TE Vwgh Erkenntnis 2003/2/28 99/02/0117

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Veröffentlicht am 28.02.2003
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3;
ASVG §253a Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Beck und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des HO in N, vertreten durch Dr. Hansjörg Zink, Rechtsanwalt in Kufstein, Unterer Stadtplatz 24, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Tirol vom 5. März 1999, Zl. LGSTi/V/1212/4338 23 06 45-705/1999, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Kufstein (kurz: AMS Kufstein) vom 10. Februar 1999 wurde dem Antrag des Beschwerdeführers vom 2. November 1998 auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gemäß § 7 Abs. 1 Z. 1 und Abs. 2 i.V.m. den §§ 12 AlVG mangels Arbeitslosigkeit keine Folge gegeben.

In der Begründung dieses Bescheides wird u.a. ausgeführt, das Ermittlungsverfahren habe ergeben, dass Arbeitslosigkeit nicht vorliege. Auf Grund der Höhe der monatlichen Einkünfte des Beschwerdeführers als Bürgermeister (einer Tiroler Gemeinde) in Höhe von S 19.800.-- brutto sei Arbeitslosigkeit nicht anzunehmen.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.

Mit Bescheid vom 5. März 1999 gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge. In der Begründung dieses Bescheides wird u. a. ausgeführt, der Beschwerdeführer habe am 2. November 1998 beim AMS Kufstein einen Antrag auf Zuerkennung von Arbeitslosengeld gestellt. Seine Ehefrau sei in einem näher genannten Gasthaus selbstständig erwerbstätig. Der Beschwerdeführer sei dort vom 1. März 1995 bis 31. Oktober 1998 als Servierer mit Inkasso in einem Beschäftigungsverhältnis gewesen. Laut dem Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998 gebühre dem Beschwerdeführer nach § 3 ein monatlicher Bezug. Dieser betrage auf Grund der Größe der Gemeinde 19,8 % des Ausgangsbetrages von S 100.000.--, d.s. S 19.800.--. Hievon seien S 1.800.-- in die Pensionskasse monatlich einzuzahlen, somit verblieben S 18.000.-- monatlich netto. Da der Beschwerdeführer aus dieser Tätigkeit einen monatlichen Bezug von brutto S 19.800.-- erhalte und dieser Betrag über der in § 12 Abs. 6 lit. a AlVG gegebenen Geringfügigkeitsgrenze liege, sei im vorliegenden Fall Arbeitslosigkeit nicht vorgelegen. Dem Berufungseinwand, dass es sich bei der gegenständlichen Bezahlung um eine "Aufwandsentschädigung" handle, sei entgegenzuhalten, dass das Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998 (dem der Beschwerdeführer als Bürgermeister auf Grund der Tiroler Gemeinderats- und Bürgermeisterwahlen im März 1998 unterliege) davon ausgehe, dass dem Bürgermeister für seine Tätigkeit ein "Bezug" und nicht eine "Aufwandsentschädigung" gebühre und diese Bezüge je nach Größe der Gemeinde (Einwohnerzahl) verschieden seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer wendet u.a. ein, in § 12 Abs. 3 AlVG würden Tatbestände aufgezählt werden, bei deren Vorliegen eine Arbeitslosigkeit nicht gegeben sei. In dieser demonstrativen Aufzählung sei die "Bezahlung einer Person für eine Bürgermeistertätigkeit" nicht enthalten. Es sei eine unbestrittene Tatsache, dass ein Bürgermeister im Rahmen seiner Tätigkeit nicht sozialversichert sei. Außerdem sei es völlig verfehlt, bei der Tätigkeit eines Bürgermeisters von einer Beschäftigung gegen Entgelt zu sprechen, ergebe sich doch aus dem offenbaren Fehlen einer Versicherungspflicht, dass die Tätigkeit des Bürgermeisters und damit auch sein Bezug den Bestimmungen des § 12 Abs. 3 AlVG nicht zugeordnet werden könne und einem gegebenen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht im Wege stehe.

Es sei zwar richtig - so die Beschwerdeausführungen weiter -, dass im Tiroler Gesetz über die Bezüge der Bürgermeister und der übrigen Mitglieder der Gemeinderäte (Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998), LGBl. Nr. 25/1998, von "Bezügen" die Rede sei. Der Ausdruck "Bezug" stelle aber einen Oberbegriff dar und besage nur, dass der Bürgermeister etwas zu erhalten (zu beziehen) habe, gebe aber keinerlei Hinweis auf die rechtliche Qualifikation dessen, was bezogen werde.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbstständig erwerbstätig ist;

c)

.....

d)

wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder Kinder tätig ist....

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG nicht an den entsprechenden einkommensteuerrechtlichen Bestimmungen, sondern zum Einen an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird, und zum Anderen am Begriffsverständnis des (anspruchshindernden) Einkommens aus Erwerbstätigkeit nach dem ASVG. Ebenso orientiert sich der Begriff der eine Arbeitslosigkeit ausschließenden Erwerbstätigkeit auch nicht am Bestehen einer Versicherungspflicht in der Kranken- und Unfallversicherung (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012).

Hinsichtlich der Bezüge für Bürgermeister und für die übrigen Mitglieder der Gemeinden in Tirol gelten nach dem Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998, LGBl. Nr. 25/1998, folgende Regelungen:

Nach § 1 leg. cit. gebühren den Bürgermeistern und den übrigen Mitgliedern der Gemeinderäte der Gemeinden in Tirol für die Ausübung ihrer Funktion Bezüge ausschließlich nach diesem Gesetz.

