Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. König, über die Beschwerde des VP in K, vertreten durch Mag. Dr. Josef Kartusch, Rechtsanwalt in Klagenfurt, Villacher Ring 59, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich, Außenstelle Mistelbach, vom 2. März 1999, Zl. Senat-MI-98-455, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. März 1999 wurde der Beschwerdeführer für schuldig befunden, er habe am 19. September 1997 um 17.25 Uhr einen dem Kennzeichen nach näher bestimmten LKW auf der B 7 an einem näher genannten Ort im Gemeindegebiet von Wolkersdorf in Richtung Eibesbrunn in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 5 Abs. 1 i.V.m. § 99 Abs. 1 lit. a StVO begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe in Höhe von S 18.000.- (Ersatzfreiheitsstrafe von 14 Tagen) verhängt wurde.
In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde u.a. ausgeführt, ein am Tattag um 18.54 Uhr bzw. 18.57 Uhr durchgeführter Alkomattest habe einen Luftalkoholgehalt (gemeint wohl: Atemalkoholgehalt) von 0,41 mg je Liter bzw. 0,37 mg je Liter ergeben. Bei seiner Einvernahme am 31. Oktober 1997 habe der Beschwerdeführer bekannt gegeben, am Vormittag des 19. September 1997 habe er eine Flasche Bier und bei einem verspäteten Mittagessen an der Grenze noch ein großes und ein kleines Bier getrunken. Auf dem Alkomatergebnis aufbauend habe der medizinische Amtssachverständige einen Blutalkoholgehalt im Tatzeitpunkt von 0,89 bis 0,92 Promille errechnet, sodass selbst unter Berücksichtigung einer Schwankungsbreite von 0,05 Promille der Grenzwert von 0,8 Promille im Tatzeitpunkt überschritten gewesen sei.
In seiner Stellungnahme (gemeint: vom 19. Februar 1998) habe der Beschwerdeführer hiezu festgehalten, am 19. September 1997 vormittags kein Bier getrunken zu haben. Vielmehr habe er in der Zeit zwischen 15.10 Uhr und 15.30 Uhr ein Bier getrunken und sich dann in Richtung Grenze begeben, wo er dann bei einem Essen ein großes Bier getrunken habe. In der Folge habe er noch ein weiteres großes Bier getrunken, von dem er zwei Drittel vor der Abfahrt (16.45 Uhr bis 16.55 Uhr) relativ rasch ausgetrunken habe.
Aus medizinischer Sicht - so die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter - komme es nicht erst auf das Erreichen oder Überschreiten des Grenzwertes zur Tatzeit, sondern schon auf das Vorliegen des Anstiegs auf den Grenzwert oder einen höheren Blut- oder Atemalkoholgehalt an. Nach gesicherten Erkenntnissen der medizinischen Forschung sei die alkoholische Beeinträchtigung in der Phase des Anstiegs auf den Grenzwert (0,8 Promille bzw. 0,4 mg/l) mindestens ebenso stark wie nach Erreichen dieser Konzentration. Befinde sich der Lenker also noch in der Resorptionsphase, so seien seine alkoholbedingten Ausfallserscheinungen, wenn der genannte Grenzwert später jedenfalls erreicht werde, nicht geringer als nach dem Ansteigen auf diesen Grenzwert; durch den Schluss- oder Sturztrunk werde ein so rasches Ansteigen des Blut- bzw. Atemalkoholgehalts bewirkt, dass mindestens die gleiche Beeinträchtigung bestehen müsse, wie bei dem für den Zeitpunkt der Blutabnahme bzw. der Atemalkoholmessung nachgewiesenen Blut-(Atem-)Alkoholwert. Auch wenn somit der Tatzeitwert geringer als 0,8 Promille bzw. 0,4 mg/l gewesen sein sollte, sei daher Fahruntüchtigkeit im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO gegeben, weil es gleichgültig sei, ob der vor Antritt der Fahrt konsumierte Alkohol, wenn er zu irgendeinem Zeitpunkt nach Beginn des Lenkens des Fahrzeugs zu einem Blutalkoholgehalt von mindestens 0,8 Promille (Atemluftalkoholgehalt von 0,4 mg/l) führe, vor, während oder nach der Fahrt resorbiert werde. Nach Auffassung der belangten Behörde habe sich daher der Beschwerdeführer zum angegebenen Tatzeitpunkt in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden und damit die ihm zur Last gelegte Verwaltungsübertretung begangen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Gemäß § 5 Abs. 1 zweiter Satz StVO in der im Beschwerdefall noch anzuwendenden Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994, gilt bei einem Alkoholgehalt des Blutes von 0,8 g/l (0,8 %o) oder darüber oder bei einem Alkoholgehalt der Atemluft von 0,4 mg/l oder darüber der Zustand einer Person jedenfalls als von Alkohol beeinträchtigt.
