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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §46;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Winter, über die Beschwerde des M in Trins, vertreten durch Dr. Christoph Rittler, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Anichstraße 42, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 15. Mai 2001, Zl. UVS- 3/11703/12-2001, betreffend Übertretungen der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Das Land Salzburg ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 11. Juni 1998 gegen 8.55 Uhr als Lenker eines nach dem Kennzeichen bestimmten Kraftfahrzeuges im Gemeindegebiet von Elixhausen auf der Gschaidstraße, Höhe Abzweigung Obergrubstraße, Fahrtrichtung Elixhausen, 1.) nach einem Verkehrsunfall, an welchem er durch sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, nicht sofort angehalten und 2.) nach einem Verkehrsunfall mit Sachschaden, an dem er durch sein Verhalten am Unfallort in ursächlichem Zusammenhang gestanden sei, die nächste Polizei- oder Gendarmeriedienststelle nicht ohne unnötigen Aufschub verständigt. Er habe dadurch Verwaltungsübertretungen zu 1.) gemäß § 4 Abs. 1 lit. a in Verbindung mit § 99 Abs. 2 lit. a StVO 1960 und zu 2.) gemäß § 4 Abs. 5 in Verbindung mit § 99 Abs. 3 lit. b StVO 1960 begangen, weshalb über ihn Geldstrafen zu 1.) in der Höhe von S 2.000,-- und zu 2.) in der Höhe von S 1.500,-- (und jeweils Ersatzfreiheitsstrafen) verhängt wurden.
Die belangte Behörde ging in der Begründung des angefochtenen Bescheides im Wesentlichen davon aus, dass der Beschwerdeführer zum Tatzeitpunkt mit seinem Kraftfahrzeug im Rahmen eines Ausparkmanövers von der Wiese in die Gschaidstraße eingebogen sei. Das Fahrzeug sei zuvor quer zur Fahrbahn mit der Heckseite des Fahrzeuges in Richtung Fahrbahn abgestellt gewesen. Gerade als der Beschwerdeführer aus der Parklücke auf die Fahrbahn reversiert habe, sei aus Richtung Elixhausen auf der Gschaidstraße der Zeuge S. mit seinem PKW gefahren. Da der Beschwerdeführer seinen PKW zu überraschend aus der Parklücke gelenkt habe, sei der Zeuge S. gezwungen gewesen auszulenken, er habe sein Fahrzeug verrissen, ein wenig beschleunigt und in die Wiese gelenkt. Der Zeuge S. sei mit seinem Fahrzeuge über die Wiese gerutscht, weil diese stark durchfeuchtet gewesen sei, und habe bei diesem Fahrmanöver den neben dem vom Beschwerdeführer zuvor benützten Parkplatz parkenden PKW des Zeugen M., und zwar am hinteren Teil des linken Kotflügels, beschädigt. Nach einigen Schrecksekunden habe er den Wagen verlassen, sei in Richtung Gschaidstraße gelaufen und habe gerade noch jenen roten Kombi, der ihn zum Auslenken und anschließenden Schleudern gezwungen habe, vorbeifahren gesehen. Beim Aufprall des Fahrzeuges des Zeugen S. am Fahrzeug des Zeugen M. sei ein lautes Geräusch, ein Knall, entstanden. Der Zeuge S. habe von dem sich rasch entfernenden PKW noch Autofarbe und Type und einen Teil des Kennzeichens notieren können, anhand dessen sei der Beschwerdeführer ermittelt worden. Die belangte Behörde verwarf die "Ablaufvariante" des Beschwerdeführers, der geleugnet hatte, mit dem Unfall in ursächlichem Zusammenhang gestanden zu sein, und angegeben hatte, wohl einen "Pumperer" gehört zu haben, dies jedoch nicht mit einem Unfall in Zusammenhang gebracht zu haben, und der im Übrigen behauptet hatte, vor seinem Ausparkmanöver mit der Front des Fahrzeuges zur Fahrbahn gestanden zu sein, während der Zeuge S. angegeben hatte, dass das ihn zum Auslenken veranlassende Fahrzeug mit dem Heck voran ausgeparkt worden sei, und nahm als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer durch sein Verhalten den Unfall verursacht, sich jedoch entfernt habe.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsstrafakten vor, nahm von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand und beantragt die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Der Beschwerdeführer bekämpft auch in der Beschwerde im Wesentlichen die Annahme der belangten Behörde, er habe durch sein Verhalten den Zeugen S. mit seinem Fahrzeug zum Auslenken veranlasst, und bringt vor, er sei in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall gestanden. Die Darstellung des Zeugen S., wie dieser zum Auslenken veranlasst worden sei, könne nicht mit dem Beschwerdeführer im Zusammenhang stehen, zumal er entgegen der Darstellung des Zeugen S. mit der Front seines Fahrzeuges voran ausgeparkt habe. Im Zusammenhang mit der Darstellung des Geschehnisablaufes des Zeugen S. sei davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer mit seinem Fahrzeuge an einer anderen Stelle des Parkplatzes gestanden sei und zeitlich ein wenig später als der reversierende Autolenker vom Parkplatz weggefahren sei. Die belangte Behörde habe den Sachverhalt nur ungenügend ermittelt und insbesondere ohne hinreichende Begründung die Zeugen, die der Beschwerdeführer zur Aufklärung des Sachverhaltes namhaft gemacht habe, nicht einvernommen. Ferner hätte sie einen Lokalaugenschein und ein Zeit-Weg-Diagramm zum Geschehnisablauf erstellen müssen.
