TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/27 2001/20/0323

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Veröffentlicht am 27.02.2003
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Index

41/04 Sprengmittel Waffen Munition;

Norm

WaffG 1996 §12 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des S in G, vertreten durch Dr. Walter Stefan Funovics, Rechtsanwalt in 7000 Eisenstadt, Fanny-Elßler-Gasse 4, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Burgenland vom 27. Februar 2001, Zl. Wa-36/00, betreffend Waffenverbot, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 27. Oktober 1999 ("Antrag auf vorläufiges Waffenverbot gem. § 13 Waffengesetz") teilte der Gendarmerieposten Güssing der Bezirkshauptmannschaft Güssing mit, der Beschwerdeführer habe im August 1999 während der "Bestandsaufnahme" im Rahmen des den Nachlass seines verstorbenen Vaters betreffenden Verlassenschaftsverfahrens seine Schwester Irmgard H. nach einer verbalen Auseinandersetzung in Anwesenheit eines vom Gericht bestellten Sachverständigen mit der flachen Hand ins Gesicht geschlagen, sie an den Haaren gepackt, sie durch die Küche gezogen und ihr einen Stoß versetzt, sodass sie mit dem Kopf gegen das Fensterbrett gestoßen und zu Boden gestürzt sei, wobei sie sich eine Schädelprellung, eine Rissquetschwunde am Scheitel und eine Zerrung der Halswirbelsäule zugezogen habe. Weiters habe der Beschwerdeführer seine Schwester damit bedroht, sie umzubringen bzw. sie zu erschießen.

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde dem Beschwerdeführer wegen dieses Vorfalles gemäß § 12 Abs. 1 des Waffengesetzes 1996 (WaffG) der Besitz von Waffen und Munition verboten.

Vor Erlassung des angefochtenen Bescheides wurde die wegen der gefährlichen Drohung erstattete Strafanzeige von der Staatsanwaltschaft Eisenstadt gemäß § 90 Abs. 1 StPO zurückgelegt. In dem wegen des Verdachtes der Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB vom Bezirksgericht Güssing geführten Strafverfahren wurde der Beschwerdeführer mit Urteil vom 30. August 2000 von dem gegen ihn erhobenen Vorwurf, er habe am 27. August 1999 Irmgard H. vorsätzlich dadurch am Körper verletzt, indem er sie gewürgt, geschlagen und gegen die Wand gestoßen habe, wodurch diese eine Schädelprellung, eine Rissquetschwunde am Scheitel sowie eine Zerrung der Halswirbelsäule erlitten habe, wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, dass sie aufgrund der Aktenlage, einschließlich Einsichtnahme in den Strafakt des Bezirksgerichtes Güssing, davon ausgehe, dass sich der Fall "im entscheidungswesentlichen Bereich so zugetragen hat, wie er bereits im Antrag des Gendarmeriepostens Güssing an die Bezirkshauptmannschaft Güssing auf Erlassung eines Waffenverbotes und in weiterer Folge in der Strafanzeige an die Staatsanwaltschaft dargestellt wurde". Nach Würdigung des Wahrheitsgehaltes der niederschriftlichen Befragungen durch den Gendarmerieposten in Güssing sei davon auszugehen, dass die oben geschilderten, der Schwester des Beschwerdeführers zugefügten Körperverletzungen sowie die Bedrohung der Schwester als erwiesen anzunehmen und dem gegenständlichen Verfahren zugrunde zu legen seien. Die von der Schwester des Beschwerdeführers erlittenen Verletzungen seien ärztlich festgestellt. Entgegen den Berufungsausführungen des Beschwerdeführers komme es nicht darauf an, ob dieser eine gefährliche Drohung unter Einsatz einer Schusswaffe ausgesprochen habe oder ob strafgerichtliche Maßnahmen gegen den Beschwerdeführer gesetzt worden seien. Die vom Beschwerdeführer begangenen Körperverletzungen und die als erwiesen angenommene Bedrohung seiner Schwester rechtfertigten die Annahme, dass der Beschwerdeführer eine Gefährdung im Sinne des § 12 Abs. 1 WaffG herbeiführen könnte. Eine in familiären Auseinandersetzungen erwiesene Aggressionsbereitschaft bleibe auch nach der Bereinigung des zugrunde liegenden familiären Konfliktes in waffenrechtlicher Hinsicht bedeutsam, weil sie in ähnlichen Situationen auch aus gänzlich anderem Anlass wirksam werden könne und es nicht der Befürchtung bedürfe, der Täter werde auch ohne Vorliegen einer (möglicherweise andersartigen) Ausnahmesituation Waffen missbräuchlich verwenden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

