TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/25 2003/10/0025

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3L E15202000;
E6J;
40/01 Verwaltungsverfahren;
82/05 Lebensmittelrecht;

Norm

31979L0112 Etikettierungs-RL;
62000CJ0421 Sterbenz VORAB;
EURallg;
LMG 1975 §74 Abs1;
LMG 1975 §8 litf;
LMG 1975 §9 Abs1;
LMG 1975;
VStG §44a Z1;

Beachte

Vorabentscheidungsverfahren:* Vorabentscheidungsantrag:99/10/0260 B 18. Dezember 2000 * EuGH-Entscheidung: EuGH 62000CJ0421 23. Jänner 2003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Bumberger und Dr. Stöberl als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde des P D in W, vertreten durch DDr. Meinhard Ciresa, Rechtsanwalt in Wien I, Biberstraße 3/8, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 12. Oktober 1999, Zl. UVS- 07/L/39/00268/99, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes (weitere Partei: Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 12. Oktober 1999 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe als handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der R-GesmbH zu verantworten, dass diese Gesellschaft mit dem Standort W, am 19. September 1997 240 Packungen des von der R Ges.m.b.H. in Deutschland, 65439 Flörsheim/Main, importierten Produktes "R Kürbiskern-Kapseln mit Vitamin E, Blase und Prostata" der DM-Zentrale in Enns geliefert und somit in Verkehr gebracht habe, obwohl dieses Verzehrprodukt insofern gemäß § 8 lit. f des Lebensmittelgesetzes falsch bezeichnet gewesen sei, als auf dem Beipacktext folgende gesundheitsbezogene Angaben, die gegen die Bestimmungen des § 9 Abs. 1 des Lebensmittelgesetzes verstießen, gemacht worden seien:

"zum Schutz der Zellmembran vor den freien Radikalen" "wichtig für die Funktion vieler Enzyme"

"wichtig als Baustein für Knochen und Zähne"

"Regulation des Wasserhaushaltes (Blasenfunktion)".

Dem Beschwerdeführer wurde zur Last gelegt, er habe dadurch eine Übertretung nach § 74 Abs. 1 in Verbindung mit § 9 Abs. 1, § 8 lit. f und § 7 Abs. 1 lit. c des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975 (LMG 1975) begangen. Über ihn wurde eine Geldstrafe in Höhe von S 3.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 72 Stunden) verhängt.

In der Begründung heißt es, die Entscheidung stütze sich auf die nach der Aktenlage feststehenden und auch unbestritten gebliebenen Fakten, nämlich dass am 19. September 1997 durch die R-GesmbH, deren handelsrechtlicher Geschäftsführer und somit zur Vertretung nach außen Berufener der Beschwerdeführer sei, 240 Packungen des Verzehrproduktes "R Kürbiskern-Kapseln mit Vitamin E, Blase und Prostata" der DM-Zentrale in Enns geliefert worden seien. Jede Packung habe einen Beipackzettel enthalten, auf dem sich jene Wendungen befunden hätten, die im Spruch genannt seien.

Das erstinstanzliche Straferkenntnis basiere auf einem Anzeigegutachten der Bundesanstalt für Lebensmitteluntersuchung und -forschung in Wien vom 9. März 1998. Diesem Gutachten lasse sich u.a. entnehmen, dass das vorliegende Produkt gemäß § 18 LMG als Verzehrprodukt angemeldet worden sei. Gleichzeitig seien auch gesundheitsbezogene Angaben zugelassen worden, nicht jedoch die auf dem Beipacktext enthaltenen.

Nach § 7 Abs. 1 lit. c LMG sei es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet seien. Gemäß § 8 lit. f LMG seien Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe dann falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich seien, versehen und u.a. mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben in Verkehr gebracht würden. Nach § 9 Abs. 1 lit. a LMG sei es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesundheitserhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken.

