Index
41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des K in Wien, geboren 1978, vertreten durch DDr. Hellwig Torggler, Rechtsanwalt in 1014 Wien, Tuchlauben 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 26. Jänner 2001, Zl. 207.626/4-IX/27/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger des Irak, gehört der kurdischen Volksgruppe an und reiste am 13. Mai 1998 gemeinsam mit seinem Bruder in das Bundesgebiet ein. Nach der im Akt befindlichen Niederschrift des Landesgendarmeriekommandos Salzburg vom selben Tag schilderte der Bruder des Beschwerdeführers befragt "zu meiner illegalen Einreise nach Österreich" seinen Fluchtweg ("Wir sind illegal in die Türkei gereist") und gab dabei im Wesentlichen an, er werde, wie auch alle anderen Kurden in seiner Heimat, vom Regime des Saddam Hussein verfolgt. Er (der Bruder des Beschwerdeführers) habe sich in seiner Heimat politisch nicht engagiert und sei dort weder eingesperrt gewesen, noch habe er unter Repressalien oder Folter zu leiden gehabt. Sodann ersuchte er um die Gewährung von Asyl.
Zu diesen Angaben seines Bruders erklärte der Beschwerdeführer, er habe ihnen nichts hinzuzufügen und sei mit ihnen vollinhaltlich einverstanden. Auch der Beschwerdeführer ersuche um Asyl und habe nichts mehr weiter zu sagen. In der genannten Niederschrift ist nicht festgehalten, dass der Beschwerdeführer vor seinen protokollierten Angaben nach seinen eigenen Fluchtgründen befragt worden wäre.
Am 21. Oktober 1998 wurde der Beschwerdeführer vom Bundesasylamt u.a. zu den Gründen seiner Flucht aus dem Nordirak vernommen. Der Beschwerdeführer begründete seinen Asylantrag dabei im Wesentlichen mit der Verfolgung durch Angehörige der (kurdischen) Partei des Talabani, die die Macht in seiner Heimatstadt innehabe. Weil sein Vater ein Anhänger der gegnerischen (und ebenfalls kurdischen) Partei des Barzani gewesen sei, seien der Beschwerdeführer und sein Bruder im Februar 1997 festgenommen und drei Monate lang in Haft gewesen. Da sein Vater bereits alt sei, seien "wir drei Monate gefoltert" worden und erst gegen Bezahlung einer Geldsumme freigelassen worden. Dem Vorhalt des Bundesasylamtes, die Angaben des Beschwerdeführers wichen von jenen in der Niederschrift vom 13. Mai 1998 ab, weil er damals ausgeführt habe, er wäre keinen Repressalien ausgesetzt gewesen und weder verfolgt noch misshandelt worden, entgegnete der Beschwerdeführer, dies nicht gesagt zu haben.
Mit Bescheid vom 14. Jänner 1999 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab und erklärte dessen Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in den Irak gemäß § 8 AsylG für zulässig. Der Beschwerdeführer sei irakischer Staatsangehöriger kurdischer Abstammung und bis zu seiner Ausreise aus seiner Heimat in der autonomen Kurdenzone des Nordirak aufhältig gewesen. Auch gehe das Bundesasylamt von der Richtigkeit der Angaben des Beschwerdeführers zum Fluchtweg aus, jedoch "dürften nach hierortiger Ansicht" die vom Beschwerdeführer "als asylrelevant dargestellten Ausführungen" nicht der Wahrheit entsprechen, wozu die Erstbehörde auf die abweichenden Angaben des Beschwerdeführers vom 13. Mai 1998 verwies. Ein Vergleich der damaligen Aussagen des Beschwerdeführers mit jenen vor dem Bundesasylamt führe dazu, dass dem "gesamten Vorbringen" des Beschwerdeführers die Glaubwürdigkeit zu versagen sei. Im Übrigen verwies die Erstbehörde den Beschwerdeführer auf eine bestehende innerstaatliche "Fluchtalternative" in der autonomen Kurdenzone des Nordirak.
Diesen Ausführungen entgegnete der Beschwerdeführer in seiner Berufung, er habe aus Angst vor dem irakischen Geheimdienst bei seiner ersten Einvernahme keine genauen Details (gemeint: über seine Fluchtgründe) angeben können. Sein Leben sei im Nordirak "stets in Gefahr" gewesen und er sei "bereit, zu jeder Zeit noch mehr Details anzugeben".
