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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Bürgermeisters der Gemeinde Zams vom 1. Februar 1999 wurde der Firma M GmbH die Baubewilligung zur Errichtung eines Lebensmittelmarktes auf dem Grundstück Nr. 1566/4, KG Zams, erteit. Die Berufung der Nachbarn wurde als unbegründet abgewiesen.
Die dagegen erhobene Vorstellung der Nachbarn und nunmehrigen Beschwerdeführer hat die Tiroler Landesregierung als unbegründet abgewiesen, da Nachbarn im Bauverfahren gem. §25 Abs2 TBO 1998 nur mehr berechtigt seien, in Ansehung des jeweiligen Grundstücks die Verletzung der Abstandsbstimmungen nach §6 TBO 1998 geltend zu machen.
2. In der vorliegenden auf Art144 Abs1 B-VG gestützten Beschwerde behaupten die Beschwerdeführer die Verletzung in näher bezeichneten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten sowie in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§25 Abs2 letzter Satz TBO 1998) und beantragen die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheids.
3. Die Tiroler Landesregierung legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die Abweisung der Beschwerde beantragt.
4. Die Bauwerberin erstattete eine Äußerung, in der sie die Abweisung der Beschwerde und den Zuspruch der Verfahrenskosten begehrt.
5. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98, leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998, ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 1. Juni 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von
S 4.500,- und eine Eingabegebühr von S 2.500,- enthalten. Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung einer Äußerung nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10228/1984).
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B920.1999Dokumentnummer
JFT_10008785_99B00920_00