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55 WirtschaftslenkungNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung des Wortes "anderen" in §373c Abs2 lita, b und c GewO 1994 und in §2 Abs1 und §3 Abs1 EWR-NachsichtsV mit E v 09.12.99, G42/99 ua, V18/99 ua.Spruch
Der Beschwerdeführer ist wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit S 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Beschwerdeführer war Anlaßfall des - in Ansehung dieses Beschwerdeführers vom Verwaltungsgerichtshof initiierten - Verordnungsprüfungsverfahrens VfSlg. 14963/1997, das zur Aufhebung des Wortes "anderen" im Einleitungssatz des §6 Abs1 der Verordnung des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten über die Erteilung der Nachsicht vom vorgeschriebenen Befähigungsnachweis für Staatsangehörige von Mitgliedstaaten des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, BGBl. 775/1993, (im folgenden: EWR-NachsichtsV) führte (s. Kundmachung BGBl. II 442/1997). Der dem Verordnungsprüfungsverfahren zugrundeliegende Bescheid wurde mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. März 1998, Z98/04/0001, aufgehoben.
2. a) Mit dem in dieser Rechtssache ergangenen (Ersatz-)Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten wird der Antrag des Beschwerdeführers, eines italienischen Staatsangehörigen, seine von ihm in Österreich erworbene Qualifikation als Ersatz für den Befähigungsnachweis für das Reisebürogewerbe anzuerkennen, neuerlich, nunmehr gestützt auf §373c Abs1 iVm §373i Abs1 GewO 1994 idF der mittlerweile in Kraft getretenen Novelle BGBl. I 63/1997 und §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV idF BGBl. II 422/1997 abgewiesen. Begründend wird im wesentlichen ausgeführt, das Erfordernis, daß die Qualifikation in einem "anderen" EWR-Mitgliedstaat (erg. als Österreich) erworben sein müsse, sei nunmehr im Gesetz selbst festgelegt.
b) Gegen diesen (Ersatz-)Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte, nämlich "auf Niederlassungsfreiheit", auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander, auf Erwerbsfreiheit und Unverletzlichkeit des Eigentums, und die Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof begehrt wird.
c) Der belangte Bundesminister legte die Verwaltungsakten vor und erstatte eine Gegenschrift, in der er die Abweisung der Beschwerde begehrt.
II. Die Beschwerde ist zulässig und auch begründet.
1. Mit Erkenntnis vom 9. Dezember 1999, G42/99, V18/99 ua., hat der Verfassungsgerichtshof aus Anlaß anderer Beschwerden u.a. das Wort "anderen" in §373c Abs3 lita, b und c GewO 1994 idF BGBl. I 63/1997 als verfassungswidrig aufgehoben.
Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundeliegenden Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die nichtöffentliche Beratung im Normenprüfungsverfahren G42/99, V18/99 ua. hat am 9. Dezember 1999 begonnen. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 9. November 1998 eingelangt und war daher schon anhängig. Die Gesetzesaufhebung wirkt daher auch für sie.
2. Der belangte Bundesminister wendete bei Erlassung des bekämpften Bescheides §373c Abs3 GewO 1994 an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für den Beschwerdeführer nachteilig war, zumal §6 Abs1 der EWR-NachsichtsV idF BGBl. II 422/1997 anders als das der Aufhebung verfallene Gesetz nicht (mehr) die Absolvierung der dort näher umschriebenen Tätigkeiten in einem anderen EWR-Mitgliedstaat fordert. Der Beschwerdeführer wurde sohin wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid war daher aufzuheben.
3. Dies konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr in Höhe von S 2.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von S 4.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1999:B2095.1998Dokumentnummer
JFT_10008785_98B02095_00