Ob die Anpreisung eine "gesundheitsbezogene Angabe" im Sinne des § 9 LMG darstelle, sei ausgehend von der Verkehrsauffassung zu beurteilen, also von dem Eindruck, der sich beim flüchtigen Lesen für einen nicht unbeträchtlichen Teil der Konsumenten ergebe, wobei auf den Gesamteindruck der Mitteilung Bedacht zu nehmen sei. Dabei könnten auch "generalisierende" Bezeichnungen gesundheitsbezogen im Sinne des § 9 LMG sein (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. September 1994, 92/10/0468). Vor diesem Hintergrund könne aber kein Zweifel daran bestehen, dass die im Spruch wiedergegebenen Angaben bei einer Gesamtbetrachtung als gesundheitsbezogene Angaben im Sinne des § 9 Abs. 1 lit. a LMG zu qualifizieren seien, da der Durchschnittskonsument Ausdrücke wie "Schutz der Zellmembran, Regulation des Wasserhaushaltes, Blasenfunktion" und dgl. eindeutig dem Bereich Gesundheit zuzuordnen pflege.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, gegen § 9 Abs. 1 und § 8 lit. f LMG 1975 bestünden gravierende Bedenken aus der Sicht des Europäischen Gemeinschaftsrechts. Wie die Erstbehörde zu Recht festgestellt habe, handle es sich bei den "R Kürbiskern-Kapseln mit Vitamin E, Blase und Prostata" um ein Importprodukt aus Deutschland, welches dort unbeanstandet in Verkehr gesetzt worden sei, weil u.a. sämtliche einschlägigen deutschen Kennzeichnungsvorschriften eingehalten worden seien. Die Kennzeichnung von Lebensmitteln sei durch die Etikettierungsrichtlinie abschließend harmonisiert worden, sodass für die Anwendung abweichender bzw. strengerer nationaler Rechtsvorschriften kein Raum mehr bleibe. § 9 LMG 1975 enthalte ein über Art. 2 Abs. 1 lit. b der Etikettierungsrichtlinie hinausgehendes Verbot gesundheitsbezogener Angaben. Die Verbote des § 9 Abs. 1 LMG seien bei der gebotenen richtlinienkonformen Interpretation auf Sachverhalte einzuschränken, die ein Verbot als unumgänglich notwendig erscheinen ließen. Wahre gesundheitsbezogene Angaben wie die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten hingegen könnten nicht unter dieses Verbot fallen.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift aber Abstand genommen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 18. Dezember 2000 gemäß Art. 234 EG dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

"1. Steht Art. 2 Abs. 1 lit. b der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür (nunmehr kodifizierte Richtlinie 2000/13/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. März 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür, Amtsblatt Nr. L 109 vom 6. Mai 2000, Seite 0029; im Folgenden Etikettierungs-Richtlinie), wonach die Etikettierung und die Art und Weise, in der sie erfolgt, vorbehaltlich der Gemeinschaftsvorschriften über natürliche Mineralwässer und über Lebensmittel, die für eine besondere Ernährung bestimmt sind, einem Lebensmittel nicht Eigenschaften der Vorbeugung, Behandlung oder Heilung einer menschlichen Krankheit zuschreiben oder den Eindruck dieser Eigenschaften entstehen lassen dürfen, einer nationalen Vorschrift entgegen, nach der es verboten ist, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln

a) sich auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesund erhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;

b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;

c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden?

2. Stehen die Etikettierungs-Richtlinie oder die Art. 28 und 30 EG einer nationalen Vorschrift entgegen, die die Anbringung gesundheitsbezogener Angaben im Sinne der Frage 1 beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln nur nach einer vorherigen Genehmigung durch den zuständigen Bundesminister zulässt, wobei Voraussetzung für die Genehmigung ist, dass die gesundheitsbezogenen Angaben mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar sind?"

Mit Urteil vom 23. Jänner 2003, C-421/00, C-426/00 und C- 16/01, erkannte der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften über das erwähnte Ersuchen um Vorabentscheidung für Recht:

"Die Art. 2 Absatz 1 Buchstabe b und 15 Absätze 1 und 2 der Richtlinie 79/112/EWG des Rates vom 18. Dezember 1978 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Etikettierung und Aufmachung von Lebensmitteln sowie die Werbung hiefür in der durch die Richtlinie 97/4/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 geänderten Fassung stehen einer Regelung wie der des § 9 Absätze 1 und 3 des Bundesgesetzes über den Verkehr mit Lebensmitteln, Verzehrprodukten, Zuatzstoffen, kosmetischen Mitteln und Gebrauchsgegenständen (Lebensmittelgesetz 1975) entgegen, die jede gesundheitsbezogene Angabe auf der Etikettierung und der Aufmachung von Lebensmitteln vorbehaltlich besonderer Genehmigung generell verbietet."

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Dem Beschwerdeführer wird im angefochtenen Bescheid eine Übertretung nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 in Verbindung mit den §§ 9 Abs. 1, 8 lit. f und 7 Abs. 1 lit. c leg. cit. angelastet.

Nach § 74 Abs. 1 LMG 1975 macht sich einer Verwaltungsübertretung schuldig, wer Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel oder Gebrauchsgegenstände der im § 6 lit. a, b oder e bezeichneten Art falsch bezeichnet, oder Lebensmittel, Verzehrprodukte oder Zusatzstoffe, kosmetische Mittel, die falsch bezeichnet sind, oder solche falsch bezeichneten Gebrauchsgegenstände in Verkehr bringt.

