TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/20 2001/06/0084

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Veröffentlicht am 20.02.2003
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Index

L37156 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Steiermark;
L80006 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan
Steiermark;
L82000 Bauordnung;
L82006 Bauordnung Steiermark;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §52;
AVG §8;
BauO Stmk 1968 §61 Abs2 litb;
BauRallg;
ROG Stmk 1974 §23 Abs5 lite;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der Bauunternehmung G Gesellschaft m.b.H. in G, vertreten durch Dr. Gerhard Richter, Dr. Rudolf Zahlbruckner, Rechtsanwälte in 8010 Graz, Bürgergasse 13, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 29. Mai 2001, Zl. 03-12.10 W 81 - 01/1, betreffend Baubewilligung (mitbeteiligte Parteien: 1. Dr. KP in G,

2. GRe in G, vertreten durch Dr. Werner Achtschin, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 7, 3 Dr. JK in W, 4. GRi in W, 5. W und

6. ET, beide in G, 7. Dipl. Ing. MK in G, vertreten durch Dr. Werner Achtschin, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Herrengasse 7,

8. Dr. AK in G, 9. Landeshauptstadt Graz, 10. Gemeinde W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Steiermark Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Die beschwerdeführende Partei hat ferner dem 2. und dem 7. Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Ansuchen vom 4. August 1989 beantragte die beschwerdeführende Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung einer Asphaltmisch- und Gussasphaltanlage auf den im Antrag näher bezeichneten, in als Gewerbe- und Industriegebiet II gewidmetem Gebiet gelegenen Grundstücken.

Mit weiterer Eingabe vom 9. August 1994 wurden hinsichtlich dieses Bauansuchens geänderte Pläne sowie Gutachten vorgelegt. Weitere Gutachten und Urkunden wurden mit Eingabe vom 6. September 1994 vorgelegt.

Über dieses Ansuchen wurde eine mündliche Bauverhandlung am 6. September 1994 abgehalten.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde W. vom 17. Februar 1995 wurde der beschwerdeführenden Partei die beantragte Baubewilligung nach Maßgabe des Widmungsbewilligungsbescheides vom 6. Dezember 1994 unter Vorschreibung von Auflagen erteilt, wobei die mit Eingabe vom 9. August 1994 vorgelegten Pläne vom 31. März 1994 einen Bestandteil der Baubewilligung bildeten. Die Einwendungen der Nachbarn (unter anderem auch die nunmehrigen 1. - 9.- mitbeteiligten Parteien) wurden teils als unbegründet, teils als unzulässig abgewiesen.

Gegen diesen Bescheid erhoben (unter anderem) die 1. - 9.- mitbeteiligten Parteien Berufung.

Mit Bescheid der Gemeindevertretung der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1995 wurden diese Berufungen abgewiesen.

Aufgrund der dagegen gerichteten Vorstellung der 1. - 9.- mitbeteiligten Parteien behob die belangte Behörde mit Bescheid vom 4. November 1996 den Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 28. August 1995 wegen Verletzung von Rechten der mitbeteiligten Parteien und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zurück.

Gegen diesen Bescheid erhob die beschwerdeführende Partei Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, die mit Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0285, - soweit im vorliegenden Beschwerdeverfahren noch von Relevanz - als unbegründet abgewiesen wurde. Der Verwaltungsgerichtshof führte in diesem Erkenntnis im Wesentlichen aus, die belangte Behörde sei in ihrem aufhebenden Bescheid zutreffend davon ausgegangen, dass nicht allein Immissionen des zu bewilligenden Betriebes ausschlaggebend seien, sondern das Ausmaß an Gesamtimmissionsbelastung, nämlich das Summenmaß aus Istmaß - ohne Immissionen des zu bewilligenden Betriebes - und Prognosemaß, nämlich jenen Immissionen, die aus dem Betrieb hervorgingen. Im medizinischen Sachverständigengutachten (vom 17. September 1994) sei das Ausmaß der Gesamtimmissionsbelastung nicht berücksichtigt worden. Da die Anrainer aber einen Anspruch auf Einhaltung der Flächenwidmung und damit einen Anspruch darauf hätten, dass die Gesamtimmissionsbelastung nicht dem Widmungsmaß des Bauplatzes widerspreche, habe die belangte Behörde zu Recht den Bescheid des Gemeinderates wegen Verletzung von Rechten der Nachbarn aufgehoben.

