grundsteuer am 21. Februar 2001 sei an Werner B vorgenommen und am 16. März 2001 bezahlt worden.
Mit Schreiben des öffentlichen Notars Dr. W vom 16. Oktober 2001 wurde mitgeteilt, dass auch aus der Sicht des Notars der Vertrag vom 16. Jänner 2001 "nichtig" sei und daher dafür keine Vertragserrichtungskosten in Rechnung gestellt worden seien. Dies wurde mit einem Schreiben der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführerin vom 6. Februar 2002 bestätigt.
Die belangte Behörde gab der Berufung in einem jetzt nicht beschwerdegegenständlichen Teil statt, wies aber im Übrigen die Berufung als unbegründet ab, wobei sie davon ausging, die Beschwerdeführerin sei schon vor der Errichtung des Kaufvertrages Mieterin der vertragsgegenständlichen Liegenschaft gewesen, weshalb eine wirkliche Übergabe durch Besitzauflassung (traditio brevi manu) stattgefunden habe.
Dazu finden sich im angefochtenen Bescheid folgende Feststellungselemente:
"Die Rechtsfreundin der Berufungsführerin teilte dem Finanzamt Feldkirch telefonisch mit, es sei beabsichtigt, einen neuerlichen Kaufvertrag zu konzipieren und als Kaufpreis den dreifachen Einheitswert anzusetzen. Bei Verfassung des berufungsgegenständlichen Vertrages habe man nicht auf die geänderte Gesetzeslage (dreifacher Einheitswert) Bedacht genommen. Die Gesellschafter der KEG seien Kinder der Verkäufer/Übergeber. Sie hätten das Vertragsobjekt bereits seit längerem als Mieter innegehabt und in der dort befindlichen Werkstätte das Metallwaren erzeugende Gewerbe ausgeübt."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, dass ihr wegen eines formungültigen bzw. nichtigen Vertrages keine Steuer vorgeschrieben werden darf.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet begehrt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 8 Abs. 2 GrEStG lautet:
"(2) Ist die Wirksamkeit des Erwerbsvorganges vom Eintritt einer Bedingung oder von der Genehmigung einer Behörde abhängig, so entsteht die Steuerschuld mit dem Eintritt der Bedingung oder mit der Genehmigung."
Nach § 12 Abs. 1 Z. 2 ErbStG entsteht die Steuerschuld bei Schenkungen unter Lebenden mit dem Zeitpunkt der Ausführung der Zuwendung.
Gemäß § 19 Abs. 1 leg. cit. richtet sich die Bewertung, soweit nicht im Abs. 2 etwas Besonderes vorgeschrieben ist, nach den Vorschriften des Ersten Teiles des Bewertungsgesetzes (Allgemeine Bewertungsvorschriften).
Gemäß § 4 BewG werden Wirtschaftsgüter, deren Erwerb vom Eintritt einer aufschiebenden Bedingung abhängt, erst berücksichtigt, wenn die Bedingung eingetreten ist.
Nach herrschender Meinung und ständiger Rechtsprechung ist ein Vertrag, der einer grundverkehrsbehördlichen Genehmigung bedarf, aufschiebend bedingt (vgl. z.B. Steiner, Grundverkehrsbehördliche Genehmigung und Bedingungslehre JBl. 1974, 506 sowie 1996 413; derselbe, Die Bedingung im Recht der Gebühren und Verkehrsteuern JBl. 1999, 137; Rummel in Rummel, ABGB I3 Rz 6 zu § 897 ABGB mwN; vgl. dazu auch die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band II, 3. Teil GrEStG 1987 unter Rz 17ff zu § 8 GrEStG referierte hg. Judikatur).
Sowohl die Beschwerdeführerin als auch die belangte Behörde haben übersehen, dass der Vertrag vom 16. Jänner 2001 nach Punkt IX seines Textes aufschiebend bedingt durch die grundverkehrsbehördliche Genehmigung abgeschlossen wurde und dass sich in den Verwaltungsakten keinerlei Anhaltspunkt dafür findet, dass diese Genehmigung erteilt worden wäre.
Bereits aus diesem Grund leidet der angefochtene Bescheid an Rechtswidrigkeit des Inhaltes, weil es die belangte Behörde ausgehend von dem rechtlichen Versäumnis unterlassen hat, Ermittlungen zu dieser für die Besteuerung essenziellen Frage anzustellen (sog. sekundärer Verfahrensmangel).
Auch betreffend aufschiebend bedingte Schenkungen - für die es anders als für den aufschiebend bedingten Erwerb von Todes wegen (§ 12 Abs. 1 Z. 1 lit. a ErbStG) keine Sonderregel gibt - vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Meinung, dass die Zuwendung regelmäßig vor dem Eintritt der Bedingung nicht als ausgeführt anzusehen ist (vgl. dazu die bei Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern, Band III, Erbschafts- und Schenkungssteuer unter Rz 30 zu § 12 ErbStG referierte hg. Rechtsprechung).
Dazu kommt noch, dass die Begründung des angefochtenen Bescheides betreffend die von der belangten Behörde angenommene traditio brevi manu mangelhaft ist, weil sich dem Aktenvermerk des Finanzamtes über das Telefonat mit der Rechtsvertreterin der Beschwerdeführer jener Inhalt, den die belangte Behörde zum Gegenstand ihrer oben wiedergegebenen Feststellungen betreffend die Beschwerdeführerin als Mieterin machte, nicht entnehmen lässt. Überdies nennen die im Akt erliegenden Belege über die Zahlung von Mietzins nicht die Beschwerdeführerin sondern eine Person namens Harald B als Zahler des Mietzinses.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Mit Rücksicht auf die durch die angeführte Literatur und Judikatur klargestellte Rechtslage konnte die Entscheidung in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VO BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 20. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002160107.X00Im RIS seit
05.05.2003