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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1151;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Rosenmayr als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde des N in L, vertreten durch Dr. Felix Graf, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Liechtensteinerstraße 27, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 19. Jänner 2000, Zl. 1-0400/99/E5, betreffend Bestrafung wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetz (weitere Parteien: Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, Bundesminister für Finanzen), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Vorarlberg (der belangten Behörde) wurde der Beschwerdeführer wie folgt bestraft:
"FN ist als Obmann und somit als zur Vertretung nach außen berufenes Organ des 'A' Sport- und Kulturvereins, D, S 11, dafür verantwortlich, dass dieser Verein den türkischen Staatsangehörigen AI, geb. 15.10.1967, am 5.2.1998 um 22.55 Uhr beschäftigt hat, obwohl für diesen Ausländer weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung, Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt wurde.
FN hat dadurch eine Übertretung gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 lit. a in Verbindung mit § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz begangen.
Geldstrafe gemäß § 28 Abs. 1 Z. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz S 10.000,--, Ersatzfreiheitsstrafe 2 Tage.
Gemäß § 64 Abs. 2 VStG hat der Berufungswerber einen Beitrag zu den Kosten des Berufungsverfahrens in der Höhe von 20% der über ihn verhängten Geldstrafe, somit S 2.000,-- zu bezahlen. Dieser Beitrag ist zusammen mit der Geldstrafe und dem Beitrag zu den Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens an die Bezirkshauptmannschaft Bregenz zu entrichten."
Der angefochtene Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der verfahrensgegenständliche Ausländer durch den "A" Sport- und Kulturverein als Arbeitgeber am 5. Februar 1998 um
22.55 Uhr mit Kellner- und Kocharbeiten beschäftigt worden sei. Er habe zum Tatzeitpunkt einen Kaffee serviert, wobei aus der Rücktasche seiner Hose ein Geschirrtuch herausgehangen sei. Für ihn sei weder eine Beschäftigungsbewilligung erteilt, noch eine Anzeigebestätigung, Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden. Der Beschwerdeführer sei Obmann und somit das zur Vertretung nach außen berufene Organ des "A" Sport- und Kulturvereins. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers, AI habe nur aus Gefälligkeitsgründen bedient, schenke die belangte Behörde keinen Glauben.
Zwar hätten auch die Zeugen YY und KY die Angabe des Beschwerdeführers bestätigt, wonach im gegenständlichen Verein grundsätzlich Selbstbedienung herrsche, wobei die jüngeren Vereinsmitglieder aus Gefälligkeitsgründen ohne ein Entgelt zu verlangen, die älteren Vereinsmitglieder bedient hätten. Allerdings sei festzuhalten, dass der Umstand, wonach AI Kaffee serviert habe, "widersprüchlich zu erklären versucht worden" sei. Der verfahrensgegenständliche Ausländer (AI) habe in seiner Zeugenaussage angegeben, er hätte Kaffee für sich geholt, wobei er diesen erst nach dem Austrinken hätte bezahlen wollen, aber nicht fertig trinken hätte können. Zwar habe AI über entsprechenden Vorhalt seine Verantwortung geändert und behauptet, er hätte die Tasse Kaffee seinem Onkel bringen wollen. Seine in diesem Zusammenhang für seine widersprüchlichen Aussagen gegebene Erklärung, er hätte bei der Amtshandlung angegeben, dass der Kaffee ihm gehört habe, obwohl er für den Onkel bestimmt gewesen sei, sei für die belangte Behörde nicht nachvollziehbar.
Für den Umstand, dass AI tatsächlich Kellnerarbeiten durchgeführt habe, sprächen auch die Angaben des Zeugen TT. Dieser habe angegeben, der verfahrensgegenständliche Türke hätte damals Tee ausgegeben. Zwar habe TT an anderer Stelle ausgeführt, er hätte niemanden bedienen gesehen, diesen Angaben schenke die belangte Behörde aber im Hinblick darauf keinen Glauben, dass TT während der Amtshandlung dem Arbeitsinspektor gegenüber angegeben habe, AI sei in der Küche am Kochen.
Ein weiteres Indiz für die Beschäftigung des AI sei die Aussage des Arbeitsinspektors, wonach ersterer während der Amtshandlung ein Fleischstück vom Herd heruntergeholt hätte. Auch daraus sei zu schließen, dass AI jene Person gewesen sei, welche im gegenständlichen Lokal für diese Arbeit zuständig gewesen sei, selbst wenn er dies verneint (habe). Weiters habe der Zeuge KY behauptet, er (gemeint: der Zeuge) sei diejenige Person gewesen, welche das Fleischstück vom Herd geholt habe. Die belangte Behörde hege aber an der Richtigkeit der Aussage des Arbeitsinspektors auch im Hinblick darauf, dass der Arbeitsinspektor diesen Umstand auf der Rückseite des Personenblattes festgehalten habe, keine Bedenken. Der Arbeitsinspektor habe im Zuge der Zeugenaussage auch näher begründet, warum er diesen Umstand auf dem Personenblatt notiert habe. Es sei ihm eigenartig vorgekommen, dass der verfahrensgegenständliche Ausländer eine Beschäftigung verneint und trotzdem Fleisch vom Grill heruntergeholt habe.