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf dieses Erkenntnis verwiesen.

Im ergänzenden Ermittlungsverfahren holte die Gemeindebehörde ein Gutachten des Dipl. Ing. A. H zur Frage der zu erwartenden Geruchsimmissionen ein, wobei an den Sachverständigen folgende Fragen gestellt wurden:

Kann man für Gerüche - ähnlich dem Lärm - fachlich ermittelbare Grundlagen für die Definition des Widmungsmaßes erstellen?

Wie weit kann man dem vorgenannten Widmungsmaß ein Summenmaß gegenüberstellen, wobei dieses aus Istmaß und Prognosemaß bestehen soll?

Überschreitet im Anlassfall das Summenmaß das Widmungsmaß?

Der Sachverständige kam in seinem Gutachten vom 9. Juli 1998 unter Anwendung der 1993 in Nordrhein-Westfalen entwickelten und 1995 für das gesamte Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland empfohlenen Geruchsimmissionsrichtlinie (GIRL) sowie des 1997 darüber (positiv) erstellten Erfahrungsberichtes (VDI-Bericht 1373) und unter Zugrundelegung der im ersten Rechtsgang bereits vorgelegenen Ergebnisse der Befunde des Sachverständigen Doz. L (aus dem Jahr 1989) zum Ergebnis, die gegenständliche Anlage sei genehmigungsfähig.

Gegen dieses Gutachten erhoben die 1. - 9.-mitbeteiligten Parteien im Rahmen des Parteiengehörs Einwendungen.

Mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde W. vom 6. November 2000 wurden die gegen den Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde W. vom 17. Februar 1995 erhobenen Berufungen der mitbeteiligten Nachbarn neuerlich als unbegründet abgewiesen. Begründend führte die Behörde zweiter Rechtsstufe in Anlehnung an das Sachverständigengutachten H aus, dass das heute als Istmaß zu verifizierende Summenmaß (also das ursprüngliche Istmaß der Umgebung einschließlich des Störmaßes aus der gegenständlichen Betriebsanlage) an Geruchsbelästigungen sich innerhalb des Widmungsmaßes für "Industrie- und Gewerbegebiet" dieser Art halte und das Störmaß aus dieser Anlage von so geringer Intensität sei, dass es auf das Summenmaß keinen Einfluss haben könne.

Gegen diesen Bescheid erhoben die mitbeteiligten Parteien Vorstellung an die belangte Behörde.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid vom 29. Mai 2001 behob die belangte Behörde den Berufungsbescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde W. wiederum und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an diesen zurück. Begründend führte die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der Rechtslage unter Bezugnahme auf das Verwaltungsgerichtshofserkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0285, aus, dass Berechnung und Aussage des Gutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. H auf Annahmen beruhe, die im Einzelnen nicht den tatsächlichen Sachverhalt erfassten, weil nicht in ausreichendem Masse geprüft worden sei, ob die momentan vorfindlich angenommene Istsituation auch die rechtlich mögliche Istsituation darstelle. Die Behörde habe zu prüfen, welche maximal möglichen Immissionen seitens der genehmigten Nachbaranlage der Fa. K. auftreten könne. Nicht maßgebend sei, welche Istsituation zur Zeit auftrete, sondern welche maximale Immissionsbelastung als Istsituation (bei Vollbetrieb der Anlage K.) anzunehmen sei. Erst dann könne beurteilt werden, ob die zusätzlich auftretenden Immissionen der gegenständlichen Anlage tatsächlich noch innerhalb des Widmungsmaßes lägen. Solle festgestellt werden, dass die Istsituation bei der genehmigten maximalen Kapazitätsauslastung der Anlage K. bereits das Widmungsmaß überschreite, so sei selbst eine geringfügige Überschreitung auch dann, wenn sie nach der vom Sachverständigen angewendeten GIRL als irrelevant angesehen werde, relevant, weil bei Überschreitung des Widmungsmaßes eine Genehmigung der gegenständlichen Anlage nicht in Betracht komme. Auch habe die Gemeindebehörde zu Unrecht keinen medizinischen Sachverständigen beigezogen, der festzustellen habe, ob die Erhöhung des Istmaßes (also das Summenmaß), auch wenn dieses innerhalb des Widmungmaßes liege, zumutbar sei oder nicht.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde und legte die Verwaltungsakten vor.