Nach § 7 Abs. 1 lit. c LMG 1975 ist es verboten, Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe in Verkehr zu bringen, die falsch bezeichnet sind.

Nach § 8 lit. f LMG 1975 sind Lebensmittel, Verzehrprodukte und Zusatzstoffe falsch bezeichnet, wenn sie mit zur Irreführung geeigneten Angaben über Umstände, die nach der Verkehrsauffassung, insbesondere nach der Verbrauchererwartung, wesentlich sind, wie über Art, Herkunft, Verwendbarkeit, Haltbarkeit, Zeitpunkt der Herstellung, Beschaffenheit, Gehalt an wertbestimmenden Bestandteilen, Menge, Maß, Zahl oder Gewicht, oder in solcher Form oder Aufmachung oder mit verbotenen gesundheitsbezogenen Angaben (§ 9) in Verkehr gebracht werden.

Nach § 9 Abs. 1 LMG 1975 ist es verboten, beim Inverkehrbringen von Lebensmitteln, Verzehrprodukten oder Zusatzstoffen

a) sich auf die Verhütung, Linderung oder Heilung von Krankheiten oder Krankheitssymptomen oder auf physiologische oder pharmakologische, insbesondere jung erhaltende, Alterserscheinungen hemmende, schlankmachende oder gesund erhaltende Wirkungen zu beziehen oder den Eindruck einer derartigen Wirkung zu erwecken;

b) auf Krankengeschichten, ärztliche Empfehlungen oder auf Gutachten hinzuweisen;

c) gesundheitsbezogene, bildliche oder stilisierte Darstellungen von Organen des menschlichen Körpers, Abbildungen von Angehörigen der Heilberufe oder von Kuranstalten oder sonstige auf Heiltätigkeiten hinweisende Abbildungen zu verwenden.

Nach § 9 Abs. 3 leg. cit. hat der Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen auf Antrag für bestimmte Lebensmittel oder Verzehrprodukte gesundheitsbezogene Angaben mit Bescheid zuzulassen, wenn dies mit dem Schutz der Verbraucher vor Täuschung vereinbar ist.

Nach dem Urteil des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vom 23. Jänner 2003, C-421/00, C-426/00 und C- 16/01, sind jene Bestimmungen des österreichischen Lebensmittelgesetzes 1975, die jede gesundheitsbezogene Angabe auf der Etikettierung und der Aufmachung von Lebensmitteln vorbehaltlich besonderer Genehmigung generell verbieten, mit dem Gemeinschaftsrecht unvereinbar.

In der Begründung dieses Urteils hat der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften dazu ausgeführt, dass die Richtlinie 79/112 (Etikettierungsrichtlinie) alle Angaben verbietet, die sich auf eine menschliche Krankheit beziehen, unabhängig von ihrer Eignung, den Verbraucher irrezuführen, sowie diejenigen Angaben, die, obzwar sie sich nicht auf eine Krankheit, sondern etwa auf die Gesundheit beziehen, irreführend sind (Rz 28).

Weiters hat der Gerichtshof ausgesprochen, dass Lebensmittel mit einer Etikettierung, die nichtirreführende gesundheitsbezogene Angaben enthält, als den Vorschriften der Richtlinie 79/112 entsprechend anzusehen sind und dass die Mitgliedstaaten ihren Vertrieb nicht mit der Begründung untersagen können, diese Etikettierung sei möglicherweise nicht ordnungsgemäß (Rz 30).

Nach der Rechtsprechung des EuGH besitzt das Gemeinschaftsrecht Vorrang gegenüber innerstaatlichem Recht. Dieser "Anwendungsvorrang" hat zur Folge, dass entgegen stehendes innerstaatliches Recht ohne Weiteres unanwendbar wird (vgl. EuGH Rs 106/77 (Simmenthal II(, Slg. 1978, 629, Rz 17/18, u. a.).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet dies, dass die Bestimmungen des LMG 1975, soweit sie jede gesundheitsbezogene Angabe auf der Etikettierung und der Aufmachung von Lebensmitteln vorbehaltlich besonderer Genehmigung generell verbieten, also unabhängig davon, ob sie irreführend sind oder nicht, nicht mehr anwendbar sind.

Der alle gesundheitsbezogenen Angaben erfassende Verwaltungsstraftatbestand des § 74 Abs. 1 LMG in Verbindung mit § 8 lit. f und § 9 Abs. 1 leg. cit. wird durch die Etikettierungs-Richtlinie eingeschränkt. Verboten sind gesundheitsbezogene Angaben demnach nur, wenn sie

a)

sich auf eine menschliche Krankheit beziehen, oder

b)

irreführend sind.

