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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
VereinsG 1951 §26;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, in der Beschwerdesache des F Vereines in Wien, vertreten durch Dr. Wilhelm Huber, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Straße 5, gegen den Bescheid der Abgabenberufungskommission der Bundeshauptstadt Wien vom 27. März 1998, Zl. MD-VfR - F 13/97, betreffend Ortstaxe, den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 15. April 1993 wurde dem beschwerdeführenden Verein für einen von ihm in Wien 17, R-Gasse 84, geführten Beherbergungsbetrieb Ortstaxe für das Jahr 1991 in der Höhe von S 77.206,-- und für das Jahr 1992 ebenfalls in der Höhe von S 77.206,-- vorgeschrieben.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung des beschwerdeführenden Vereines insoweit Folge gegeben, als die Haftung für die Ortstaxe für das Jahr 1991 mit S 56.592,-- und für das Jahr 1992 mit S 41.011,--, ein Verspätungszuschlag von S 9.706,-- und ein Säumniszuschlag von S 1.952,-- festgesetzt wurde. Es stehe fest, dass der beschwerdeführende Verein keine Geschäftsaufzeichnungen vorgelegt habe, sodass die Schätzungsberechtigung gemäß § 45 Abs. 3 WAO dem Grunde nach gegeben gewesen sei. Die Schätzungsberechtigung und die Schätzungsmethode seien dem beschwerdeführenden Verein in der Begründung der Berufungsvorentscheidung vom 27. März 1997 vorgehalten worden. Ein konkret belegtes Gegenvorbringen sei nicht erstattet worden. Abschließend wird die Festsetzung eines Verspätungszuschlages in der Höhe von 10 % gemäß § 104 Abs. 1 WAO und die Verhängung eines Säumniszuschlages begründet.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.
Im Hinblick auf ein (aus dem vorgelegten Akt ersichtliches) seinerzeit eingeleitetes Verfahren zur Auflösung des beschwerdeführenden Vereins hat der Verwaltungsgerichtshof Kontakt mit der Bundespolizeidirektion Wien aufgenommen. Nach Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien vom 19. Dezember 2002 hat sich der beschwerdeführende Verein mit Wirkung vom 30. April 2002 freiwillig aufgelöst. Eine Liquidation hat nicht stattgefunden.
Nach einer über Anfrage durch den Verwaltungsgerichtshof erfolgten Mitteilung der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Jänner 2003 wurden auf die gegenständliche Abgabenschuld keinerlei Zahlungen geleistet. Die gesamte Abgabenschuld haftet noch aus.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 3 VwGG gebildeten Senat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
1. Im Hinblick auf die zum 30. April 2002 erfolgte freiwillige Auflösung des beschwerdeführenden Vereins ist zu prüfen, ob dem beschwerdeführenden Verein noch Rechtspersönlichkeit zukommt und ob bzw. mit wem bei einem Wegfall dieser Rechtspersönlichkeit das gegenständliche Beschwerdeverfahren fortzuführen ist.
Das Vereinsgesetz 1951 regelte die in seinem § 26 genannte freiwillige Auflösung des Vereins nicht näher. Aus § 4 Abs. 2 lit. k Vereinsgesetz 1951 ergab sich jedoch, dass die Statuten die Verwertung des Vereinsvermögens im Falle einer solchen Auflösung regeln mussten. Der Verein konnte einen Liquidator bestellen (§ 27 Abs. 3 Vereinsgesetz 1951; vgl. zur Liquidation beispielsweise Brändle/Schnetzer, Das österreichische Vereinsrecht2, 99). Nach der Rechtsprechung des OGH bedeutete der Auflösungsbeschluss jedoch nicht die Aufhebung der Rechtspersönlichkeit des Vereins (Liehr/Stöberl, Der Verein, 3. Auflage, 35). Der Verein verlor seine Rechtspersönlichkeit erst nach abgeschlossener Liquidation des Vereinsvermögens (vgl. auch den hg. Beschluss vom 28. September 1995, Zl. 92/17/0295, und das hg. Erkenntnis vom 22. November 2000, Zl. 2000/01/0111). Insofern war die Rechtslage schon nach dem Vereinsgesetz 1951 vergleichbar mit jener für die Beendigung der Partei- und Prozessfähigkeit von Handelsgesellschaften oder der Rechtspersönlichkeit von Kapitalgesellschaften. So endet etwa die GmbH nicht mit der Auflösung, sondern es schließt sich in der Regel die Liquidation an die Auflösung an (Kastner/Doralt/Nowotny, Grundriss des österreichischen Gesellschaftsrechts5, 444). Die Liquidation entfällt bei Kapitalgesellschaften nur bei Vermögenslosigkeit.
Im Beschwerdefall erfolgte jedoch die Auflösung ohne Liquidation. Die Rechtspersönlichkeit des beschwerdeführenden Vereins erlosch daher insofern mit dem Datum der Auflösung. Zu erwägen wäre jedoch, ob im Falle eines anhängigen Rechtsstreits, auf Grund dessen sich je nach Ausgang nachträglich ein Vermögen des Vereins ergeben könnte, welches einer Liquidation unterzogen werden könnte, die Rechtspersönlichkeit des Vereins insoweit als fortdauernd anzusehen wäre (vgl. für die Fortsetzung eines Verfahrens über eine Beschwerde gegen die Verhängung einer Verwaltungsstrafe, soferne die Strafe bezahlt war und daher ein Rückzahlungsanspruch entstehen könnte, den hg. Beschluss vom 22. Jänner 1997, Zl. 96/03/0228). Dies nicht zuletzt auch im Hinblick auf die nunmehr im Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66, ausdrücklich vorgesehene Möglichkeit einer Nachtragsabwicklung.