Schließlich deute auch das von AI selbst ausgefüllte und unterschriebene Personenblatt auf eine Beschäftigung hin. Darin habe er in der Rubrik "Beschäftigt als" die Worte "ein Kaffee in fünf Minuten" festgehalten. Er habe zwar diesbezüglich vorgebracht, er sei insofern unter Druck der Beamten gestanden, als diese ihn angeschrien hätten, dass er diese Angaben aufzuschreiben hätte. Diesem Vorbringen sei die Aussage des Arbeitsinspektors entgegenzuhalten, wonach er AI nicht angeschrien, sondern ihm lediglich die Überschriften des Personenblattes vorgelesen und auf ihn keinen Druck ausgeübt hätte. Wenn sich jemand anlässlich einer Kontrolle weigere, das Personenblatt auszufüllen, werde diese Person nicht zum Ausfüllen gezwungen; auch der Zeuge WF habe bestätigt, dass AI nicht angeschrien worden sei. Die Aussagen des Arbeitsinspektors und es WF würden durch die Angaben von YY und KY bestätigt. Nach YY sei es bei der gegenständlichen Kontrolle eher ruhig zugegangen. KY habe ausgeführt, er glaube nicht, dass AI vom Arbeitsinspektor angeschrien worden bzw. er anlässlich der Überprüfung subjektiv unter Druck gestanden wäre.
Nur ergänzend werde auf die Zeugenaussage des WF hingewiesen, wonach bei Beginn der Kontrolle, als nach dem Chef gefragt worden wäre, eine Person auf AI gedeutet hätte.
An der von der belangten Behörde vorgenommenen Beurteilung vermöge auch der Umstand nichts zu ändern, dass der gegenständliche Ausländer anlässlich der Amtshandlung dem Arbeitsinspektor gegenüber behauptet habe, er sei nicht im Verein beschäftigt.
Durch die übertretene Strafnorm sollten arbeitsmarktpolitische Interessen geschützt werden. Insbesondere solle die Beschäftigung von Ausländern nur dann bewilligt werden, wenn die Lage und die Entwicklung am Arbeitsmarkt dies zuließen und wichtige öffentliche und gesamtwirtschaftliche Interessen nicht entgegenstünden. Diesem Schutzzweck habe der Beschwerdeführer durch sein Verhalten in nicht unerheblichem Ausmaß zuwidergehandelt. Als Verschulden sei zumindest Fahrlässigkeit anzunehmen, Milderungs- bzw. Erschwerungsgründe seien keine vorgekommen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahren vor und beantragte unter Abfassung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die hier anzuwendenden Bestimmungen des AuslBG idF der Novellen BGBl. Nr. 895/1995 und BGBl. I Nr. 78/1997 lauten wie folgt:
"§ 2. ...
(2) Als Beschäftigung gilt die Verwendung
a) in einem Arbeitsverhältnis,
b) in einem arbeitnehmerähnlichen Verhältnis, sofern
die Tätigkeit nicht auf Grund gewerberechtlicher oder sonstiger
Vorschriften ausgeübt wird,
c) in einem Ausbildungsverhältnis, einschließlich der
Tätigkeiten nach § 3 Abs. 5,
d)
nach den Bestimmungen des § 18 oder
e)
überlassener Arbeitskräfte im Sinne des § 3 Abs. 4 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes, BGBl. Nr. 196/1988.
(3) Den Arbeitgebern gleichzuhalten sind
a) in den Fällen des Abs. 2 lit. b die inländischen Vertragspartner jener Personen, für deren Verwendung eine Beschäftigungsbewilligung erforderlich ist,
b) in den Fällen des Abs. 2 lit. c und d der Inhaber des Betriebes, in dem der Ausländer beschäftigt wird, sofern nicht lit. d gilt, oder der Veranstalter,
c) in den Fällen des Abs. 2 lit. e auch der Beschäftiger im Sinne des § 3 Abs. 3 des Arbeitskräfteüberlassungsgesetzes und
d) der ausländische Dienstleistungserbringer, dem eine EU-Entsendebestätigung nach Maßgabe des § 18 Abs. 12 bis 16 auszustellen ist.
(4) Für die Beurteilung, ob eine Beschäftigung im Sinne des Abs. 2 vorliegt, ist der wahre wirtschaftliche Gehalt und nicht die äußere Erscheinungsform des Sachverhaltes maßgebend. ...