Aus dieser Einschränkung des Verwaltungsstraftatbestandes des § 74 Abs. 1 LMG in Verbindung mit § 8 lit. f und § 9 Abs. 1 leg. cit. ergeben sich auch Folgen für die Gestaltung des Spruches eines Straferkenntnisses, mit dem einem Beschuldigten die Übertretung dieses Verwaltungsstraftatbestandes zur Last gelegt wird.

Nach § 44a Z. 1 VStG hat der Spruch, wenn er nicht auf Einstellung lautet, die als erwiesen angenommene Tat zu enthalten.

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist es nach § 44a Z. 1 VStG rechtlich geboten, die Tat hinsichtlich des Täters und der Tatumstände so genau zu umschreiben, dass

              1.              die Zuordnung des Tatverhaltens zur Verwaltungsvorschrift, die durch die Tat verletzt worden ist, in Ansehung aller Tatbestandsmerkmale ermöglicht wird,

              2.              die Identität der Tat (z.B. nach Ort und Zeit) unverwechselbar feststeht.

Was den vorstehenden Punkt 1 anlangt, sind entsprechende, d. h. in Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende, wörtliche Anführungen erforderlich, die nicht etwa durch die bloße paragraphenmäßige Zitierung von Gebots- oder Verbotsnormen ersetzt werden können (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 13. Juni 1984, 82/03/0265 = VwSlg. 11.466/A).

Der Vorschrift des § 44a Z. 1 VStG ist dann entsprochen, wenn

              a)              im Spruch des Straferkenntnisses dem Beschuldigten die Tat in so konkretisierter Umschreibung vorgeworfen ist, dass er (im ordentlichen Verwaltungsstrafverfahren, gegebenenfalls auch in einem Wiederaufnahmeverfahren) in die Lage versetzt wird, auf den konkreten Tatvorwurf bezogene Beweise anzubieten, um eben diesen Tatvorwurf zu widerlegen, und

              b)              der Spruch geeignet ist, den Beschuldigten (Bestraften) rechtlich davor zu schützen, wegen desselben Verhaltens nochmals zur Verantwortung gezogen zu werden (vgl. das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, 85/02/0053 = VwSlg. 11.894/A).

"In Beziehung zum vorgeworfenen Straftatbestand stehende wörtliche Anführungen" erfordern im Hinblick auf den durch die Etikettierungs-Richtlinie in seinem Umfang reduzierten Verwaltungsstraftatbestand des § 74 Abs. 1 LMG in Verbindung mit § 8 lit. f und § 9 Abs. 1 leg. cit. auch die Angabe im Spruch eines Straferkenntnisses, ob es sich bei den inkriminierten (verbotenen) gesundheitsbezogenen Angaben um solche handelt, die sich auf eine menschliche Krankheit beziehen oder um solche, die irreführend sind.

Der bloße Vorwurf der Anbringung "gesundheitsbezogener Angaben" allein genügt nicht dem § 44a Z. 1 VStG, weil "gesundheitsbezogene Angaben" allein, ohne nähere Spezifizierung im oben dargestellten Sinn, nicht strafbar sind.

Dem Beschwerdeführer wurde ausschließlich das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit "gesundheitsbezogenen" Angaben zur Last gelegt, nicht aber das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit gesundheitsbezogenen, irreführenden Angaben oder das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit krankheitsbezogenen Angaben.

Das Inverkehrbringen von Lebensmitteln mit gesundheitsbezogenen Angaben allein stellt aber keinen Verwaltungsstraftatbestand dar. Der angefochtene Bescheid ist daher inhaltlich rechtswidrig.

Ob die im Spruch des angefochtenen Bescheides angeführten Angaben (verbotene) krankheitsbezogene oder (verbotene) irreführende gesundheitsbezogene Angaben darstellen, war demnach nicht mehr zu prüfen. Denn selbst wenn dies der Fall wäre, änderte sich an der im unrichtigen Tatvorwurf gelegenen inhaltlichen Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nichts, da der Verwaltungsgerichtshof den Tatvorwurf nicht austauschen kann.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2003

Gerichtsentscheidung

EuGH 62000CJ0421 Sterbenz VORAB

Schlagworte

Gemeinschaftsrecht Richtlinie EURallg4Mängel im Spruch Fehlen von wesentlichen TatbestandsmerkmalenGemeinschaftsrecht Anwendungsvorrang, partielle Nichtanwendung von innerstaatlichem Recht EURallg1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003100025.X00

Im RIS seit

05.05.2003

Zuletzt aktualisiert am

23.04.2012
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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