TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/25 2001/10/0192

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

L55003 Baumschutz Landschaftsschutz Naturschutz Niederösterreich;
L55053 Nationalpark Biosphärenpark Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §58 Abs2;
AVG §60;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs1 Z2;
NatSchG NÖ 2000 §7 Abs2 Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak, Dr. Mizner, Dr. Stöberl und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Binder-Krieglstein, über die Beschwerde der V GesmbH in Wien, vertreten durch Saxinger Chalupsky Weber & Partner, Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Europaplatz 7, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. August 2001, Zl. RU5-B-064/008, betreffend naturschutzbehördliche Bewilligung (Bescheid II), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid (Bescheid II) wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Niederösterreich hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 1. August 2001 (Bescheid II) wurde der beschwerdeführenden Partei die Auffüllung einer näher beschriebenen Grube mit Erdaushubmaterial der Eluatklasse Ia bis zum Niveau des ursprünglichen Ackers entsprechend den Projektunterlagen gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 NÖ Naturschutzgesetz unter Vorschreibung unter anderem folgender Auflagen bewilligt:

"1. An Samstagen, Sonn- und Feiertagen sowie im Zeitraum zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang dürfen keine Entlade-, Verfüllungs- und Planierarbeiten durchgeführt werden. Zu- und Abfahrten sind in diesen Zeiten ebenfalls einzustellen. Dies gilt für den LKW- als auch Zugtransport.

2. Es darf ausschließlich nichtkontaminiertes Material der Eluatklasse 1a gemäß ÖNORM S2072 zur Ablagerung gelangen.

3. Zur Kontrolle des Ablagerungsmaterials sind mindestens drei Untersuchungen pro Hektar bzw. alle 3000 m3 eine Untersuchung des abgelagerten Materials vorzunehmen. Der Zeitpunkt wird vom Konsensträger im Einvernehmen mit der Behörde und der Untersuchungsanstalt festgestellt. Die Entnahmestellen werden vor Ort von der Naturschutzbehörde festgelegt. Für die Entnahme ist ein geeignetes Gerät (allenfalls Löffelbagger) bereit zu halten. Die Probeentnahmen haben von einem Organ der mit der Untersuchung betrauten Anstalt zu erfolgen. Bei der Entnahme ist zu berücksichtigen, dass ein Rückhaltemuster beim Grubenbetreiber bis zur Beurteilung der Analyseergebnisse aufzubewahren ist. Analysen haben so zu erfolgen, dass daraus die Zusammensetzung des Eluats hervorgeht. Die Untersuchungsbefunde sind spätestens zwei Monate nach der Probeentnahme unaufgefordert der Naturschutzbehörde vorzulegen. Die Proben sind durch eine anerkannte Untersuchungsanstalt auf die in der ÖNORM S2072 angeführten Inhaltsstoffe im Eluat untersuchen zu lassen: PH-Wert, elektrische Leitfähigkeit, Geruch, Aussehen, CSB, Kohlenwasserstoffe gesamt, PAK, BTX, TOC, Gesamtphenole, Gesamtstickstoff, Ammoniumstickstoff.

4. Sollten über Auftrag und unter Aufsicht einer anderen Behörde (Wasserrechts-, Bergbehörde) vergleichbare Untersuchungen in vergleichbarem Ausmaß und Häufigkeit durchgeführt werden, sind der Naturschutzbehörde unverzüglich die Untersuchungsergebnisse zu übermitteln. Auflagepunkt 3 gilt dann auch als erfüllt."

Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die beschwerdeführende Partei habe beantragt, die Verfüllung der Grube bis zur Geländeoberkante mit Erdaushubmaterial der Eluatklasse Ia naturschutzbehördlich zu bewilligen. Gegen die Erteilung dieser Bewilligung durch die Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf habe die Marktgemeinde Straßhof an der Nordbahn Berufung erhoben. Die Berufungsbehörde habe das Gutachten eines Amtssachverständigen für Naturschutz eingeholt. Diesem Gutachten zufolge lasse das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei keine nachhaltige Beeinträchtigung des Landschaftsbildes erwarten. Durch die beabsichtigte Vorgangsweise bei der Verfüllung werde im Gegenteil eine Verbesserung gegenüber dem bestehenden Rechtszustand bewirkt. Was den Erholungswert der Landschaft anlange, so setze sich dieser aus einer Reihe von Faktoren zusammen, die geeignet seien, das Befinden von Menschen zu beeinflussen. Lärmbelastung und Staubentwicklung könnten den Erholungswert mit Sicherheit beeinträchtigen. Da aber zumindest zur Zeit das meiste Material mit der Bahn angeliefert werde, komme es nicht zur erwarteten starken Zunahme störungsintensiver LKW-Transporte. Ein Beladegleis zum Abtransport der gewonnenen Rohstoffe sei bereits gelegt worden. Es sei zu erwarten, dass die LKW-Fahrten in Summe weiter abnehmen werden. Trotzdem sei Vorsorge dafür zu treffen, dass Lärm- und Staubentwicklungen in den Nachtstunden bzw. an Samstagen, Sonn- und Feiertagen unterbleiben. Was die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum anlange, so sei der eigentliche Eingriff in die Landschaft mit der Bewilligung für den Trockenabbau bereits genehmigt worden. Auf welchem Niveau eine nachfolgende Rekultivierung stattfinde, sei für die Wiederherstellung der ökologischen Funktionen von untergeordneter Bedeutung. Wichtig sei aber, dass die Rekultivierung so rasch wie möglich und dem Verfüllungsfortschritt angepasst durchgeführt werde. Das Konzept der beschwerdeführenden Partei entspreche diesbezüglich den Anforderungen des fachlichen Naturschutzes. Selbstverständlich sei es aber unerlässlich, dass kein kontaminiertes Material zur Ablagerung gelange. Die beantragte Ablagerung von Erdaushub der Eluatklasse I entspreche dieser Forderung, allerdings müsse eine ausreichende Beweissicherung eingerichtet werden. Zusammenfassend müssten daher unter anderem die Auflagen 1 bis 4 vorgeschrieben werden. Die Auflage 1 diene zur Hintanhaltung einer Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft. Die Auflage 2 entspreche dem Antrag der beschwerdeführenden Partei, eine Verfüllung mit Material der Eluatklasse Ia vorzunehmen. Auflagen Nr. 3 und 4 seien Kontrollvorschriften für die Auflage Nr. 2.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 Z. 2 NÖ Naturschutzgesetz 2000, LGBl. Nr. 5500-0, (NÖ NatSchG) bedürfen außerhalb vom Ortsbereich, das ist ein baulich oder funktional zusammenhängender Teil eines Siedlungsgebietes (z.B. Wohnsiedlungen, Industrie- oder Gewerbeparks), die Errichtung, die Erweiterung sowie die Rekultivierung von Materialgewinnungs- oder -verarbeitungsanlagen jeder Art der Bewilligung der Behörde. Die Bewilligung ist gemäß § 7 Abs. 2 leg. cit. zu versagen, wenn

1.

das Landschaftsbild,

2.

der Erholungswert der Landschaft oder

3.

die ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum

nachhaltig beeinträchtigt wird und diese Beeinträchtigung nicht durch Vorschreibung von Vorkehrungen ausgeschlossen werden kann. Bei der Vorschreibung von Vorkehrungen ist auf die Erfordernisse einer zeitgemäßen Land- und Forstwirtschaft sowie einer leistungsfähigen Wirtschaft soweit wie möglich Bedacht zu nehmen.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zugrunde, das Rekultivierungsvorhaben der beschwerdeführenden Partei sei im Grunde des § 7 Abs. 1 Z. 2 NÖ NatSchG bewilligungspflichtig. Diese Bewilligung könne nur unter Vorschreibung der Auflagen Nr. 1 bis 4 erteilt werden, weil andernfalls naturschutzgesetzlich geschützte Rechtsgüter (Erholungswert der Landschaft, ökologische Funktionstüchtigkeit im betroffenen Lebensraum) nachhaltig beeinträchtigt würden.