§ 3. (1) Ein Arbeitgeber darf, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, einen Ausländer nur beschäftigen, wenn ihm für diesen eine Beschäftigungsbewilligung oder Entsendebewilligung erteilt oder eine Anzeigebestätigung oder eine EU-Entsendebestätigung ausgestellt wurde oder wenn der Ausländer eine für diese Beschäftigung gültige Arbeitserlaubnis oder einen Befreiungsschein besitzt.
...
§ 28. (1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist von der Bezirksverwaltungsbehörde zu bestrafen,
1. wer
a) entgegen dem § 3 einen Ausländer beschäftigt, für den weder eine Beschäftigungsbewilligung (§§ 4 und 4c) erteilt noch eine Anzeigebestätigung (§ 3 Abs. 5) oder eine Arbeitserlaubnis (§ 14a) oder ein Befreiungsschein (§ 15 und 4c) ausgestellt wurde, ...
bei unberechtigter Beschäftigung von höchstens drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 10.000 S bis zu 60.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 20.000 S bis zu 120.000 S, bei unberechtigter Beschäftigung von mehr als drei Ausländern für jeden unberechtigt beschäftigten Ausländer mit Geldstrafe von 20.000 S bis zu 120.000 S, im Falle der erstmaligen und weiteren Wiederholung von 40.000 S bis zu 240.000 S;
..."
Der Beschwerdeführer bekämpft den angefochtenen Bescheid, indem er vorbringt, die belangte Behörde habe keinerlei Feststellungen zu der Frage getroffen, ob der verfahrensgegenständliche Ausländer tatsächlich entgeltlich beschäftigt und nicht bloß aus Gefälligkeitsgründen tätig war.
Damit zeigt er eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Zum einen hat die belangte Behörde nicht in Erwägung gezogen, dass die Tätigkeit des AI als Gefälligkeitsdienst zu qualifizieren gewesen sein kann, der keine Beschäftigung im Sinn des § 2 Abs. 2 AuslBG darstellte. Als solche Gefälligkeitsdienste können kurzfristige, freiwillige und unentgeltliche Dienste anerkannt werden, die vom Leistenden auf Grund spezifischer Bindungen zwischen ihm und dem Leistungsberechtigten erbracht werden. Der Übergang zwischen Gefälligkeitsdienst und kurzfristiger Beschäftigung im Sinne des AuslBG ist fließend. Es ist eine Würdigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen, um einen Gefälligkeitsdienst annehmen zu können. Wesentlich ist für die Annahme eines Gefälligkeitsdienstes die Freiwilligkeit der Arbeitsleistung insofern, als keine Verpflichtung zu ihrer Erbringung bestehen darf (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 3. September 2002, Zl. 99/09/0083, m.w.N.).
Zum anderen und vor allem aber hat die belangte Behörde verkannt, dass sowohl für eine Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 lit. a als auch gemäß § 2 Abs. 2 lit. b AuslBG die Entgeltlichkeit ein wesentliches Merkmal ist, wobei sich der Anspruch des Arbeitenden auf Bezahlung aus einer mit dem Arbeitgeber getroffenen Vereinbarung, allenfalls aber auch unmittelbar aus arbeitsrechtlichen Vorschriften (so etwa aus § 29 AuslBG oder aus kollektivvertraglichen Regelungen) ergeben kann. Zwar kann dieses Merkmal grundsätzlich auch durch andere als finanzielle Gegenleistungen erfüllt sein, etwa durch die Erbringung von Naturalleistungen. Jedoch muss - manifestiert auch in einer Gegenleistung - bei der gemäß § 2 Abs. 4 AuslBG gebotenen Betrachtung des wahren wirtschaftlichen Gehalts und nicht der äußeren Erscheinungsform jedenfalls ein Mindestmaß an wirtschaftlicher und persönlicher Abhängigkeit der Arbeitskraft bestehen, um vom Vorliegen einer Beschäftigung sprechen zu können (vgl. das hg. Erkenntnis vom 14. November 2002, Zl. 2001/09/0103, m. w.N.).
Ohne die Feststellung einer persönlichen oder wirtschaftlichen Abhängigkeit, einer Gegenleistung oder zumindest der Verpflichtung zur Erbringung einer Gegenleistung durch den präsumptiven Arbeitgeber durfte die belangte Behörde sohin keinen rechtlichen Schluss auf das Vorliegen einer Beschäftigung gemäß § 2 Abs. 2 AuslBG ziehen; das bloße Servieren von Getränken und das vom Herd nehmen von bratendem Fleisch stellen für sich genommen nämlich noch keine Beschäftigung im Sinne dieser Vorschrift dar.
Der Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501. Der Kostenersatz für den Pauschalbetrag von S 2.500,-- war mit EUR 181,68 festzusetzen.
Wien, am 27. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000090041.X00Im RIS seit
05.05.2003