Gemäß § 2 erster Satz leg. cit. (in der Stammfassung LGBl. Nr. 25/1998) beträgt der Ausgangsbetrag für die Bezüge nach diesem Gesetz S 100.000.--.

Nach § 3 Abs. 1 leg. cit. gebührt dem Bürgermeister ein

monatlicher Bezug. Dieser beträgt in Gemeinden mit

höchstens 500 Einwohnern ....................................

19,8

v.H.

501 bis 1000 Einwohnern ......................................

25,3

v.H.

1001 bis 2000 Einwohnern ....................................

33,0

v.H.

2001 bis 5000 Einwohnern ....................................

41,8

v.H.

5001 bis 8000 Einwohnern ....................................

48,4

v.H.

8001 bis 10.000 Einwohnern .................................

53,9

v.H.

über 10.000 Einwohnern ........................................

59,4

v.H.

des Ausgangsbetrages

 

 

Gemäß § 8 Abs. 1 leg. cit. beginnt der Anspruch auf Bezüge mit dem Tag des Beginnes der Funktion und endet mit dem Tag des Ausscheidens aus der Funktion.

Nach § 9 leg. cit. gebührt außer den Bezügen für jedes Kalendervierteljahr eine Sonderzahlung in der Höhe eines Sechstels der Summe der Bezüge, die nach diesem Gesetz für das betreffende Kalendervierteljahr zustehen (13. und 14. Monatsbezug).

Gemäß § 13 Abs. 1 leg. cit. gebührt den Bürgermeistern und den übrigen Mitgliedern der Gemeinderäte der Gemeinden mit Ausnahme der Landeshauptstadt Innsbruck die Vergütung der mit der Geschäftsführung verbundenen Barauslagen.

Nach § 19 leg. cit. dürfen die Bürgermeister und die übrigen Mitglieder der Gemeinderäte auf Geldleistungen nach diesem Gesetz nicht verzichten.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Erkenntnis vom 13. November 1990, VwSlg. Nr. 13.308/A, im Zusammenhang mit der Ausübung der Funktion eines Bürgermeisters nach der NÖ. Gemeindeordnung näher ausgeführt hat, kann die Ausübung einer derartigen Funktion weder unter den Tatbestand des § 12 Abs. 3 lit. a, noch unter jenen des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG subsumiert werden. Diese Tätigkeit ist aber auch nicht als selbstständige oder sonstige unselbstständige Erwerbstätigkeit zu werten.

Dies kann sinngemäß auch auf den Beschwerdefall übertragen werden, zumal die Gemeinde, deren Bürgermeister der Beschwerdeführer ist, keine Stadt mit eigenem Statut ist und daher die Bezüge auch nicht über den durch die 44. ASVG-Novelle in § 253a Abs. 2 ASVG eingefügten Satz, welcher anordnete, dass auch die im § 23 Abs. 2 des Bezügegesetzes bezeichneten Bezüge als Erwerbseinkommen auf Grund einer Erwerbstätigkeit gelten, als derartiges Erwerbseinkommen zu werten sind (vgl. dies diesbezüglichen Ausführungen im vorzitierten Erkenntnis vom 13. November 1990).

Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer für seine Tätigkeit als Bürgermeister in einer Tiroler Gemeinde von weniger als 500 Einwohnern entsprechende Bezüge als Bürgermeister während der Dauer jenes Zeitraumes, für den er Arbeitslosengeld beantragte, nach dem Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998 erhielt.

Da der Beschwerdeführer seine Funktion als Bürgermeister vor dem 31. Dezember 2000 angetreten hat, war auf ihn auch nicht § 91 Abs. 1 dritter Satz ASVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 139/1997 zufolge der Übergangsbestimmung des § 572 Abs. 8 ASVG (vgl. die diesbezüglichen Ausführungen im hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, Zl. 2001/19/0048) anwendbar.

Der Verwaltungsgerichtshof hat jedoch bereits in dem vorzitierten Erkenntnis vom 13. November 1990 darauf hingewiesen, dass der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 leg. cit. zukommt (arg.: "insbesondere") und unter den Begriff "Beschäftigung" im Sinne des zuletzt genannten Absatzes nicht nur die im § 12 Abs. 3 lit. a, b und d leg. cit. angeführten Tätigkeiten fallen.

Angesichts der grundlegend erfolgten Umstellung des Bezugssystems durch das Tiroler Gemeinde-Bezügegesetz 1998 gegenüber dem früheren Tiroler Gesetz über Bezüge der Mitglieder des Gemeinderates, LGBl. Nr. 5/1972, (regelmäßige monatliche Bezüge und vierteljährliche Sonderzahlungen statt Aufwandsentschädigungen, beibehaltene separate Vergütung von Barauslagen, die mit der Geschäftsführung verbunden sind) und der festgestellten Höhe der vom Beschwerdeführer regelmäßig für seine Tätigkeit als Bürgermeister nach diesem Gesetz bezogenen Geldleistungen sind diese Bezüge als Einkommen aus einer Erwerbstätigkeit zu werten, weshalb die belangte Behörde im Ergebnis zu Recht den Anspruch des Beschwerdeführers auf Bezug des Arbeitslosengeldes abgewiesen hat (vgl. in diesem Zusammenhang das zum Fall eines Bürgermeisters nach dem Stmk. Gemeinde-Bezügegesetz ergangene hg. Erkenntnis vom 20. Dezember 2002, Zl. 99/02/0210).

Es kommt - entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Auffassung - auf Grund der hg. Judikatur auch nicht darauf an, ob der Antragsteller als Bürgermeister "sozialversichert" ist oder nicht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. Juni 2002, Zl. 2002/08/0012).

Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 28. Februar 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999020117.X00

Im RIS seit

05.05.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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