Mit 1. Juli 2002 ist das Vereinsgesetz 2002, BGBl. I Nr. 66, in Kraft getreten. Dieses enthält für die Beendigung von Vereinen eine im Wesentlichen mit der früheren Rechtslage übereinstimmende Regelung.
Gemäß § 27 Vereinsgesetz 2002 endet die Rechtspersönlichkeit eines Vereins mit der Eintragung seiner Auflösung im Vereinsregister; ist eine Abwicklung erforderlich, verliert er seine Rechtsfähigkeit jedoch erst mit Eintragung ihrer Beendigung. Gemäß § 28 Abs. 2 Vereinsgesetz 2002 hat der Verein der Vereinsbehörde das Datum der freiwilligen Auflösung und, falls Vermögen vorhanden ist, das Erfordernis der Abwicklung sowie den Namen und nähere Daten des allenfalls bestellten Abwicklers mitzuteilen. Gemäß § 30 Abs. 1 Vereinsgesetz 2002 wird der aufgelöste Verein durch den Abwickler vertreten. Im Fall der Notwendigkeit einer Nachtragsabwicklung ist nach § 30 Abs. 6 iVm § 29 Abs. 3 und 4 Vereinsgesetz 2002 vorzugehen. Diese nunmehr vorgesehene ausdrückliche Regelung für den Fall der Notwendigkeit einer Nachtragsabwicklung wird auch nicht als eine Änderung der Rechtslage, sondern als eine Klarstellung der Rechtslage, wie sie auch schon für das Vereinsgesetz 1951 anzunehmen gewesen wäre, verstanden werden können. Nach dem Willen des Gesetzgebers sollte nämlich das Vereinsgesetz 2002 hinsichtlich des Endes der Rechtspersönlichkeit nur Klarstellungen bringen (RV 990 BlgNR, 21. GP, 17). In den Erläuterungen zur RV wird zu § 30 Abs. 6 Vereinsgesetz 2002 lediglich darauf verwiesen, dass dieser die notwendigen Vorkehrungen für den Fall einer Nachtragsabwicklung treffe.
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes für den Fall, dass nach Liquidation eines Vereines (oder nach Auflösung des Vereins ohne Liquidation, weil kein Vermögen vorhanden war) Vermögen auftaucht, ist - soweit zu sehen - nicht vorhanden. Nach Mitteilung der Bundeshauptstadt Wien vom 29. Jänner 2003 sind auf die gegenständliche Abgabenschuld keinerlei Zahlungen erfolgt. Es besteht somit keine Aussicht darauf, dass bei einem Ausgang des Beschwerdeverfahrens zu Gunsten des beschwerdeführenden Vereins ein Rückzahlungsanspruch hinsichtlich der geleisteten Abgabe entstünde. Bei dieser Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Rechtspersönlichkeit des aufgelösten Vereins nicht mit Ablauf des 30. Aprils 2002 geendet hätte.
Es liegen bei der vorliegenden Abgabensache auch nicht vergleichbare Gründe, die für eine Fortsetzung des Verfahrens sprächen, vor wie bei zivilrechtlichen Passivprozessen, für welche der Oberste Gerichtshof (Beschluss vom 22. Oktober 1998, 8 Ob A 2344/96f, im Fall der Löschung der beklagten GesmbH) annimmt, dass im Hinblick auf Art. 6 EMRK und das Bedürfnis einer dem Rechtsschutzgewährungsanspruch des Klägers Rechnung tragenden Lösung das Verfahren auf Begehren des Klägers fortzusetzen sei (nur dann, wenn der Kläger nicht die Fortsetzung des Verfahrens anstrebe, sei die Klage zurückzuweisen und das bisherige Verfahren für nichtig zu erklären). Dieser Gesichtspunkt kommt im vorliegenden Zusammenhang (Beschwerde des mittlerweile aufgelösten Vereins gegen eine Abgabenvorschreibung) nicht zum Tragen.
2. Nach dem Wegfall der Rechtspersönlichkeit des beschwerdeführenden Vereins (ohne dass ein Fall der Rechtsnachfolge vorläge, auf Grund dessen ein Rechtsübergang auf eine andere juristische Person hinsichtlich der beschwerdegegenständlichen Rechte erfolgt wäre) fehlt es an einer beschwerdeführenden natürlichen oder juristischen Person. Das Verfahren über die ursprünglich zulässige Beschwerde kann daher nicht fortgeführt werden. Die Beschwerde ist gegenstandslos geworden.
3. Es war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG die Gegenstandslosigkeit der Beschwerde auszusprechen und das Verfahren einzustellen.
4. Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 1 VwGG Abstand genommen werden.
5. Ein Kostenzuspruch kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, weil kein Rechtssubjekt vorhanden ist, sodass § 58 Abs. 2 VwGG nicht anwendbar ist.
Wien, am 26. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1998170185.X00Im RIS seit
23.07.2003