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers "gemäß §§ 7, 8 AsylG" ab und stellte gleichzeitig gemäß § 8 AsylG iVm. § 57 des Fremdengesetzes 1997 fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers "in die autonomen Kurdengebiete im Nordirak" zulässig sei. Der Erstbehörde sei beizupflichten, wenn sie die Angaben des Bruders des Beschwerdeführers zu Recht auch als jene des Beschwerdeführers selbst gewertet habe, da sich dieser mit den Ausführungen seines Bruders "vollinhaltlich einverstanden" erklärt habe. Die Niederschrift vom 13. Mai 1998 liefere gemäß § 15 AVG den vollen Beweis über die darin protokollierte Vernehmung. Im Übrigen sei der Beschwerdeführer in seiner Berufung den in Rede stehenden Widersprüchen nicht mehr entgegengetreten. Auch die belangte Behörde gehe daher davon aus, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zur Gänze unglaubwürdig sei. Sollten die Angaben des Beschwerdeführers aber dennoch zutreffen, so sei für den Beschwerdeführer eine "innerstaatliche Fluchtalternative" im Einflussbereich des Barzani - als dessen Anhänger sich der Beschwerdeführer bezeichnet habe - gegeben. Hinsichtlich der Abstandnahme von der Durchführung einer Berufungsverhandlung verwies die belangte Behörde auf die schlüssige Beweiswürdigung im erstinstanzlichen Bescheid und auf das Fehlen von neuem Vorbringen in der Berufung.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde rügt das Unterbleiben der Berufungsverhandlung und verweist auf die Aussage des Beschwerdeführers vor dem Bundesasylamt, in der dieser die Verneinung einer Verfolgung oder Misshandlung im Irak im Rahmen der Niederschrift vom 13. Mai 1998 bestritten habe.
Wie sich aus der Wiedergabe der in Rede stehenden Niederschrift ergibt, hat - der Bruder - des Beschwerdeführers am 13. Mai 1998 Angaben über die ihn selbst betreffenden Fluchtgründe zu Protokoll gegeben. Der Beschwerdeführer hat diese Angaben bestätigt und danach einen eigenen Asylantrag gestellt. Teilt man die Ansicht der belangten Behörde, dass die Niederschrift vom 13. Mai 1998 den Anforderungen des § 14 AVG entspricht und über den Verlauf und den Gegenstand der Amtshandlung vollen Beweis liefert (§ 15 AVG), so ist mangels entsprechender Protokollierung in dieser Niederschrift zumindest davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer im Rahmen dieser Vernehmung weder zu seinen eigenen Fluchtgründen befragt wurde noch ausdrücklich eine Verfolgung in seiner Heimat - in Bezug auf seine Person - verneint hat. Es kann aber dahingestellt bleiben, ob sich der Beschwerdeführer, indem er sich mit den Angaben des Bruders vollinhaltlich einverstanden erklärt hat, den Fluchtgründen seines Bruders angeschlossen und diese gleichsam zu seinen eigenen gemacht hat.
Schon auf Grund des Asylantrages des Beschwerdeführers hätte sich die belangte Behörde bei Beurteilung der Voraussetzungen für die Asylgewährung mit der Frage auseinander setzen müssen, inwieweit dem aus dem Irak stammenden Beschwerdeführer schon auf Grund des illegalen Verlassens seiner Heimat und der Asylantragstellung von staatlicher (zentralirakischer) Seite Verfolgung droht (vgl. dazu die im hg. Erkenntnis vom 22. November 2001, Zl. 98/20/0221, dargestellte Judikatur). Daran ändert nichts, dass die belangte Behörde - in Bezug auf die behauptete Verfolgung des Beschwerdeführers durch Anhänger einer Kurdenpartei - vom Bestehen einer "innerstaatlichen Fluchtalternative" im Nordirak ausging (wobei dieser Ansicht allerdings keinerlei Ermittlungsergebnisse zu Grunde liegen), wäre doch selbst aus einer solchen noch nichts über einen dort wirksamen Schutz des Beschwerdeführers (der in der Berufung auf seine Angst vor dem irakischen Geheimdienst verwies) gegenüber den Behörden des Zentralirak abzuleiten (vgl. zum letztgenannten Thema etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird).
Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 27. Februar 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001200265.X00Im RIS seit
05.05.2003