§ 12 Abs. 1 WaffG lautet:

"Die Behörde hat einem Menschen den Besitz von Waffen und Munition zu verbieten (Waffenverbot), wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass dieser Mensch durch missbräuchliches Verwenden von Waffen Leben, Gesundheit oder Freiheit von Menschen oder fremdes Eigentum gefährden könnte."

Die Verhängung eines Waffenverbotes dient der Verhütung von Gefährdungen der in § 12 Abs. 1 WaffG bezeichneten Art und setzt nicht voraus, dass es schon zu einem missbräuchlichen Verwenden von Waffen durch den Betroffenen gekommen ist. Es genügt, wenn konkrete Umstände vorliegen, durch die die im Gesetz umschriebene Annahme für die Zukunft gerechtfertigt erscheint. Bei der Beurteilung dieser Frage ist nach dem Schutzzweck des Waffengesetzes ein strenger Maßstab anzulegen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 12. September 2002, Zl. 2000/20/0425, mwN), wobei ein bisher untadeliges Vorleben der Verhängung eines Waffenverbotes grundsätzlich nicht entgegensteht und auch nicht ausschlaggebend ist, ob der Betroffene wegen des für die Prognose herangezogenen Vorfalles strafgerichtlich verfolgt oder verurteilt wurde (vgl. etwa die Erkenntnisse vom 18. Juli 2002, Zl. 99/20/0189, und vom 12. September 2002, Zl. 99/20/0209).

Der Verwaltungsgerichtshof hat sich in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 2002, Zl. 2000/20/0076, ausführlich mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen ein Waffenverbot bei Situationen familiärer Gewalt mit Verletzungsfolgen gerechtfertigt sein kann, und dort festgehalten, dass auch ein einmaliger Gewaltexzess (der eine Verurteilung nach § 83 Abs. 1 StGB und die Verhängung einer Geldstrafe nach sich gezogen hatte) selbst für den Fall der Provokation durch das Opfer und der Tatbegehung in einer "Ausnahmesituation" für die Verhängung des Waffenverbotes ausreichend sein könne (vgl. das erwähnte Erkenntnis vom 26. Februar 2002 und die dort angeführte Vorjudikatur, besonders die Erkenntnisse vom 23. Jänner 1997, Zl. 97/20/0019, und vom 18. Februar 1999, Zl. 98/20/0020; zuletzt das hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 2002, Zl. 2001/20/0418).

Der Beschwerdeführer bestreitet im vorliegenden Fall nicht, dass es im Zuge der mit einem Verlassenschaftsverfahren zusammenhängenden Auseinandersetzung zu einer Tätlichkeit gegenüber seiner Schwester gekommen ist und er diese am Körper verletzt hat. Er macht jedoch unter Hinweis auf seinen Freispruch durch das Bezirksgericht Güssing wegen mangelnder Strafwürdigkeit der Tat geltend, dass es sich bei diesem Vorfall bloß um ein "Bagatelldelikt" gehandelt habe; eine gefährliche Drohung und "jene Körperverletzungshandlungen, wie sich diese aus der niederschriftlichen Befragung von Zeugen durch den Gendarmerieposten Güssing ergeben sollen", lägen nicht vor. Die belangte Behörde sei zu Unrecht ausschließlich von den Angaben der Schwester des Beschwerdeführers, an deren Richtigkeit "erhebliche Zweifel" bestünden, ausgegangen und habe die vom Beschwerdeführer (in der Berufung) gestellten Beweisanträge (seine Einvernahme sowie die Einvernahme des bei dem Vorfall anwesenden Ehemannes der Schwester des Beschwerdeführers) "übergangen". Schließlich habe die belangte Behörde im Zuge ihrer Prognose hinsichtlich der Gefahr künftiger missbräuchlicher Verwendung von Waffen zu Unrecht eine Klärung der Gründe für die Auseinandersetzung unter den Geschwistern unterlassen.

