TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/25 99/14/0299

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Veröffentlicht am 25.02.2003
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);
32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;
32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;
61/01 Familienlastenausgleich;

Norm

BAO §92 Abs1;
B-VG Art140 Abs7;
B-VG Art18;
EStG 1988 §33 Abs4 Z3 lita idF 1992/312;
FamLAG 1967 §26;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Mag. Heinzl, Dr. Zorn, Dr. Robl und Dr. Büsser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Racek, über die Beschwerde des Dipl. Ing. D M in K, vertreten durch Dr. Christian Tschurtschenthaler, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Karfreitstraße 6/11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Kärnten vom 21. September 1999, GZ. RV 748/1 - 7/99, betreffend Rückforderung von zu Unrecht bezogenen Kinderabsetzbeträgen, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war mit seiner Beschwerde gegen den Einkommensteuerbescheid 1993 Anlassfall hinsichtlich der mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997, G 168/96 u.a., Slg. 14.992, erfolgten Aufhebung mehrerer Bestimmungen des EStG 1988.

Mit Bescheid vom 13. Juli 1999 stellte das Finanzamt unter Bezugnahme auf § 92 Abs. 1 BAO fest (Spruchpunkt 1), dass der Beschwerdeführer "in der Zeit von Jänner 1993 bis September 1993 gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 idF des BGBl. Nr. 312/1992 Kinderabsetzbeträge in Höhe von insgesamt S 14.175,00 bezogen" habe, der Verfassungsgerichtshof im angeführten Erkenntnis (u.a.) § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a leg. cit. als verfassungswidrig aufgehoben habe, der Beschwerdeführer in diesem Verfahren Anlassfall gewesen sei und § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a leg. cit. nach Art. 140 Abs. 7 B-VG dem Beschwerdeführer gegenüber nicht mehr anzuwenden sei. Mit Spruchpunkt 2 forderte das Finanzamt die solcherart rechtsgrundlos bezogenen Kinderabsetzbeträge in der genannten Höhe zurück.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der dagegen erhobenen Berufung keine Folge. Die vom Beschwerdeführer zu tragenden Unerhaltslasten seien bei Festsetzung der Einkommensteuer 1993 mit "Ersatzbescheid vom 17. Juli 1998" im Sinne der Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes als außergewöhnliche Belastung in Höhe von 194.258 S berücksichtigt worden. Kinderabsetzbeträge für denselben Zeitraum stünden dem Beschwerdeführer zufolge der Aufhebung des § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a EStG 1988 nicht zu und seien daher vom Finanzamt - wie näher ausgeführt - zu Recht zurückgefordert worden.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Mit dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Oktober 1997, G 168/96 u.a., Slg. 14.992, sind folgende gesetzliche Bestimmungen als verfassungswidrig aufgehoben worden:

Die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in § 20 Abs. 1 Z. 1 EStG 1988;

die Z 3 des § 33 Abs. 4 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992;

die lit. a der Z. 3 des § 33 Abs. 4 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818/1993;

die Z. 1 des § 34 Abs. 7 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992;

die Z. 1 und 2 des § 34 Abs. 7 EStG 1988 idF des Steuerreformgesetzes 1993, BGBl. Nr. 818/1993;

die lit. a der Z. 3 des § 57 Abs. 2 EStG 1988 idF des Familienbesteuerungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 312/1992.

Die Aufhebung trat mit Ablauf des 31. Dezember 1998 in Kraft.

Der Verfassungsgerichtshof hat im angeführten Erkenntnis somit nicht nur die Bestimmung des § 34 Abs. 7 Z. 1 EStG 1988 aufgehoben, in der angeordnet wird, dass die Unterhaltsleistungen für ein Kind durch die Familienbeihilfe sowie gegebenenfalls durch den Kinderabsetzbetrag gemäß § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a abgegolten sind, sondern auch die Bestimmung des § 33 Abs. 4 Z. 3 lit. a leg. cit., die dem Steuerpflichtigen den Anspruch auf Kinderabsetzbeträge einräumt einschließlich dessen Verweis auf § 26 Familienlastenausgleichsgesetz 1967, der die Grundlage für die Rückforderung zu Unrecht bezogener Kinderabsetzbeträge bildet. Begründend wird dazu im Erkenntnis ausgeführt, die von den Behörden angewendeten Bestimmungen stünden miteinander in einem das System der Familienbesteuerung konstituierenden untrennbaren Zusammenhang.

Der angefochtene Bescheid beruht auf der Überlegung, dass der Beschwerdeführer durch die Berücksichtigung der Unterhaltslasten im Wege einer außergewöhnlichen Belastung und den (vorausgegangenen) Bezug von Kinderabsetzbeträgen in einer wohl auch vom Verfassungsgerichtshof nicht "goutierten" Weise doppelt begünstigt sei. Solcherart liege die Erlassung eines auf § 92 Abs. 1 BAO gestützten Feststellungsbescheides, in dem ausgesprochen werde, dass der Beschwerdeführer als Anlassfall der angeführten Gesetzesaufhebungen Kinderabsetzbeträge im Gesamtausmaß von 14.175 S zu Unrecht bezogen habe, im öffentlichen Interesse und bilde die rechtliche Grundlage für die Rückforderung der Kinderabsetzbeträge.

Nach § 87 Abs. 2 VfGG haben die Verwaltungsbehörden mit den ihnen zu Gebote stehenden Mitteln unverzüglich den der Rechtsanschauung des Verfassungsgerichtshofes entsprechenden Rechtszustand herzustellen. Wie die belangte Behörde zutreffend erkannt hat, stand ihr im gegenständlichen Fall - § 26 FLAG 1967 kam schon zufolge der Aufhebung des diesbezüglichen Verweises durch den Verfassungsgerichtshof nicht in Betracht - keine Rechtsgrundlage für die Erlassung eines Bescheides, mit dem die dem Beschwerdeführer gewährten Kinderabsetzbeträge hätten zurückgefordert werden können, zur Verfügung. Das Fehlen einer Rechtsgrundlage für die Erlassung eines entsprechenden Leistungsgebotes an den Beschwerdeführer konnte aber auch nicht durch das Ergehen eines auf § 92 Abs. 1 BAO gestützten Feststellungsbescheides ersetzt werden. Dass dem Beschwerdeführer Anlassfallwirkung der gegenständlichen Gesetzesaufhebung zukam, ergab sich im Übrigen unmittelbar aus dem Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes und bedurfte keiner gesonderten "Feststellung" durch die Abgabenbehörden. Die bescheidmäßige Rückforderung der seinerzeit zur Auszahlung gelangten Kinderabsetzbeträge hätte nur auf Grundlage einer gesetzlichen Anordnung (Art. 18 B-VG) erfolgen dürfen, welche im gegenständlichen Fall unstrittig nicht bestand. Ob der Umstand, dass der Beschwerdeführer Kinderabsetzbeträge bezogen hat, nicht ohnedies im Rahmen des nach der Bescheidaufhebung durch den Verfassungsgerichtshof wieder offenen Einkommensteuerverfahrens 1993 - bei Bemessung der außergewöhnlichen Belastung - hätte berücksichtigt werden können, kann im Beschwerdefall dahin gestellt bleiben.

Da die Rückforderung der Kinderabsetzbeträge ohne entsprechende gesetzliche Grundlage erfolgte, war der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000.

Wien, am 25. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999140299.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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