Dem hält die beschwerdeführende Partei entgegen, es bedürfe der vorgeschriebenen Auflagen nicht, um eine Beeinträchtigung der durch das NÖ NatSchG geschützten Güter zu vermeiden. Die belangte Behörde verwechsle in Ansehung der Auflage Nr. 1 offenbar Nachbarschutzinteressen bzw. Gesundheitsschutzaspekte, die ohnedies von der Bergbehörde geprüft würden, mit dem Schutz des Erholungswertes der Landschaft. Im Genehmigungsbescheid der Bergbehörde sei eine Betriebszeitenbeschränkung an Werktagen zwischen 6 Uhr und 20 Uhr vorgeschrieben worden. Auch die Auflagen Nr. 2 bis 4 würden sich auf den Schutz von Rechtsgütern beziehen, den wahrzunehmen andere Behörden, nicht aber die Naturschutzbehörde berufen seien. Davon abgesehen sei auch nicht begründet worden, wieso es der vorgeschriebenen Auflagen bedürfe. Es sei nicht einmal festgestellt worden, von welchem Erholungswert der Landschaft die belangte Behörde ausgehe. Schließlich werde die mangelnde Bestimmtheit der vorgeschriebenen Auflagen ebenso gerügt wie ein Widerspruch zum Gebot des § 7 Abs. 2 NÖ NatSchG, wonach auf die Erfordernisse einer leistungsfähigen Wirtschaft so weit wie möglich Bedacht zu nehmen ist.

Die belangte Behörde hat die unter Auflage Nr. 1 vorgeschriebene Beschränkung von Betriebstätigkeiten der beschwerdeführenden Partei mit der Hintanhaltung einer Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft begründet. Sie hat es allerdings - worauf die beschwerdeführende Partei zu Recht hinweist - unterlassen, den tatsächlich bestehenden Erholungswert der betroffenen Landschaft, d.h. die auf konkreten Umständen beruhende Eignung der betroffenen Landschaft, dem Erholungsbedürfnis zu dienen, festzustellen und weiters nachvollziehbar darzulegen, ob und inwieweit durch das Vorhaben der beschwerdeführenden Partei diese Eignung beeinträchtigt würde. Erst auf der Grundlage solcher Feststellungen ist eine Beurteilung möglich, ob das Rekultivierungsvorhaben der beschwerdeführenden Partei im Sinne des § 7 Abs. 2 Z.2 NÖ NatSchG eine nachhaltige Beeinträchtigung des Erholungswertes der Landschaft erwarten lässt, der durch die Vorschreibung von Auflage Nr. 1 begegnet werden kann.

Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, es sei schlechthin ausgeschlossen, unter dem Gesichtspunkt des Schutzes des Erholungswertes der Landschaft eine zeitliche Beschränkung von Betriebstätigkeiten vorzuschreiben, ist zwar nicht zu teilen; freilich darf der Gesichtspunkt des Schutzes des Erholungswertes der Landschaft aber nicht mit dem Gesichtspunkt des Schutzes der Nachbarschaft vor Immissionen, die auf Bergbauanlagen bzw. gewerbliche Betriebsanlagen zurückzuführen sind, verwechselt werden. Vorkehrungen zum Schutz der Nachbarschaft vor den Auswirkungen solcher Betriebstätigkeiten zu treffen, obliegt nicht der Naturschutzbehörde; wohl aber ist es ihre Sache, die Erhaltung des Erholungswertes der Landschaft zu gewährleisten. Ob die vorgeschriebene Auflage Nr. 1 in diesem Sinne jedoch zur Abwehr einer nachhaltigen Beeinträchtigung des Erholungswertes der betroffenen Landschaft erforderlich ist, kann mangels näherer Begründung der Vorschreibung nicht beurteilt werden.

Der Mangel einer ausreichenden Begründung betrifft auch die Vorschreibung der Auflagen Nr. 2 bis 4.

Das Fehlen einer nachvollziehbaren Begründung des angefochtenen Bescheides im Sinne des § 60 AVG hindert eine Beurteilung der Rechtmäßigkeit der vorgeschriebenen Auflagen, die mit der erteilten Bewilligung in einem untrennbaren Zusammenhang stehen. Der angefochtene Bescheid ist daher rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften i.S.d. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG, was zu seiner Aufhebung zu führen hatte.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Februar 2003

Schlagworte

Begründungspflicht Beweiswürdigung und Beweismittel AllgemeinBesondere Rechtsgebiete Diverses

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001100192.X00

Im RIS seit

29.04.2003

Zuletzt aktualisiert am

19.07.2009
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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