Der Beschwerdeführer wendet zunächst ein, die belangte Behörde habe es unterlassen, Ausführungen darüber zu machen, was unter einem "Sturztrunk" oder Schlusstrunk zu verstehen sei, und wieso konkret diese Bestimmungen im gegenständlichen Fall anzuwenden seien.
Mit diesem Vorbringen zeigt der Beschwerdeführer nicht die Wesentlichkeit eines der belangten Behörde unterlaufenen Verfahrensmangels auf, zumal sich die Begriffe Sturztrunk und Schlusstrunk schon aus ihrer Wortbedeutung selbst erklären und der Beschwerdeführer im Zuge des Verwaltungsstrafverfahrens behauptete, kurz vor Fahrtantritt (neben der Aufnahme von Nahrung) ein großes und ein kleines Bier (vgl. die Vernehmung vom 31. Oktober 1997) bzw. zum Essen ein großes Bier und kurz vor Fahrtantritt "relativ rasch" zwei Drittel von einem großen Bier getrunken zu haben (vgl. die Stellungnahme vom 19. Februar 1998). In der Begründung des angefochtenen Bescheides wurde dieses Trinkverhalten des Beschwerdeführers eben als "Sturztrunk" (vgl. S. 3 des angefochtenen Bescheides) gewertet.
Weiters rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde habe auch Ausführungen darüber unterlassen, wie lange eine allfällige Anflutungsphase überhaupt dauere und wieso im gegenständlichen Fall "diese medizinischen Erkenntnisse" anwendbar seien. Der Beschwerdeführer sei anlässlich seiner Einvernahme am 31. Oktober 1997 angehalten worden, Angaben über sein Körpergewicht und seine Körpergröße zu machen. Weder führe der Amtsarzt in seiner amtsärztlichen Stellungnahme vom 24. November 1997 aus, wie diese Werte, sei es jeder für sich, sei es in einer Zusammenschau, in seine Stellungnahme allenfalls eingeflossen seien, noch geschehe dies durch die belangte Behörde. In weiterer Folge führt der Beschwerdeführer näher aus, weshalb er die in § 5 Abs. 1 StVO genannten Werte im Zeitpunkt des Lenkens wegen der - seiner Ansicht nach - noch nicht abgeschlossenen Resorption des von ihm vor Fahrtantritt zu sich genommenen Alkohols nicht erreicht haben konnte. Ferner rügt er die unterlassene Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen für Gerichtsmedizin bzw. Serologie, aus dem sich seiner Ansicht nach ergeben hätte, dass es bei ihm am 19. September 1997 zu keiner Blutalkoholkonzentration von 0,8 Promille bzw. 0,4 mg/l oder darüber gekommen sei und auch das Phänomen der Anflutungsphase im gegenständlichen Fall ausscheide.
Dem ist entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführer selbst in seiner Stellungnahme vom 19. Februar 1998 gegenüber der Verwaltungsstrafbehörde erster Instanz mitteilte, "rein rechnerisch" mit den Ausführungen des Amtsarztes Dr. R. "konform" zu gehen.
Für die Rückrechnung wurde in diesem amtsärztlichen Gutachten ein durchschnittlicher und der hg. Judikatur entsprechender Verbrennungswert des Alkohols im Blut (0,10 bis 0,12 Promille pro Stunde; vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. September 1991, Zl. 91/03/0092) herangezogen und dabei noch eine Schwankungsbreite von +/- 0,05 Promille berücksichtigt. Danach war jedenfalls von einer den Grenzwert von 0,8 Promille zum Tatzeitpunkt deutlich übersteigenden Alkoholisierung des Beschwerdeführers auszugehen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob der vom Beschwerdeführer kurz vor Fahrtantritt konsumierte Alkohol bereits zum Zeitpunkt des Unfalls voll resorbiert war. Es entspricht nämlich der in der ständigen Rechsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - von der abzugehen kein Anlass besteht - wiedergegebenen Erkenntnis der medizinischen Wissenschaft, dass Alkohol in der Anflutungsphase besonders nachteilige Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit zeitigt; ein "Sturztrunk" kurz vor Fahrtantritt wirkt sich auf den Alkoholgehalt des Blutes und der Atemluft erst nach einer gewissen Zeit aus, die Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit tritt aber sofort ein. Im Hinblick darauf bedurfte es - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - auch nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens eines Sachverständigen für Gerichtsmedizin bzw. Serologie (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2003, Zl. 2000/02/0254).
Die belangte Behörde konnte daher - selbst im Falle einer noch nicht gänzlich abgeschlossenen Resorption des vom Beschwerdeführer vor Fahrtantritt konsumierten Alkohols - zu Recht vom Lenken eines Fahrzeuges durch den Beschwerdeführer zur Tatzeit in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ausgehen.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 28. Februar 2003
Schlagworte
Alkoholbeeinträchtigung Resorption Abbaugeschwindigkeit Beweismittel Sachverständigenbeweis Medizinischer SachverständigerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999020167.X00Im RIS seit
05.05.2003