Dieses Vorbringen ist im Ergebnis zielführend: Gemäß § 25 Abs. 2 VStG sind die der Entlastung des Beschuldigten dienlichen Umstände in gleicher Weise zu berücksichtigen wie die belastenden. Nach § 46 AVG kommt als Beweismittel alles in Betracht, was zur Feststellung des maßgebenden Sachverhaltes geeignet und nach Lage des einzelnen Falles zweckdienlich ist. Die Aufnahme eines Beweises darf von vornherein nur dann abgelehnt werden, wenn er objektiv gesehen nicht geeignet ist, über den Gegenstand der Beweisaufnahme einen Beweis zu liefern. Eine Würdigung des Beweises hinsichtlich seiner Glaubwürdigkeit ist nur nach Aufnahme des Beweises möglich (vgl. u.v.a. etwa das hg. Erkenntnis vom 11. Februar 1987, 286/03/0189).
Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid dargelegt, sie habe die Zeugen G., M. und F. nicht vernommen, weil der entscheidungswesentliche Sachverhalt bereits hinreichend geklärt und ihre Einvernahme nicht erforderlich sei. Der Beschwerdeführer habe in seinem Schriftsatz vom 21. Mai 1999 erklärt, dass die genannten im Fahrzeug geschlafen hätten, ein "in Verschleppungsabsicht gestellter Beweisantrag" sei "abweislich zu behandeln".
Wohl hatte der Beschwerdeführer zunächst vor der Behörde erster Instanz in einer Stellungnahme vom 21. Mai 1999 angegeben, dass die genannten Zeugen geschlafen hätten, in seiner Berufung gegen das erstinstanzliche Straferkenntnis hat der Beschwerdeführer jedoch erneut die Einvernahme der genannten Zeugen zur Fragen des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes beantragt und diesen Beweisantrag (u.a.) in der mündlichen Verhandlung vor der belangten Behörde aufrechterhalten. Zudem lässt sich anhand des Akteninhaltes nachvollziehen, dass zumindest einige der damals im Fahrzeug des Beschwerdeführers mitfahrenden Personen wach waren und zu den Fahrzeugfenstern hinaussahen. Es kann nicht von vornherein ausgeschlossen werden, dass auch die hier in Rede stehenden Zeugen den Geschehnisablauf beobachtet haben und hiezu Angaben machen können. Dass die vom Beschwerdeführer beantragte Einvernahme dieser Zeugen objektiv gesehen nicht geeignet gewesen wäre, über den Gegenstand der Beweisaufnahme, ob das Verhalten des Beschwerdeführers in ursächlichem Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall stand oder nicht, Beweis zu liefern, kann somit nicht gesagt werden. Die belangte Behörde hätte daher von ihrer Einvernahme nicht Abstand nehmen dürfen. Erst danach kann sich letztlich auch entscheiden, ob die Durchführung eines Ortsaugenscheines und die Erstellung eines Zeit-Weg-Diagrammes weitere Aufschlüsse zum Sachverhalt liefern könnten.
Da die belangte Behörde somit Verfahrensvorschriften außer Acht gelassen hat, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Februar 2003
Schlagworte
Ablehnung eines BeweismittelsEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030193.X00Im RIS seit
05.05.2003