TE Vfgh Erkenntnis 1999/12/15 B682/99

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Veröffentlicht am 15.12.1999
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8200 Bauordnung

Norm

B-VG Art144 Abs1 / Anlaßfall

Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung des §25 Abs2 letzter Satz Tir BauO 1998, LGBl 15/1998, mit E v 01.10.99, G73/99.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck ist schuldig, dem Beschwerdeführer zu Handen seines Rechtsvertreters die mit S 29.500,- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Bescheid vom 8. Februar 1999 erteilte der Stadtmagistrat Innsbruck der Firma K Ges.m.b.H. die Baubewilligung für die Errichtung eines Erlebniscenters (Multiplex-Kino mit acht Sälen, Lebensmittelmarkt, Gastronomiebetrieb) im Anwesen Anton-Melzer-Straße 8 bzw. Leopoldstraße 44a, auf der Pz. 749/4 KG Wilten.

Die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde am 17. März 1999 vom Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck als unbegründet abgewiesen. In der Begründung verwies die Behörde auf §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998. Demnach können subjektiv-öffentliche Einwendungen nur mehr bezüglich der Verletzung der Abstandsbestimmungen nach §6 TBO geltend gemacht werden. Zur Frage der erforderlichen Abstellplätze für ein Bauvorhaben stünde den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Mitwirkungsrecht nicht zu.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde des Nachbarn, in der die Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz (Art2 StGG) sowie Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen (§25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, Flächenwidmungsplan, Bebauungsplan) behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Stadtsenat der Landeshauptstadt Innsbruck als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor, verzichtete auf die Erstattung einer Gegenschrift und legte in einem weiteren Schreiben einen Berichtigungsbescheid vor.

4. Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenäußerung, in der sie beantragt, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen und der mitbeteiligten Partei für die regelmäßig anfallenden Kosten gem. §27 letzter Satz iVm §88 VerfGG zuzuerkennen.

5. Mit amtswegigem Beschluß vom 27. Februar 1999, B2126/98 leitete der Verfassungsgerichtshof das Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs2 letzter Satz Tiroler Bauordnung 1998, LGBl. Nr. 15/1998 ein. Mit Erkenntnis vom 1. Oktober 1999, G73/99, hat der Verfassungsgerichtshof diese Bestimmung als verfassungswidrig aufgehoben.

II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.

Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

Die nichtöffentliche Beratung im Gesetzesprüfungsverfahren zu G73/99 begann am 1. Oktober 1999. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 20. April 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt des Beginns der nichtöffentlichen Beratung im Verfahren zu G73/99 schon anhängig; der Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.

Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.

Der Bescheid ist daher aufzuheben.

2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG 1953 abgesehen.

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG 1953. In den zuerkannten Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von

S 4.500,- und eine Eingabegebühr in Höhe von S 2.500,- enthalten. Der mitbeteiligten Partei war der Ersatz der Kosten für die Erstattung ihrer Äüßerung nicht zuzusprechen, da sie zur Rechtsfindung keinen Beitrag leisten konnte (vgl. VfSlg. 10228/1984).

Schlagworte

VfGH / Anlaßfall

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1999:B682.1999

Dokumentnummer

JFT_10008785_99B00682_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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