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10 VerfassungsrechtNorm
VfGG §33Leitsatz
Abweisung eines Wiedereinsetzungsantrages wegen nicht bloß leichter Fahrlässigkeit des für die Fristversäumnis der beschwerdeführenden Gesellschaft verantwortlichen Geschäftsführers; gleichzeitig Zurückweisung der Beschwerde wegen Versäumung der BeschwerdefristSpruch
I. Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird keine Folge gegeben.
II. Die Beschwerde wird
zurückgewiesen.
III. Der Antrag, die Beschwerde
dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, wird abgewiesen.
Begründung
Begründung:
I. Mit Schriftsatz vom 15. September 1999, der noch am gleichen Tag zur Post gegeben wurde, begehrt die Unipack Verpackungs- und Abfüll GesmbH die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Beschwerde gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 14. Juli 1999, Z66.424/30-VI/B6/99 (zugestellt am 16. Juli 1999).
In diesem Wiedereinsetzungsantrag, der mit einer (nachgeholten) Beschwerde verbunden ist, wird im wesentlichen folgendes ausgeführt: In den Geschäftsräumen der Beschwerdeführerin sei der Bescheid von der Rezeptionistin an Frau E B, die persönliche Sekretärin und Schwester des handelsrechtlichen Geschäftsführers der antragstellenden Gesellschaft, Ing. W B, gelangt. Da Ing. B am Tag der Zustellung des Bescheides nicht im Unternehmen anwesend gewesen sei, habe Frau B, die seit fünf Jahren im Unternehmen der antragstellenden Gesellschaft unter anderem für den Posteingang zuständig sei, den Bescheid in Verwahrung genommen, um ihn persönlich an Ing. B weiterzuleiten. Enthalte ein eingehendes Poststück einen Termin, dann merke Frau B diesen Termin im Kalender des Herrn Ing. B vor, sodaß dieser jedenfalls davon Kenntnis erlange. Hier sei eine solche Eintragung jedoch unterblieben, weil Frau B den Bescheid persönlich an Herrn Ing. B übergeben wollte. Versehentlich habe sie den Bescheid jedoch in die Ablage eingeordnet. Da in der Zeit vom 23. Juli bis zum 8. August 1999 das Unternehmen aufgrund eines Betriebsurlaubes geschlossen gewesen sei und zuvor Herr Ing. B nur sehr sporadisch in den Geschäftsräumen der antragstellenden Gesellschaft anwesend gewesen sei, sodaß sich keine Gelegenheit ergeben habe, ihm den Bescheid persönlich zu überreichen, habe er bis dahin nicht vom Einlangen des gegenständlichen Bescheides erfahren. Nach dem Betriebsurlaub sei Frau B nur zwei Tage im Unternehmen der Beschwerdeführerin (zu welcher Zeit Herr Ing. B nicht im Unternehmen gewesen sei) gewesen, danach sei sie bis zum 27. August 1999 im Krankenstand gewesen. Erst am 1. September 1999 habe Herr Ing. B, als er mit der Krankenvertretung von Frau B die Ablage aufgearbeitet habe, den Bescheid gefunden und ihn sofort an die Rechtsvertreter weitergeleitet. Ein gleichartiges Versehen sei der bisher einwandfrei und zuverlässig arbeitenden Frau B noch nie unterlaufen.
Als Bescheinigungsmittel für die geschilderten Vorgänge, die zur Fristversäumung führten, liegen dem Antrag eidesstattliche Erklärungen des Herrn Ing. W B und der Frau E B bei.
II. Der - rechtzeitig eingebrachte (vgl. §148 Abs2 ZPO) - Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist ist nicht begründet.
1. Da das VerfGG in seinem §33 die Voraussetzungen für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht selbst regelt, sind nach §35 dieses Gesetzes die entsprechenden Bestimmungen des §146 Abs1 ZPO sinngemäß anzuwenden: Danach ist einer Partei, soweit das Gesetz nichts anderes bestimmt, auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein "unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis" an der rechtzeitigen Vornahme einer befristeten Prozeßhandlung verhindert wurde und die dadurch verursachte Versäumung für sie den Rechtsnachteil des Ausschlusses von der vorzunehmenden Prozeßhandlung zur Folge hatte. Daß der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Unter "minderem Grad des Versehens" ist nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes leichte Fahrlässigkeit zu verstehen, die dann vorliegt, wenn ein Fehler unterläuft, den gelegentlich auch ein sorgfältiger Mensch begeht (vgl. VfSlg. 9817/ 1983, 11706/1988, 13763/1994, 14157/1995).
2. Davon kann im vorliegenden Fall aber nicht die Rede sein. Im Zusammenhang mit der Einhaltung von Fristen und Terminen bedarf es eines Mindestmaßes an Sorgfalt sowie der Einrichtung einer - möglichst effizienten - Organisation, welche geeignet ist, Fristversäumungen zu verhindern. Eine solche Organisation ist im Unternehmen der antragstellenden Gesellschaft nicht gegeben, was deren Geschäftsführer zu verantworten hat. Zwar wird im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vorgebracht, daß die persönliche Sekretärin des handelsrechtlichen Geschäftsführers Termine, die einlangende Poststücke enthalten, in den Kalender des Geschäftsführers einträgt, damit dieser die nötigen Verfügungen treffen kann. Dem Geschäftsführer wäre es aber oblegen, zumindest durch Stichproben das Eintragen der Fristen in den Kalender zu überwachen, was nach dem Vorbringen der antragstellenden Gesellschaft nicht geschehen ist. Der Verfassungsgerichtshof wertet es nicht als leichte Fahrlässigkeit, wenn die für den Posteingang zuständige Sekretärin insbesondere angesichts des Umstandes, daß der Geschäftsführer den Angaben des Antrages zufolge nur äußerst sporadisch in den Geschäftsräumen anwesend ist, den Termin eines Poststückes nicht regelmäßig in den Kalender des Geschäftsführers einträgt, sondern dies unterläßt, wenn sie das Schriftstück dem Geschäftsführer persönlich übergeben möchte. Im Hinblick darauf fällt der Umstand nicht mehr besonders ins Gewicht, daß die Sekretärin den Bescheid versehentlich in die Ablage einordnete. Nach Lage des Falles kann daher keinesfalls angenommen werden, daß der beschwerdeführenden Gesellschaft ein Fehler unterlaufen ist, der nur als minderer Grad des Versehens zu werten ist.
3. Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war sohin abzuweisen.
III. 1. Die unter einem
eingebrachte Beschwerde nach Art144 B-VG erweist sich demnach wegen Versäumung der sechswöchigen Beschwerdefrist (§82 Abs1 VerfGG) als verspätet und war daher zurückzuweisen.
2. Der Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abzutreten, war abzuweisen, weil nach Art144 Abs3 B-VG (und §87 Abs3 VerfGG) eine solche Abtretung nur für den Fall vorgesehen ist, daß der Verfassungsgerichtshof die Beschwerde abweist oder eine Behandlung ablehnt, nicht aber für den Fall, daß er sie zurückweist.
IV. Diese Beschlüsse konnten gemäß §33 zweiter Satz und §19 Abs3 Z2 litb VerfGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung gefaßt werden.
Schlagworte
VfGH / WiedereinsetzungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1542.1999Dokumentnummer
JFT_10008785_99B01542_00