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L8 Boden- und VerkehrsrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.Spruch
Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zu Handen ihrer Rechtsvertreter die mit S 32.200,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid vom 13. November 1998 erteilte der Bürgermeister der Stadtgemeinde Kitzbühel Mag. P und H K die Baubewilligung für die Errichtung eines Büro- und Wohnhauses mit drei Tiefgaragenebenen und einem Freizeitbereich mit Erlebnisbad auf Gst. 194/1 KG Kitzbühel-Stadt. Durch das Bauvorhaben werden im Bereich der Zu- und Abfahrtsrampen der Tiefgarage auch die Gste. .156 und 589/1, beide KG Kitzbühel-Stadt, berührt. Die Einwendungen der Nachbarn wurden von der Berufungsbehörde als unzulässig zurückgewiesen.
Die von den Beschwerdeführern erhobene Vorstellung wurde am 20. Juli 1999 von der Tiroler Landesregierung als unbegründet abgewiesen. In der Begründung wurde unter anderem ausgeführt, daß den Beschwerdeführern hinsichtlich der auf den Gste. 194/1 und .156 KG Kitzbühel-Stadt vorgesehenen Baumaßnahmen aufgrund der Lage ihres Grundstückes (Gst. .178) keine Parteistellung zukomme. Hinsichtlich der auf Gst. 589/1 KG Kitzbühel-Stadt vorgesehenen Maßnahmen seien die Beschwerdeführer zwar als Nachbarn im Sinne des §25 Abs2 TBO 1998 anzusehen, jedoch gemäß dieser Bestimmung sei ihr Mitspracherecht auf die Einhaltung der Abstandsbestimmungen gemäß §6 TBO beschränkt.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde der Nachbarn, in der die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm (§25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.
3. Die Tiroler Landesregierung als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie vorbringt, daß die Beschwerdeführer mangels einer gegebenen Beschwer nicht legitimiert seien, hinsichtlich der auf Grundstück 194/1 KG Kitzbühel-Stadt vorgesehenen baulichen Maßnahmen die angebliche Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des §25 Abs2 zweiter Satz TBO 1998 geltend zu machen, da die Beschwerdeführer nur bezüglich des Grundstückes 598/1 KG Kitzbühel-Stadt - auf dem auch Baumaßnahmen stattfinden - Nachbarn im Sinne des §25 Abs2
1. Satz TBO 1998 seien und beantragt die Zurück- bzw. Abweisung der Beschwerde.
4. Die mitbeteiligten Parteien erstatteten eine Äußerung, in der sie beantragen, der Beschwerde keine Folge zu geben und den beteiligten Parteien Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß zuzusprechen.
5. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98 leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 2. September 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführer nachteilig war. Die Beschwerdeführer wurden somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind ein Streitgenossenzuschlag in der Höhe von S 2.250,-, Umsatzsteuer in der Höhe von S 4.950,- und eine Eingabegebühr in Höhe von S 2.500,- enthalten. Den mitbeteiligten Parteien war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äußerung nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10228/1984).
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B1479.1999Dokumentnummer
JFT_10008785_99B01479_00