Die Beweiswürdigung ist gemäß § 41 Abs. 1 VwGG nur insofern einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zugänglich, als es sich um deren Schlüssigkeit - also die Übereinstimmung mit den Denkgesetzen und dem allgemeinen menschlichen Erfahrungsgut - oder darum handelt, ob die gewürdigten Beweise in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt worden sind. Im angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde ihre oben wiedergegebenen Feststellungen ausschließlich damit begründet, dass sie "nach Auseinandersetzung mit der Aktenlage" davon ausgehe, dass sich der Sachverhalt "im entscheidungswesentlichen Bereich" so zugetragen habe, wie er bereits im Antrag des Gendarmeriepostens Güssing auf Erlassung eines Waffenverbotes und in der Strafanzeige der Staatsanwalt dargestellt worden sei, und dass "nicht zuletzt nach Würdigung des Wahrheitsgehaltes der niederschriftlichen Befragungen durch den Gendarmerieposten Güssing (...) davon auszugehen (sei), dass sowohl die (...) geschilderten Körperverletzungen an Ihrer Schwester als auch die Bedrohung Ihrer Schwester als erwiesen anzunehmen" seien.

Damit bleibt nicht nur unklar, welche Schilderungen der Anzeige bzw. des Strafantrages die belangte Behörde in Bezug auf die Begehungsweise der festgestellten Körperverletzungen ihrer Entscheidung im Einzelnen zugrunde legte; die belangte Behörde hat es auch unterlassen, die schon vor dem Gendarmerieposten gemachten Aussagen des Beschwerdeführers, des Ehegatten der verletzten Schwester und insbesondere des bei der tätlichen Auseinandersetzung anwesenden Sachverständigen im Einzelnen zu würdigen. Der erwähnte Sachverständige Werner Bayer, der zu dem Vorfall zweimal befragt wurde, hat zwar einen Stoß des Beschwerdeführers und den daran anschließenden Sturz der Irmgard H. wahrgenommen, nicht jedoch die im Schreiben des Gendarmeriepostens Güssing vom 27. Oktober 1999 und im Strafantrag geschilderten - dem angefochtenen Bescheid wohl zumindest teilweise zugrunde gelegten - weiteren Tathandlungen (z.B. dass der Beschwerdeführer Irmgard H. an den Haaren gepackt, sie durch die Küche gezogen und sie gewürgt, geschlagen und bedroht hätte). Dass es nicht darauf ankäme, wie der Beschwerdeführer die erlittenen Verletzungen der Irmgard H. konkret zugefügt hat (er selbst gestand bei seiner ersten Einvernahme lediglich zu, seine Schwester gestoßen zu haben und führte die Verletzungen darauf zurück, dass Irmgard H. "vermutlich" gestolpert sei; im gerichtlichen Strafverfahren sagte er aus, er habe Irmgard H. nicht am Kinn fassen, sondern an der Brust wegstoßen wollen; sie habe "sich geschreckt, ist zurück und dann ausgerutscht"), kann im Hinblick darauf, dass es nach der oben angeführten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei der nach § 12 Abs. 1 WaffG anzustellenden Prognose auf die im Einzelnen festzustellenden Tathandlungen ankommt und in diesem Zusammenhang u.a. von Bedeutung ist, ob ein "Gewaltexzess" vorliegt, nicht gesagt werden. Die belangte Behörde hätte daher die Aussagen des Beschwerdeführers und die jedenfalls nicht zur Gänze übereinstimmenden Aussagen der Irmgard H., deren Ehegatten und des Sachverständigen Werner Bayer einander gegenüber stellen und - falls erforderlich - nach einer allfälligen ergänzenden Befragung der Beteiligten eingehender, als es im angefochtenen Bescheid geschehen ist, begründen müssen, welcher Aussage sie aus welchen Gründen in welchem Umfang Glauben schenkte. Aufgrund der Anzeige des Gendarmeriepostens und des - nicht zu einer Verurteilung führenden - Strafantrages konnte der Sachverhalt aus den angeführten Gründen jedenfalls nicht als ausreichend geklärt beurteilt werden. Die Behörde durfte daher auch die vom Beschwerdeführer gestellten Beweisanträge (insbesondere die Einvernahme des Ehegatten der Irmgard H.) auch nicht von vornherein ablehnen.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Gründen gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001; die im Betrag von S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.

Wien, am 27. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001200323.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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