Auch der 2. und der 7. Mitbeteiligte haben in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 119 Abs. 2 Stmk. Baugesetz, LGBl. Nr. 59/1995 - Stmk. BauG, sind die im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Gesetzes anhängigen Verfahren nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen.

Gemäß § 61 Abs. 2 lit. b der demgemäß hier anzuwendenden Stmk. BauO kann der Nachbar gegen die Erteilung der Baubewilligung Einwendungen erheben, wenn diese sich auf Bauvorschriften beziehen, die nicht nur dem öffentlichen Interesse, sondern auch dem Interesse der Nachbarn dienen. Dies sind u.a. die Bestimmungen über die Übereinstimmung des Bauvorhabens mit dem Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan und den Bebauungsrichtlinien, soweit damit ein Immissionsschutz verbunden ist (§ 3 Abs. 2). Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits in seinem in dieser Angelegenheit ergangenen Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0285, darauf hingewiesen, dass die Steiermärkische Bauordnung somit dann, wenn mit der Widmung ein Immissionsschutz verbunden ist, dem Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht dahingehend einräumt, dass durch das Bauvorhaben keine Immissionen hervorgerufen werden, die der Flächenwidmung widersprechen.

Gemäß § 23 Abs. 5 lit. e ROG 1974 in der hier maßgeblichen Fassung LGBl. Nr. 41/1991 sind Industrie- und Gewerbegebiete II Flächen, die für Betriebe und Anlagen bestimmt sind, die keine unzumutbaren Belästigungen oder gesundheitsgefährdenden Immissionen (Hervorhebung durch den Verwaltungsgerichtshof) verursachen, wobei auch die für die Aufrechterhaltung dieser Anlagen in ihrer Nähe erforderlichen Wohnungen, Verwaltungs- und Geschäftsgebäude errichtet werden können. Mit der Widmung Industrie- und Gewerbegebiet II ist somit ein Immissionsschutz verbunden. In diesem Sinne haben die mitbeteiligten Parteien unzumutbare und gesundheitsgefährdende Geruchsimmissionen behauptet (siehe dazu das in diesem Fall bereits ergangene Erkenntnis vom 26. Juni 1997, Zl. 96/06/0285).

In diesem Vorerkenntnis hat der Verwaltungsgerichtshof dargelegt, dass er die von der belangten Behörde in ihrem Bescheid vom 4. November 1996 herangezogenen Aufhebungsgründe uneingeschränkt teilt. Daraus ergab sich für die Gemeindeinstanz zweiter Rechtsstufe eine klare Vorgangsweise, den angelasteten Verfahrensmangel zu beheben. Der Verwaltungsgerichtshof vermag der in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde geäußerten Rechtsansicht, bei Ermittlung des Istmaßes sei darauf Bedacht zu nehmen, bis zu welchem Ausmaß Belastungen rechtlich zulässig sind, nicht entgegenzutreten. Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bereits im Zusammenhang mit der Anwendung der VDI-Richtlinie 3471 ausgeführt (siehe dazu die hg. Erkenntnisse vom 7. März 2000, Zl. 99/05/0162, und vom 31. Januar 2002, Zl. 2001/06/0081), dass gegen die Anwendung einer deutsche Richtlinie durch österreichische Sachverständige keine Bedenken bestehen, wenn diese dem Stand der Technik entspricht und denselben Fragenkomplex behandelt, der nach der jeweiligen österreichischen Rechtslage relevant ist.

Die belangte Behörde hat zutreffend die Ansicht vertreten, dass eine Rechtsverletzung der Mitbeteiligten dadurch erfolgt ist, dass zu der Frage der Zumutbarkeit der Erhöhung des Istmaßes unterhalb des Widmungsmaßes kein medizinischer Sachverständiger herangezogen worden war.

Da somit die zweite Gemeindeinstanz hinsichtlich der zu erwartenden Geruchsimmissionen zu Unrecht von einer ausreichenden Beurteilungsgrundlage ausgegangen war, was die belangte Behörde zutreffend zum Anlass für die Aufhebung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde W. nahm, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 20. Februar 2003

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6 Sachverständiger Erfordernis der Beiziehung Arzt

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001060084.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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